90er Nostalgie: AD&D Trading Cards

Noch einmal die Welt durch die Augen eines Kindes sehen. Das wär was. Und dann am liebsten nochmal als Teen die frühen 90er erleben, als ich den ersten Comicladen meines Lebens betrat. Noch lange bevor der Bonner Comicladen seine Nerd-Pforten öffnete, gab es in der Nähe vom Bahnhof einen kleinen, verträumten Eckladen namens „Strange World“. Dort, inmitten von Wänden voller Zinnfiguren, Gläsern mit bunten Würfeln und Regalen voller geheimnisvoller Schachteln, vielen mir meine ersten Rollenspielbücher in die Hand. Meine Augen quollen über ob der arkanen Mystik, die all diese Bücher umgab, und ich weiß noch, dass ein Regelwerk namens „Talislanta“ das erste seiner Art war, das ich jemals aufschlug. Ich könnte heute noch nicht mal mehr sagen worum es da ging, nur dass sich dieser bunte Typ mit dem Schwert für immer in meine Erinnerung gebrannt hat.

Einige Zeit später (Monate, Jahre?), als ich meine ersten DSA-Runden hinter mir hatte, vielen mir im Strange World Päckchen mit Sammelkarten in die Hand: AD&D Trading Cards.

Kurz bevor Magic the Gathering die Welt der Sammelkarten für immer revolutionierte, entführten mich diese Karten in geheimnisvolle Welten eines neuen Rollenspiels. Dieses „Dungeons & Dragons“ war, so versicherte mir ein anwesender Kumpel, die Urmutter aller Rollenspiele und damit DER SHIT, den man spielen musste. Zu diesem Zeitpunkt kannte ich leider noch niemanden, der das legendäre Pen & Paper mit mir spielen konnte, so begnügte ich mich zunächst damit mir ab und an ein paar Päckchen von meinem Taschengeld zu kaufen und mit Freunden zu tauschen. Was es da alles zu entdecken gab! Helden, Bösewichter, Monster, magische Gegenstände und so vieles mehr! Auf den Rückseiten der Karten staunten wir über die Beschreibungen und Werte, mit denen wir noch nichts anfangen konnten, die uns aber so verdammt neugierig machten. Damals konnten wir auch noch nicht so gut Englisch, was das Spiel noch unnahbarer und mystischer für uns machte.

Nun bin ich bei der Nostalgie-getriebenen Suche nach den AD&D Trading Cards über Factory Sets, also Komplettsets, gestolpert und konnte nicht anders, als mir alle drei erschienen Boxen auf Ebay zu ersteigern. Endlich alle Karten besitzen, durchstöbern und in Erinnerungen schwelgen!

Doch würde der Zauber von damals nochmal in meinem erkalteten Herz aufglühen können?

Jetzt, unzählige andere Sammelkarten- und Pen & Paper-Rollenspiele später?

Ja und nein. Geile Antwort. Ich weiß. Lasst mich erklären.

Zunächst war es eine grenzenlose Freude die drei noch eingeschweißten Boxen zu öffnen und erst mal alle Karten zu sortieren. Das allein muss Stunden gedauert haben, doch ich habe jede Sekunde genossen. Für Fans sind diese Karten wirklich ein wunderbar nostalgischer Trip in die verschiedene D&D-Welten, die sich in der „Golden Age of D&D“ etabliert hatten: Neben der damals aktuellen AD&D 2nd Edition, finden sich Karten zu Greyhawk, Dragonlance, Forgotten Realms, Ravenloft, Dark Sun, Al-Quadim und sogar Spelljammer.

Um damalige Sammler vollends um Verstand und Geld zu bringen, gab es in allen drei Editionen sogenannte „Miniserien“, bei denen man z.B. die 8 „Women of Fantasy“ zusammen sammeln konnte (ich nehme die geile Goth-Braut unten links, TIP TOP!):

Oder die Domänen-Herrscher des Horror Settings Ravenloft:

Dabei macht es als Kenner vieler D&D Module und Verschlinger von noch mehr D&D Romanen natürlich besonders Spaß immer mal wieder über bekannte Gesichter zu stolpern, die mal mehr mal weniger gut in Szene gesetzt sind.

Und damit kommen wir auch schon zum größten Manko der AD&D Trading Cards, welches mir damals als aufgeregter Teen ohne Lebens-, geschweige denn, Rollenspiel- oder Fantasy-Erfahrung, natürlich nicht aufgefallen ist: das Artwork.

Viele Karten sind wirklich schön anzusehen und können mit Zeichnungen bekannter Künstler glänzen. Das ist jedoch wenig verwunderlich, da die Bilder allesamt aus den damals kursierenden Büchern und Kalendern entnommen sind. Gerade mit den einzelnen Blättern letzterer hatte ich damals fast alle Wände meines Kinderzimmers tapeziert. Einerseits ermöglicht dies noch einmal die D&D-Kunst der damaligen Jahre Revue passieren zu lassen und über die ein oder andere verbundene Erinnerung zu schmunzeln. Doch andererseits ist das für ein Trading Card Set schon recht krass gefuscht und wiederverwertet. Besonders, wenn dann als Lückenfüller mittelprächtige bis schlechte „Kunstwerke“ weniger begabter Zeichner herhalten müssen.

Die Qualität reicht dabei von „Geklaut, aber top“, über „ganz ok“, bis hin zu „was soll das überhaupt sein?“:

Ach, ein Wraith soll das Monster rechts darstellen! Gott sei Dank steht’s dran. Doch glücklicherweise sind die Kindergartenbilder vom Sohn des Herausgebers am seltensten in den Sets vorhanden. Bei der Masse der Karten kommen sie jedoch immer mal wieder vor und sorgen für einen gequälten Gesichtsausdruck.

Alles in allem macht es natürlich trotzdem Spaß die Karten immer mal wieder rauszuholen und im Gefühl von damals zu schwelgen. Auch wenn es durch den Wissensvorsprung nicht mehr ganz so authentisch ist. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass die Karten noch aktiv im Rollenspiel Verwendung finden könnten. Wenn ich als Spielleiter z.B. schnell einen randomisierten NPC brauche, kann ich z.B. einfach verdeckt aus einem Stapel von hunderten verschiedener ziehen. Dasselbe gilt für Gegenstände oder Monster.

So, ich hoffe, der ein oder andere kannte vielleicht die AD&D Trading Cards und rennt jetzt gerade aufgeregt umher, um seine eigenen aus verstaubten Kisten oder Schubladen hervor zu kramen. Für alle anderen habe ich noch ein kleines Suchbild. Es geht um ein ekelerregendes Monster, dem niemand – ganz gleich in welcher Welt – gerne begegnet. Wo ist der Unhold versteckt? Und nein, es ist nicht der leuchtende Ball auf der Brücke. Das ist nur der Blitz meiner Kamera. Also, wo ist das perverse Schwein?

Über Thilo (1211 Artikel)
Hi, ich bin der Gründer dieses bekloppten Blogs. Außerdem Realitätsflüchter, Romantiker, Rollenspieler, Gamer, Fantasynerd, Kneipenphilosoph und hochstufiger Spinner. Manchmal jogge oder schwimme ich, doch meistens trinke ich Bier.