Die besoffene Pechschwinge in unseren Erdbeeren

pechschwinge

Ich hatte schon immer eine Schwäche für Tiere in Notlagen. In freier Wildbahn habe ich schon einigen Kröten über die Straße und Vogelkindern zurück in ihre Nester geholfen. Doch besonders unser Balkon scheint ein wahrer Magnet für Flugtiere zu sein. Deshalb bereitete ich mich schon mental darauf vor einen weiteren unglücklichen Vogel gesund zu pflegen, als letzten Sommer ein großer Schatten auf unseren Balkon plumpste und einen Blumenkübel umriss. Ich wunderte mich nur, dass der Pilot diesmal nicht zuerst gegen die astrein geputzte Scheibe geprallt, sondern gleich mitten in die Blumen gefallen war.

Als ich hinaus trat, konnte ich gerade noch sehen wie ein schwarzer Pfeilschwanz hastig hinter einen Blumenkübel zurückgezogen wurde. Ich konnte mein Glück nicht fassen! Ich war mir ziemlich sicher, dass sich eine Flugechse auf unseren Balkon verirrt hatte. Hoffentlich hatte sich der junge Drache bei seinem Sturz nicht verletzt! „Ist ja gut, Junge, Du kannst raus kommen, ich tue Dir nichts“, säuselte ich beruhigend.

Ein schwarz geschuppter Kopf mit leicht gebogenen Hörnern spähte vorsichtig um die Ecke. Dann hickste das Wesen eine kleine Rauchwolke und fragte: „Hast Du Bier?“

Ich musste später erst mal in unserem Draconomicon nachschlagen, um herauszufinden, welche Drachenart da auf unserem Balkon abgestürzt war. Scheinbar handelte es sich um eine junge Pechschwinge mit dem Namen Sören. Wie sich in einem klärenden Gespräch herausstellte, war Sören betrunken geflogen und genau über unserem Balkon mit einem großen Raben zusammengestoßen. Bei der unsanften Landung in unseren Blumentöpfen hatte er sich scheinbar einen Flügel verstaucht.

Ich gestattete Sören für die nächsten paar Wochen oder Monate auf unserem Balkon zu wohnen bis er seine Flugfähigkeit wieder erlangt hätte. In der Zwischenzeit lernte ich, dass sich Pechschwingen nur von medium gebratenen Steaks mit Kräuterbutter und literweise Bier ernähren. Es war nicht ganz billig den jungen Drachen gesund zu pflegen, aber wann hat man dazu schon mal die Gelegenheit? Außerdem konnte sich der kleine Drache hin und wieder als Grillanzünder nützlich machen oder den Postboten erschrecken.

Doch eines Tages kam ich etwas früher als gewohnt vom Einkaufen zurück und sah wie Sören elegant auf unserem Balkongeländer landete und sich eine Kippe anzündete. Als mich der Drache bemerkte sprang er sofort zu Boden und hüpfte mitleiderregend umher. Als ich ihn prüfend anblickte streckte er vorsichtig seinen rechten Flügel aus und zuckte dann schmerzerfüllt zusammen. „Eines Tages wird das schon heilen“, lallte er.

Da ich mir sicher bin, dass Sören meine Gastfreundschaft nun schon deutlich länger als nötig strapaziert, werde ich ihn nun schweren Herzens den Behörden melden. Ich denke mal, dass ein paar Beamte Sören in den nächsten Tagen abholen werden. Ich hoffe nur, dass er keinen Widerstand leistet und sich von den Fachleuten wieder in der freien Natur resozialisieren lässt. Ich bitte nur die Beamten, feuerfeste Westen und Handschuhe zu tragen. Wenn Sören betrunken ist, kann er sehr grantig werden und seine Bäuerchen haben dann eine Temperatur von 1200 Grad.

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