Ein Nerd in Italien, Teil 2: Venedig – Malerische Dekadenz und Verfall
Venedig, die „romantischste Stadt der Welt“, stand schon lange auf meiner to-do-Liste von Städtebesichtigungen. Viele Unkenrufe und „Warnungen“ hatte ich im Vorfeld gehört. Angeblich sollte die Lagunenstadt viel zu Touristen-überlaufen sein, an allen Ecken und Enden stinken, von alles mit Kacke torpedierenden Tauben-Heerscharen heimgesucht werden und alles in allem so schön nun auch wieder nicht sein. Ich konnte nichts von all dem nachvollziehen.
Ich glaube da findet einfach auch viel in den Köpfen der Leute statt. Natürlich gibt es da jede Menge Besucher, die die Stadt besichtigen und erleben wollen. So wie in jeder anderen Großstadt auch. Dass die sich dann natürlich besonders an klassischen Anlaufstellen mit vielen Sehenswürdigkeiten wie dem Markusplatz ballen, versteht sich ja auch irgendwie von selbst. Aber gestört hat mich das in keiner Weise dabei die märchenhafte Atmosphäre vor dem ehemaligen Sitz der Obrigkeit, dem Dogenpalast, der Dom und dem Glockenturm zu genießen. Besonders der Blick von letzterem auf Venedig ist ein Muss (anklicken zum Vergrößern):
Aber Venedig ist ja auch nicht der Markusplatz.
Der Zauber von Venedig entsteht drum herum, durch das wahrhafte Labyrinth von unzähligen kleinen Gässchen mit ihren großen und kleinen Brücken über die allgegenwärtigen Wasserwege. Ich kam mir vor wie in einer großen kitschigen Filmkulisse, die einmal für einen Mittelalter- vielleicht Renaissance-Fantasy-Film errichtet wurde. Überall ist man umgeben von kunstvollen Spitzbögen an Fenstern, niedlichen Durchgängen und kleinen Säulengängen. Ich bin mir sicher, damals wurde für Indiana Jones and the Last Crusade ein Filmset gebaut und einfach stehen gelassen. Dann haben sich einfach Leute drum herum angesiedelt und immer mehr Häuser und Brücken gebaut bis daraus das heutige Venedig entstanden ist…
Venedig und die Gondeln
Man kann sich wirklich ohne Probleme die Füße platt laufen in Venedig. Da es in ganz Venedig keine Autos und noch nicht mal Fahrräder gibt, legt man pro Tag ganz automatisch etliche Kilometer mit den Käse-Tretern zurück. Besonders, weil die malerischen Wege dazu einladen einfach ziellos umher zu stiefeln, wobei man zwangsläufig immer mal wieder Umwege geht oder ganz banal in Sackgassen landet. Dass man um die Ecke biegt und plötzlich vor nicht überbrücktem Wasser steht ist keine Seltenheit.
Für ein paar Kröten kann man sich allerdings an vielen Stellen von einem Gondoliere ans andere Ufer paddeln lassen, wenn gerade der Sinn nach einer Abkürzung steht. Das sollte man auch mal gemacht haben, denn das lustige Schaukeln über einen Kanal ist 1 oder 2 Euro allemal wert.
Eine mehrstündige, „romantische“ Gondelfahrt für 80€ (nachts 100€) haben wir uns aber gespart. Um an überbordender Romantik nicht fast zu ersticken, muss man nicht unbedingt in einen Gondel-Stau geraten. Dafür reicht das Flair der Stadt auch so.
Ansonsten gibt es für “Normalsterbliche” noch die Vaporetti, um in Venedig längere Distanzen zurück zu legen. Das sind im Prinzip Buslinien, nur in Bootsform, für die man Tickets kauft und abstemplet.
Hier noch ein paar random Gondel-Pics. Sogar die kleinsten lernen schon das Handwerk:
Entnervter Vogel wartet auf sein Wasser-Taxi.
Garagen haben die Venetianer auch, nur eben für Boote.
Größere Schiffe gibts auf den größeren Kanälen, wie dem berühmten Canal Grande, natürlich auch.
Und manchmal zwängt sich da sogar so ein Luxusdampfer durch und wird zur Photobomb als ich gerade das andere Ufer fotografieren will. Danke, Crystal Serenity… Sehr lustig: Die riesigen Kreuzfahrtschiffe konnten wir sogar von unserem Hotelzimmer in einem kleinen Hinterhof sehen. So wirkte es, als würde plötzlich ein riesiges Schiff mitten durch die Gassen der Stadt fahren. Gespenstisch! Der fliegende Holländer hat aufgerüstet?
