The Great Wall: Turbo Robin Hood gegen die Zerg

7 von 10 Schwarzpulverkisten

Irgendwie klar, dass eine Mauer, an der, Schätzungen zu Folge, 1000-2000 Jahre gebaut wurde, und die sogar vom Weltraum aus gesehen werden kann, die Fantasie der Menschen beflügelt. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis jemand auf die Idee kam, dieses atemberaubende Produkt wahrhaft ausdauernder Baukunst als Kulisse für einen bildgewaltigen Fantasyfilm zu benutzen.

Nachdem ich den Trailer zu The Great Wall das erste Mal gesehen hatte, keimte in mir jedoch sofort die Befürchtung auf, wieder mal eine dieser seelenlosen CGI-Gurken vor mir zu haben.

Doch glücklicherweise entpuppte sich diese Befürchtung als weitgehend unbegründet. Natürlich wird der Film in erster Linie von seiner Optik getragen. Doch dies auf eine künstlerisch-erhabene Weise, die den Film wie aus einem Guss erscheinen lässt. Regisseur Zhang Yimou bringt noch einmal die Farbenpracht zurück, mit der er uns bereits vor ein paar Jahren bei Hero die Sinne bezirzt hatte. Seine verschiedenen Armee-Gattungen aus leuchtendem gelb, rot oder blau sind ein angenehmer Trip für die Augen, die sich daneben natürlich auch noch an jeder Menge Explosionen und Reißzähnen von Monstern erfreuen dürfen.

Die Story des Films ist demgegenüber weniger opulent. Zwei europäische Söldner, gespielt von Matt Damon und der „Viper“ aus Game of Thrones, geraten auf der Suche nach Schwarzpulver in einen grotesken Kampf zwischen dem Chinesischen Volk und einer Horde von Supermonstern namens „Tautie“. Doch tatsächlich haben mich die Emotionen und die Beweggründe der verschiedenen Akteure ausreichend gefesselt, so dass ich mir nicht unbedingt mehr Tiefgang gewünscht habe. Zu opulent waren die Explosionen. Zu interessant der Kontrast zwischen Europäisch und Asiatisch. Zu BADASS die Kampfkünste der beiden Söldner, die sich recht schnell den Respekt der Kommandanten der Mauer verdienen.

Kommandantin Lin Mae kann nicht von der Bettkante gestoßen werden. Ihr Kampfkunst ist zu gut.

Als alter Rollenspieler kam ich nicht umhin, mir zwei epische 20.Stufe Helden aus meinem Lieblings-RPG vorzustellen, die vom Spielleiter in einen epischen Konflikt geworfen werden, um dort eine angemessene Spielwiese für ihre Spezial-Attacken zu haben. Es war einfach so amüsant zu sehen, wie den Kriegern der Mauer, die ihr Leben lang auf die Konfrontation mit einem beinahe unbezwingbaren Gegner hin trainiert haben, bei der Zurschaustellung der Fähigkeiten von Super-Robin Hood, Mad Demon, ich meine Matt Damon, die Kinnlade auf den Boden fällt, während sein Söldner-Kollege nur gelangweilt gähnt.

Doch genau an der Stelle hätte ich mir noch etwas mehr Mystik gewünscht. Den ganzen Film über rieb ich mir die Hände und dachte „Es wird bestimmt noch aufgeklärt, warum unser Super Robin Hood so lächerlich gut ist…!“ Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn Damon ein Half-Demon oder sonstwie mit besonderen Kräften ausgestattet gewesen wäre, anstatt nur viel Erfahrung in verschiedenen Kriegen vorweisen zu können. Doch tatsächlich schien er einfach nur das Produkt eines chinesischen Regisseurs zu sein, der sich ohnehin schon am Riemen reißen musste, seine Helden nicht allzu Asia-Kino-mäßig abheben zu lassen.

Außerdem gab es in der Logik des Films für mich doch einige Schnitzer, die mich zum Teil etwas aus der Illusion gerissen haben. Da musste ich mich schon fragen, wieso die Monster mit reihenweise Bungee-Einheiten gefüttert werden, wenn später im Film auch einfach große Scheren an der Wand aktiviert werden können, um die Monster viel effektiver zu zersäbeln? Und natürlich läuft es auf einen haarsträubenden Alles oder Nichts-Showdown hinaus, bei dem, wie bei so unendlich vielen Filmen zuvor, im richtigen Moment ein globaler Kill Switch gedrückt werden muss.

Aber was soll ich sagen? Trotzdem ist The Great Wall ein guter, weil sehr unterhaltsamer Film, der seine soliden 7 von 10 Punkten auf jeden Fall verdient hat. Ich liebäugelte kurz nach dem Kino, als die bunten Farben noch frischer auf meiner Retina tanzten, sogar mit 8 Punkten. Er ist ein optischer Leckerbissen, hat grandiose Kampfsequenzen zu bieten und verfügt im Charakterdesign über genug Herz, um eben keine „seelenlose CGI-Gurke“ zu sein. Außerdem brauchte mich der Humor des Films, der im Prinzip aus einem langen „Es besteht überhaupt keine Gefahr“-Running Gag besteht, mehrmals dazu laut zu lachen. Und wenn ich genau hinsehe, dann finde ich sogar eine Botschaft im Film, die die Todsünde der Gier thematisiert. Da musste scheinbar jemand kommen und sich klar gegen seine Gier entscheiden, um ein uraltes Debakel aufzulösen, welches einmal durch zu viel Gier ausgelöst wurde. Aber viel profunder war es dann auch nicht.

Über Thilo (1213 Artikel)
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