Roter November: Fröhlich-makabrer Überlebenskampf im U-Boot der besoffenen Gnome
7 von 10 verklemmten Luken
Original: Red November (Revised Edition)
Erstmalig erschienen: 2008
Anzahl der Spieler: 3 – 8 (kooperativ)
Empfohlenes Alter: 12+ (weil, leicht makaber?)
Spieldauer: ca. 1-2 Stunden
Die Schöpfer: Bruno Faidutti und Jef Gontier
Es hat schon einen Grund, warum ein U-Boot manchmal auch als „schwimmender Sarg“ bezeichnet wird. Im kooperativen Survival Game Red November von Fantasy Flight Games könnt ihr an Bord eines Atom-U-Boots ertrinken, verbrennen, ersticken, explodieren, zerquetscht oder von einer Riesenkrake gefressen werden. Da scheint 20.000 Meilen unter dem Meer etwas verdammt dumm gelaufen zu sein. Einzige Hoffnung der Crew ist ein Rettungsboot, das in genau 60 Minuten eintreffen soll.
Das Spiel erinnert durch seinen Namen nicht nur an Jagd auf Roter Oktober mit Sean Connery, sondern durch das Katastrophen-Setting leider auch an das im Jahr 2000 verunglückte russische Atom-U-Boot Kursk. Vermutlich, um dem Spiel eine etwas weniger morbide Grundstimmung zu verleihen, haben sich die Schöpfer dazu entschieden das Boot mit Gnomen zu besetzten. Außerdem gibt es noch einem Riesenkraken, um den Sprung ins etwas leichtherzigere Fantasy-Genre komplett zu machen.
Aber mal abgesehen von allen Querverweisen oder möglichen Parallelen ist Roter November einfach ein wunderbar chaotisches Vergnügen. Während die Gnome auf ihre Rettung warten, müssen sie ständig Feuer löschen, Wasser abpumpen, Reparaturen am U-Boot vornehmen, blockierte Luken öffnen und, was fast das Wichtigste ist, jede Menge Grog trinken, um den Mut nicht zu verlieren. Um all die Krisenherde einzudämmen, müssen die Gnome – und das ist die interessante Hauptmechanik des Spiels – Zeit investieren. Die meisten Aufgaben haben eine Schwierigkeit von 10. Will Günther der Gnom z.B. ein Feuer löschen, das gerade unter seinem Hintern emporgelodert ist, muss er Zeit investieren. Nimmt er sich zum Löschen 5 Minuten, dann müsste er für einen Erfolg unter 5 würfeln. Ein Feuerlöscher, wenn er einen hätte, gäbe ihm nochmal +3 Bonus, wodurch er schon nur noch bei einer 9 oder 10 versagen würde. Warum dann nicht einfach 10 Minuten Zeit nehmen für einen sicheren Erfolg? Tja, da liegt der Hase im Pfeffer, denn mit jeder Minute Zeit, die sich ein Gnom nimmt, läuft er auch auf dem Zeitstrahler nach vorne und löst dabei bei entsprechend gekennzeichneten Feldern neue Katastrophen aus. Es sei denn, er zieht mal eine der seltenen „Ruhepausen“ vom Stapel der Ereigniskarten. Dieses Jonglieren mit der Zeit, um Würfelwürfe zu vereinfachen, während man gleichzeitig versucht nicht über zu viele neue Ereignisfelder zu laufen, macht den Hauptreiz des Spiels aus.
Manchmal kann auch durch Ablassen des Wassers aus einem überfluteten Raum ein Feuer im Nachbarraum gelöscht werden. Doch ständig klemmt eine Luke, das richtige Equipment hat jemand anderes, oder beim nächsten Check wird der Gnom, der gerade die Sauerstoffversorgung repariert, durch den ganzen Grog ohnmächtig. Shit happens. Hat ja auch niemand behauptet, dass die Überlebenschance von einem U-Boot voll besoffener Gnome hoch sei.
Doch damit auch wirklich niemand zu Atem kommt, gibt es noch die drei lustigen Katastrophenanzeiger. Durch ausbrechende Feuer steigt die Erstickungs-Anzeige, durch Reaktorfehlfunktionen steigt die Hitze und durch tieferes Tauchen steigt die Druckanzeige. Zeigt einer dieser drei Katastrophenanzeiger Maximum ist das Spiel verloren. Und als wäre das noch nicht genug Stress für die armen Gnome, können zu allem Überfluss auch noch vier verschiedene Katastrophenmarker auf der Zeitleiste auftauchen. Die Abwendung dieser Katastrophen muss Priorität haben, da das Spiel ebenfalls vorzeitig verloren ist, wenn alle Gnome mit ihren Zeitmarkern daran vorbei gezogen sind. Deshalb sollte sich schnell jemand ein Herz fassen und den Raketenstart abbrechen oder die Riesenkrake außen am U-Boot harpunieren. Nicht zu verwechseln mit Schamponieren.
Und wenn trotz aller Teamarbeit nach 50 Minuten absehbar ist, dass alle jämmerlich krepieren werden, gibt es noch die Möglichkeit sich die Taucherausrüstung zu schnappen und seine Kameraden heldenhaft im Stich zu lassen. In diesem Fall gewinnt nur der Taucher. Sollte es jedoch nur einer der anderen Gnome doch noch schaffen gerettet zu werden, dann landet der Deserteur vor dem gnomischen Erschießungskommando. Ist ja auch ein dicker Hund!
Zur Untermalung der Atmosphäre haben wir übrigens zum Spiel Underwater Love von Smoke City, Under the Sea von The Little Mermaid und natürlich den kompletten Sountrack von Das Boot gehört. Gerade dramatischere Stücke aus letzterem haben gegen Ende des Spiels besonders gut zur beinahe aussichtslosen Situation gepasst. Wir waren echt verblüfft, dass wir es am Ende doch noch um Haaresbreite geschafft haben bis zur Ankunft des Rettungsbootes zu überleben. Nur unser Tollpatsch-Gnom, der ständig gestolpert ist und seine Gegenstände verloren hat, war kurz vorher von etwas anderem verblüfft, nämlich wie schnell man den Löffel abgibt, wenn man lichterloh in Flammen steht…
Da ich ihnen mindestens noch ein Brettspiel-Review schulde (Fortune and Glory kommt noch, ich schwöre), möchte ich dieses Review der Spiele-offensive widmen, wo ihr Red November günstig bestellen könnt. Da findet ihr auch ein Erklär-Bär-Video zum Spiel.