Essen in Venedig
Ja … äh … da sind wir nicht rein gegangen. Ansonsten reichte die Qualität des Essens genau wie in Rom von “ganz ok” bis “echt lecker”. Allerdings noch mal teurer als in Rom. Wer sich in Venedig nicht nur von Straßenhändler-Pizza ernähren will, ist schnell arm. Ansonsten isst man natürlich auch den Ausblick und die Atmosphäre mit. Irgendwo am Wasser in der Sonne zu sitzen und ein Frozen Nougat Eis zu essen, kann schon was.
Die Masken und der Karneval
Der historische Karneval in Venedig, mit seinen Masken, Tierkämpfen, Herkulesspielen und Feuerwerken geht auf die Saturnalien der Antike zurück (Danke Wikipedia, Du geiles Stück). Und natürlich findet man immer noch an allen Ecken und Enden Maskenläden mit fantastischen Masken-Kreationen:
Dem Haupt der Gorgone nachempfunden. Nice. Nerd-Boner.
Und wer modern bleiben möchte, legt auch ein paar Steampunk-Masken ins Schaufenster. Das ist übrigens auch der Laden, in dem Tom Cruise und Nicole Kidman persönlich ihre Masken für Eyes Wide Shut in Auftrag gegeben haben. Erkennbar an den stolz im Schaufenster aufgehängten Autogrammen. Natürlich konnte ich nicht anders, als mir auch eine Maske zu kaufen. Ich habe jedoch eine recht schlichte und kleine gewählt, die man auch guten Gewissens irgendwo aufhängen kann, ohne das Gefühl zu haben, sich das Böse in Form einer ewig starrenden Clowns-Fratze ins Haus geholt zu haben.
Die Sehenswürdigkeiten von Venedig
Wie ich bereits erwähnte, ist Venedig nicht der Markusplatz. Ganz Venedig ist eine einzige große Sehenswürdigkeit, die so auf der Welt einmalig ist. Durch die kleinen Gässchen zu schlendern und diesen unverwechselbaren Kontrast zwischen neu und alt, malerischer Dekadenz und Verfall, sollte jeder mal erlebt haben. Rom fand ich fast langweilig dagegen.
Ansonsten sind die „typischen“ Sehenswürdigkeiten wie der Markusplatz etc. auch nachts bzw. abends sehr zu empfehlen. Die Laternen und Lichter tauchen die Stadt dann noch mal in eine ganz andere Atmosphäre als tagsüber:
Am Ende eines schaukligen Tages werden die fleißigsten Gondeln ordnungsgemäß irgendwo geparkt, damit sich die Gondolieri auch endlich mal die Lampe anzünden können.
Das ist der Dogenpalast bei Dämmerlicht. Diesen zu besichtigen lohnt sich wegen seiner titanischen Ausmaße definitiv!
Da gibt es dann so Sachen zu bewundern wie das größte Gemälde der Welt oder … viel interessanter für den Waffen-Nerd in mir …
Die Waffenkammer! Mit möglichst großen Zweihändern oder …
… solchen Rüstungen für extrem vorsichtige Ritter, die echt keinen Bock auf Schmisse im Gesicht haben.
Sowas sollte jeder am Geländer seines Balkons haben, um dem Nachbarn das missgönnte Steak vom Grill ballern zu können. RATATATATATATA! Bwhahahaha!
Vom Dogenpalast aus führt die berühmte Seufzerbrücke rüber zur Inhaftierungsebene. So benannt, weil man der „Legende“ nach die Seufzer der Gefangenen unter der Brücke hören konnte, wenn diese zu ihrer Haft in solche einladenden Zellen gebracht wurden:
Obligatorisch natürlich, aus dem Inneren der Brücke raus zu stöhnen wie ein frisch verwandelter Zombie auf Hirn-Entzug und dabei wie blöd den Gondeln unten winken…
Malerisches Venedig
Was soll man sonst noch sagen zu dieser verträumten Stadt? Hinfahren und selbst die Atmosphäre atmen! Hier noch ein paar Teaser:
Die Rialtobrücke, die so breit ist, dass heutzutage jede Menge Kitsch-Läden auf ihr Platz finden. Oh HAI, Vogel!
Der Vogel musste einige Male für mich Anlauf nehmen, bevor ich ihn endlich mitten im Flug drauf hatte…
Nicht umkippen, Turm, alter Knabe!
Die kleinen, teilweise lächerlich Engen Gässchen zwischen den Häusern, herrlich!
Achso gewohnt haben wir in einer vergleichsweise günstigen Bleibe (schräg gegenüber von diesem niedlichen Durchgang), die hervorragend die allgemeine Atmosphäre unterstützt hat. Ich fühlte mich wie ein mittelalterlicher Venezianer, der gleich auf den Markt geht, um einer Enthauptung beizuwohnen … oder so …