Die fantastischen Drei
Da fällt mir doch beim Aufräumen alter Dateien ein weiteres Schmuckstück vergangener Tage in die Hände. Wer in seiner frühen Jugend auch einmal Drachen in düsteren Gewölben gejagt hat, wird sich vielleicht in dem einen oder anderen Charakter der folgenden Geschichte wiederfinden.
Wenn ich mich recht entsinne, hatten mich dareinst die ungerechte Verteilung der Reichtümer in unserer Gruppe, sowie die verschwimmenden Gesinnungsgrenzen zu diesem Text inspiriert.
Enjoy!
Die fantastischen Drei
Die letzten Sonnenstrahlen ließen die verschlungenen Türme der Stadt rötlich leuchten, als der lebensspendende Feuerball langsam hinter dem Donnerzackengebirge verschwand. Vor dem Tor der Stadt, daß von zwei übergroßen Steinstatuen stumm bewacht wurde, verharrten drei Gestalten in der aufkommenden Dunkelheit. Der eine war der menschliche Paladin Darion Sturmfalke. Ein Streiter für das Gute in prächtiger Rüstung. Fast zwei Köpfe kleiner neben ihm stand der halbelfische Dieb Tassilo. Er war der elegante und geschickte Überlebenskünstler der Truppe. Und dann war da noch der hochelfische Magier Eladar, welcher in eine farbenprächtige Robe gehüllt im Schatten der Wehrmauer am besten zu erkennen war.
„Die Wachen sehen irgendwie nicht so aus, als seien sie willens uns zu so später Stunde noch Einlaß zu gewähren“, meinte Darion nachdenklich, als er sich mit einer Hand über seinen kratzigen Dreitagebart fuhr. „Ich könnte ja mit meiner mächtigen Magie die großen Steinstatuen auf sie fallen lassen“, bemerkte Eladar mit einem diabolischen Grinsen, als er beschwörerisch mit den Armen ruderte. Doch zur großen Enttäuschung des Magiers schienen seine Gefährten dies nicht für die beste Lösung zu halten, es sei denn beide hatten aus purem Zufall gleichzeitig einen spontanen Lachanfall. „Natürlich, du allmächtiger Superelf!“ prustete der fast weinende Paladin um Beherrschung ringend, „und dann wirst du kurz in die Hände klatschen und uns in die Stadt teleportieren….“
„Muahaahaahaahaahaahaar !“ ertönte es daraufhin unter ihnen, als sich Tassilo wie unter Schmerzen am Boden wand. „Aufhören, bitte aufhören“ flehte der Dieb immer noch lachend, als er sich wieder aufrichtete und auf die verdutzten Wachen zeigte, „die Wächter werden schon mißtrauisch…“ „Ja spottet nur, sterbliches Gewürm!“ stieß Eladar zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. „Ich werde einst mächtiger sein, als es sich eure armseligen Gehirne auch nur entfernt vorstellen können.“ „Jaja, und dann wirst du irgendwann schallend lachend auf unser Grab urinieren – kennen wir schon alles“ entgegnete Tassilo gelangweilt und machte eine abwehrende Geste in Richtung des Magiers.
„Genug jetzt“, fuhr Darion, der plötzlich wieder ernst geworden war, dazwischen, „wir machen es wie immer.“ „Du meinst wohl DU machst es wie immer..“, rief Eladar verächtlich, als der Paladin davonsprang. Doch Darion hörte ihn schon nicht mehr. Sein magischer Prunkharnisch war so leicht, daß er die Distanz zu den Wachen mit seinen Siebenmeilenstiefeln schnell überbrückt hatte. Von den Pappnasen würde er sich nicht sein abendliches Bier in der Schenke zum durstigen Schluckspecht vermiesen lassen, dachte er wütend.
Der eine Wächter lächelte entwaffnend, als er den Paladin anstürmen sah, während sich der andere tief verbeugte. Dieser war es auch, der von Darions selbstständig arbeitenden Zauberseil verschnürt wurde, während sich der Paladin mit seinem gelb glühenden Zauberschwert dem anderen zuwandte. Die schockierte Wache reagierte jedoch unvermutet schnell und warf ihm einen wohl gezielten Dolch entgegen. Darion machte allerdings keine Anstalten auszuweichen, denn gerade erwachte die blau pulsierende Schutzaura einer seiner magischen Ringe zu knisterndem Leben. So verglühte das Geschoß harmlos zischend in der Luft vor ihm, als er die Wache mit einem Schlag in einen rauchenden Aschehaufen verwandelte.
Hinter ihm ertönte nun das flehende Wimmern des gefesselten Wachmanns, der ihn theatralisch auf seine Frau und seine neun Kinder aufmerksam machte. Darion lächelte breit, als er sich umwandte und gönnerisch sagte: „Nun gut, du sollst leben, denn niemand soll sagen Darion Sturmfalke sei…“ Doch in diesem Moment wurde die Wache von einem donnernden Blitz getroffen und ebenfalls pulverisiert. „Ach verdammt, mein magischer Blitzhelm…!“ entfuhr es Darion, als er sich mit entschuldigender Miene zu seinen Gefährten umwandte. Sein schimmernder Kopfschmuck in Form eines Flügelhelms knisterte immer noch angriffslustig.
„Wenn du dich überwinden könntest uns auch mal einen magischen Gegenstand abzugeben, würden solche Maleure bestimmt weniger häufig passieren“, rief Tassilo. „Ach Blödsinn, kommt lieber her, bevor die Wachablösung kommt – ich hab Durst!“ So schlossen der Elf und der Halbelf zu dem Paladin auf und betrachteten die Aschehäufchen. „Kein Wunder, daß du deinen Status und deine Heilkräfte als Paladin verloren hast, sagte Eladar schadenfreudig grinsend. „Na und?“ entgegnete Darion ungerührt, „wer brauch schon Heilkräfte oder die Hilfe eines Gottes, wenn man so eine Ausrüstung hat?“ Daraufhin stellte sich der Paladin in eine heroische Pose und wedelte bedeutsam mit seinem Zauberschwert, welches den Tordurchgang gülden erhellte. Der Dieb und der Magier ersparten sich daraufhin jeden weiteren überflüssigen Kommentar, da sie den gerechten Ritter des Guten nicht unnötig reizen wollten und folgten ihm schweigend zu ihrer Stammschenke.