Roflmao, Bruder!
Wir alle kennen mittlerweile den gängigen Netzjargon mit seinen goldigen Abkürzungen wie LOL, IMHO etc. Ich gestehe, daß auch ich hin und wieder eine benutze, weil es einfach schneller geht. In unserer schnelllebigen Zeit ist einfach kein Platz mehr für stilvolle, inhaltsschwere Sätze; da muß maximal viel Information auf minimalem Raum Platz finden.
Auch Gefühle werden nicht Werther-esque in schmalzigen Monologen vorgetragen, sondern in Form des entsprechenden Smileys an das virtuelle Gegenüber vermittelt. Manche User versehen ihre mails mit ganzen Smiley-Wäldern, um der Intensität ihrer Gefühle Herr zu werden. Wenn man so stark grinst, daß Mundwinkel zu reißen und Halsschlagadern zu platzen drohen, müssen schon mindestens 10 breit grinsende und hüpfende Smileys dafür herhalten. Gerade in Foren ist das eine Seuche! Es gibt sogar Smileys, die ein Schild mit LOL darauf hochhalten. Vermutlich ein Zeichen für die Freaks, die lachen und sich dabei auch noch gut fühlen…
Aber wie kann es sein, daß unsere Sprache, gerade hier im Land der Dichter und Denker, so verroht? Ich warte ja nur darauf, daß der gesamte Abkürzungsapparat in unseren alltäglichen Sprachgebrauch übergeht. „Hi Alter, lol, da hast du IMO weniger fett gerult!“ Eine solche unheilige Kombination von Skater- und Usersprache, liebevoll garniert mit einigen Anglizismen, könnte Herrn Goethe dazu veranlassen noch ein wenig schneller im Grab zu rotieren. Gefühlstote Menschen könnten vielleicht zusätzlich noch Fähnchen mit dem entsprechenden Smiley darauf hochhalten, um die statistisch am wahrscheinlichsten zu erwartende Gefühlsregung mitzuteilen.
Wir alle kennen auch diese Gelegenheiten, in denen ein guter Freund einen Witz reißt, der auf der Schenkelbruch-Skala eher weiter unten anzusiedeln wäre. Anstatt sich mühsam ein theatralisch-künstliches Bühnenlachen abzuringen, um den Kumpel nicht vor den Kopf zu stoßen, könnte man das ganze mit dem indianisch klingenden Wort ROFLMAO (Rolling On Floor Laughing My Ass Off) abhaken. Der Witzverursacher hätte damit einen meßbaren Erfolg zu verzeichnen, ohne daß sich sein Gegenüber wirklich im Dreck suhlen muß bis durch die spastischen Zuckungen seines nicht-enden-wollenden Lachens sein Hintern abfällt. Schmerzhafte Vorstellung. Und eine unnötige Sauerei.
Jetzt aber mal ernsthaft, das Wort, das mich von allen seinen teuflischen Mitstreitern am schnellsten zur Weißglut bringt ist ohne Zweifel und mit weitem Abstand „LOL“. Wenn ich es zu häufig in einer mail oder einem Forum lese könnte ich meinen Mageninhalt zu Tage fördern. LOL bedeutet „Laughing Out Loud“. Darf ich mir also vorstellen, daß die halbe zivilisierte Welt andauernd schallend lachend vor ihren Rechnern sitzt bis die Wände wackeln? Ich hoffe doch mal nicht. Womit wir auch beim Kern des Ärgernisses wären. LOL einzutippen ist fast zu einer Übersprungshandlung mutiert. Von unsichtbaren Fäden dirigiert, schreiben es die Nerds (sorry für den Anglizismus…mist schon wieder) dieser Welt fast zwanghaft als Antwort auf jeden Beitrag, den sie auch nur im Ansatz amüsant finden.
Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, wenn jemand an dieser Stelle glaubt wirklich Menschen zu kennen, die so gerne und so häufig laut vor sich hinlachen. Ich stelle mir vor, wie ich bei einem Spieleabend oder einer Diskussionsrunde von Leuten umgeben bin, die in kurzen Intervallen ein Situations-unspezifisches, triumphales Gelächter loslassen, wie ein besoffener D’Artagnan, nachdem er Kardinal Richelieu die Mütze vom Kopf geschossen hat.
Es gibt Gesprächssituationen, in welchen LOL nicht nur unangebracht ist, sondern auch von geistiger Demenz zeugen kann, sollte der Betreffende wirklich laut gelacht haben. Ich vermute eher, daß LOL in bestimmten Situationen ein Synonym für ganz andere Dinge ist. Zur Veranschaulichung werde ich im Folgenden ein paar typische Dialoge rekonstruieren, wie sie sich in meinem Beisein auf der Spieleplatform VASSAL zugetragen haben. VASSAL ist eine engine, mit der Spieler bekannte Brett- und Strategiespiele online gegeneinander zocken können. Um zu würfeln, benutzt man einen sogenannten Dicebot, ein Würfelsymbol, hinter welchem sich ein simpler Zufallsgenerator verbirgt. Der folgende Dialog hat sich so ähnlich bei einem Fantasy-Strategiespiel zugetragen. In Klammern steht meine Vermutung bezüglich des wahren Bedeutungsgehaltes von LOL:
Spieler1 macht einen verzweifelten Spielzug, um seinen Kopf noch einmal aus der Schlinge zu ziehen. Er würfelt zum xten mal in Folge eine 1, was nach dem angewandten Regelsystem einen automatischen Mißerfolg ausdrückt:
Spieler1: Oh mann LOL!!! (Der Dicebot haßt mich und ich hasse ihn. Gleich werfe ich meinen Computer aus dem Fenster. Ich tue aber mal so, als stünde ich über den Dingen, indem ich einfach darüber lache)
Spieler2: LOL (ich kann meine Schadenfreude jetzt kaum noch im Zaum halten. Ich lache aber mal mit, um meine charakterliche Reife zu verdeutlichen. Ist ja nur ein Spiel…)
Spieler1 merkt nun, daß er einen dummen Fehler gemacht hat. Immer und immer wieder. Er hat große Teile des Spiels eine wichtige Fähigkeit seiner Einheiten vergessen:
Spieler1: Oh nein, ich merke gerade, daß ich die ganze Zeit meine Einheiten 2 Felder weiter hätte bewegen können…LOL! (Verfi**** Sch****, den Sieg so leicht aus der Hand zu geben…ich Idiot! Und das Ar******* hat mich noch nicht mal darauf aufmerksam gemacht)
Spieler2: ja stimmt…LOL! Ist doch nicht schlimm. LOL. (Hehehehe, jetzt hat es der Trottel endlich gemerkt. Er soll nur bitte aufhören über seine eigene Dummheit zu lachen; das finde ich erbärmlich)
Ok, das soll mal reichen, aber ich denke, es veranschaulicht ganz gut was ich meine. Deswegen mein Fazit für heute: Liebe Community, LOL’t so viel und so häufig ihr wollt, aber fragt euch doch manchmal, ob euch auch wirklich zum Lachen zu Mute ist. Etikette ist eine Sache, aber die Vorspiegelung falscher Tatsachen ist eine andere. Das ganze Internet ist so schon anonym und heuchlerisch genug (nicht nur die Kontaktbörsen), da müssen wir doch nicht durch kleine, stylishe Kürzel noch mehr zur allgemeinen Verwirrung und Entmenschlichung beitragen. Slow down, sonst klopft irgendwann der Herzkasper! Nehmt euch die Zeit in ganzen Sätzen zu schreiben, was ihr wirklich denkt und fühlt.
Für Mich. Für Euch. Für Goethe. Für Deutschland.