Drizzt, was treibst Du so, alter Krummsäbel-Tornado?
Hero, das dritte Buch aus der Homecoming-Trilogie ist scheinbar das jüngste Werk von R.A. Salvatore, dem Schriftsteller, der beinahe albern-detailverliebte Schwertkämpfe im Fantasy Roman salonfähig gemacht hat. Ich staune nicht schlecht, dass ein gewisser Säbelschwinger mit weißen Haaren scheinbar nicht tot zu kriegen ist. Denn eigentlich gibt es in fantastischen Welten wie D&D’s Faerun doch nur zwei mögliche Schicksale für Helden: Gott oder tot. Alles dazwischen ist für eine High Magic-Welt einfach unwürdig, weil jedes andere Schicksal nicht episch oder dramatisch genug wäre. Deshalb frage ich mich wirklich, wann diese Unterreich-Kuh endlich tot gemolken ist? Oder hat Salvatore versehentlich mal einen Vertrag unterzeichnet, der ihn zwingt über Drizzt zu schreiben, bis er wieder Heim zu Mama Lolth darf? Irgendwann muss doch auch mal Schicht im Schacht des Unterreichs sein, oder? Da lobe ich mir George R. R. Martins Charaktere, die stets „aufhören“, wenn es am schönsten ist. Eine Kurve, die Herr Salvatore mit Drizzt leider nicht gekriegt hat.
Aber wieso mache ich jetzt überhaupt dieses Fass mit Spinnen, Schreipilzen und Leuchtmoos auf?
Well, ich hatte schon länger vor mal über die intimen Momente mit Drizzt in meiner frühen D&D-Erziehung zu schreiben.
Es gab mal eine Zeit, da waren mir die beiden sehr ans Fantasy-Herz gewachsen: Drizzt Do’Urden, dieser durchgebrannte Drow Ranger aus dem Unterreich, und sein magischer Panther mit schwer auszusprechendem Namen. Ich glaube, Gwenwiwuff oder so hieß der. Und auch wenn mit R.A. Salvatore in späteren Büchern doch sehr die Copycat durchgaloppiert ist (Keine Widerrede jetzt, oder ich ziehe Wulfgar mit Aegisfang aus der Schublade und stelle ihn mal kurz zum Vergleich neben Thor und seinen Mjölnir…), kann ich seine ersten Bücher, die komplett im Reich der Dunkelelfen spielen, nur wärmstens empfehlen. Bei der Beschreibung der dekadenten, wunderschönen und tödlichen Drow in ihrer glitzernden Welt aus Feenfeuer, Chaos und Wahnsinn läuft Salvatore wirklich zur Hochform auf. Drizzts Reise heraus aus dem Unterreich zur Oberfläche gehört zu den kurzweiligsten Geschichten, die ich bisher gelesen habe – Pure Dungeons & Dragons-Abenteuer-Liebe. Doch nicht nur die Exotik der Schauplätze und die haarsträubenden Kämpfe haben mich damals die Bücher verschlingen lassen. Da gab es zu Beginn eines jeden neuen Kapitels sogar eine Schippe Philosophie zu genießen, wenn Drizzt über Freund und Feind oder hell und dunkel fabulierte. Ich war jung genug, um ergriffen zu sein, wenn der Höhlenbewohner mir mitteilte, dass ein Sonnenaufgang zwar nur wenige Augenblicke andauert, sich dessen Schönheit jedoch für immer in unsere Herzen brennt. Hach.
Nach der Dunkelelfen-Trilogie folgte ich Drizzt noch an die Oberfläche und erlebte mit ihm dort viele Trefferpunkte-lastige Abenteuer, die mein noch junges Powerplay-Herz höher schlagen ließen. Besonders hatte es mir auch die ausgekoppelte Trilogie der Sellswords angetan, in der wir Drizzts Archnemesis, Artemis Entreri, und den unantastbaren Drow Söldner Jarlaxle als köstliches Duo Infernale erleben dürfen. Auch sehr empfehlenswert. Nur mit unserem allseits beliebten Einhorn-Streichler Drizzt ging es irgendwann doch bergab.
Wie zuvor bereits erwähnt, finde ich, dass jeder legendäre Charakter, der einen gewissen Machtgrad erreicht hat, irgendwann ein würdiges „Ende“ finden sollte. Doch leider hat R.A. Salvatore diesbezüglich die letzte Tankstelle vor der Autobahn verpasst. Drizzt war bereits ein epischer und nahezu unbesiegbarer Schwertkämpfer, der mit seinen magischen Krummsäbeln Drachen, Dämonen und alles darunter mühelos in Streifen schneiden konnte. Doch dann passierte es: Irgendwo in der Hunter’s Blades Trilogy – ich weiß nicht mehr genau in welchem der 4 Bücher – verwandelt sich unser Ausnahme-Held plötzlich wieder in einen frisch gewürfelten Erste-Stufe-Charakter. Ich weiß es noch, als hätte ich es erst gestern unter Tränen gelesen: Drizzt schleicht sich an einen 0815-Ork heran und wird… bemerkt! Nicht mehr leise wie der Tod, sondern Scheise wie Kot kam er mir plötzlich vor. Und dann kann sich der Ork auch noch gegen ihn behaupten und sogar fliehen, wenn ich mich recht entsinne!
Da war es für mich einfach vorbei. Die Chemie zwischen Drizzt und mir stimmte einfach nicht mehr. Ich weiß noch, dass ich das Buch mit einem Laut in die Ecke geworfen habe, der sich wie eine Mischung aus Schluchzen und Kichern angehört haben muss. Viel zu lange war ich dem unbesiegbaren Super-Drow gefolgt. Er hätte sich schon lange zur Ruhe setzen sollen oder von einem extra-planaren Riesen-Mimic gefressen worden sein. Aber diese seltsamen „Macht-Schwankungen“, die nun schon häufiger vorgekommen waren, konnte Herr Salvatore mit mir einfach nicht machen. Selbst schuld, wenn ihm die Machtspirale seines Lieblings-Charakters außer Kontrolle geraten war und er nun Quatsch schreiben musste, um noch halbwegs spannende Begegnungen aus dem Hut zaubern zu können. Das erinnerte mich einfach zu schmerzhaft an Icewind Dale II, in dem meine Gruppe von Superhelden bis zum bitteren Ende des Spiels gegen Wölfe und anderes Kanonenfutter kämpfen musste, weil den Designern die Monster ausgegangen waren. Aber man konnte ja normale Wölfe über Terror-Wölfe und Mega-Wölfe zu unsagbaren Teufelswölfen der Prollhügel aufsteigen lassen. Einfach mehr Trefferwürfel und andere Fellfarbe: Et voila! Langweilig.
Nun sehe ich jedoch auf der offiziellen Seite seines Schöpfers, dass Drizzts Abenteuer nach der „Ork-Schmach“ noch mindestens 10 Bücher oder mehr fortgeführt wurden. Ich habe da schon seit gefühlten Jahrzehnten den Überblick verloren. Deshalb meine Frage an anwesende Drizzt-Jünger:
Lohnt es sich die Bücher mal an ein paar verregneten Wochenenden nachzuholen? Oder erwarten mich da nur mehr desselben?
Denn eigentlich mochte ich die Ebenholz-Backe ja immer. Mit seinen fluffigen, weißen Haaren und diesem Disko-Funkeln in den Augen. Wenn mir also einer von euch sagt, dass Drizzt es nochmal wert wäre, dann… dann rufe ich ihn vielleicht mal wieder an.