Filmkritik: John Carter – Lame aber liebenswert
8 von 10 Marsmonstern
Ein seltsamer Widerspruch in der Überschrift, ich weiß. Aber John Carter scheint das Kinopublikum sehr stark zu polarisieren, was dessen Wertung von ca. 50% auf Rotten Tomatoes mathematisch gnadenlos bestätigt. Bei nüchterner Betrachtungsweise des Gesamtwerks sollte ich wohl ebenso hin und her gerissen sein, doch unterm Bruchstrich hat mich der Film einfach zu gut unterhalten, als dass ich die RT-Wertung unterschreiben könnte.
Klar, der Film ist ein absoluter Ripoff vergangener Größen des Unterhaltungskinos wie Star Wars, Indiana Jones und vieler anderer Abenteuerfilme, ohne dabei aber wenigstens erinnerungswürdige Charaktere oder eine interessante Story zu haben. Warum John Carter aber trotz allem ein wirklich toller Film ist, liegt an vielen liebenswerten Details, die den bunten Wust an Fantasy-Klischees und Panoramaaufnahmen zusammen halten wie ein guter Kleber die Bruchstücke einer Vase.
Oder bin ich vielleicht nur so simpel gestrickt, dass ein rasender Köter, ein He-Man Verschnitt mit potenten Froschschenkeln und eine Pocahontas-Prinzessin im aufreizenden Kleid schon ausreichen, damit ich bei einer Flasche Bier und Nachos gut unterhalten werde? Hat vermutlich auch was damit zu tun…
Da ich von John Carter im Vorfeld weder in seiner hundert Jahre alten Buchversion von Edgar Rice Burroughs, noch in Form von Comics oder sonstigen Geschichten gehört hatte, kuschelte ich mich recht unvoreingenommen in meinen Kinosessel, als das gute Familienunterhaltung verheißende Disney-Logo auf der Leinwand erstrahlte.
Ich war hinterher überrascht zu lesen, dass John Carter – später dann als A Princess of Mars in Romanform herausgegeben – zu den Urtexten der Genres Pulp, Science, Fantasy und Superhero gezählt wird und nicht nur „Brave New World“, sondern auch die Abenteuer um „Superman“ inspiriert haben soll. Der konnte ja, wie Carter, auch am Anfang seiner Heldenkarriere in den ersten Comics nur hohe Luftsprünge vollführen, bevor man ihn mit der Flugfähigkeit aufmotzte. Jetzt, da ich John Carter gesehen habe und Zeuge seiner überragenden körperlichen Fähigkeiten im Film geworden bin, fällt mir der Zusammenhang wie Schuppen aus den Haaren. Carter und Superman sind beide Außerirdische, die auf Grund der molekularen Zusammensetzung ihrer Körper in den fremden Atmosphären ihrer neuen Heimatplaneten fantastische Fähigkeiten offenbaren.
Aber genug Hintergrundgeschichte durchforstet. Mir hat die bunte Western-Science Fiction-Fantasy-Mischung, die auch ein wenig an Cowboys & Aliens erinnerte, extreme viel Spaß gemacht und mich über viele Disney-typische Augenroll-Momente hinweg sehen lassen. Weder Taylor Kitsch als barbarenhafter He-Man-Abklatsch John Carter, noch die hübsche Lynn Collins als aufmüpfige Mars-Prinzessin DejahThoris, besitzen interessante Charakterwendungen oder tief emotionale Momente. Doch beide haben ein Charisma, das sie perfekt in die Geschichte und die exotischen Orte passen lässt. Besonders für Taylor Kitsch tut mir das finanzielle Desaster leid, welches Disney scheinbar mit John Carter verbuchen muss, da es vermutlich für die oberflächlichen und gewinnorientierten Hollywood-Produzenten Grund genug sein wird, den Darsteller erstmal wieder in “Ablage P” zu befördern. Herr Kitsch, dessen Name in Zukunft Programm sein könnte, wär doch für alle möglichen “Tongue in Cheek”-Abenteuerfilme eine grandiose Besetzung! Ich kann nur hoffen, dass er nun nicht erst mal wieder in der Versenkung verschwindet.
Die Story ist recht simpel gestrickt und ich möchte gar nicht unnötig spoilern. Auf das Gröbste zusammengefasst handelt sie vom Bürgerkriegsveteranen John Carter, der 1881 versehentlich durch das Amulett eines Außerirdischen auf den Mars teleportiert wird. Zu seiner Verblüffung ist der Mars von verschiedensten Wesen bewohnt, die ihn Barsoom nennen. Es gibt zwei den Menschen sehr ähnliche Rassen, die um die Vorherrschaft kämpfen, während die vierarmigen Thark als eine Art unzivilisierte Wilde zwischen den Fronten existieren. Da – wie soll es auch anders sein – ein aufstrebender Warlord mit Hilfe von überlegenden Außerirdischen und einem mächtigen Artefakt den ganzen Planeten unterwerfen will, muss Carter seine überlegenden Kräfte, die er auf Grund seiner fremden Knochenstruktur und der geringeren Schwerkraft auf Dem Mars besitzt, einsetzen, um die Tyrannei zu verhindern.
All das geschieht recht vorhersehbar und man gerät zudem immer mal wieder an Story-Ungereimtheiten, die auch hätten besser erklärt werden können. Aber all das hat mich nicht im Geringsten gestört. Die vielen Running Gags (von denen ich natürlich keinen verraten möchte), der coolste Sidekick der Filmgeschichte, Carters Alien-Hund, und der 90er Jahre Charme des Films haben mich einfach in ihren Bann gezogen. John Carter erinnert mich an eine Zeit von hirnlosen Actionfilmen, lächerlichen Barbarenfilmen und megaunlogischen Abenteuerfilmen, die uns als Kinder begeistert haben. John Carter ist einfach ein Oldschool Science Fantasy-Film, der wie Star Wars oder Indiana Jones dem Publikum seine Albernheiten mit einem Zwinkern vor den Latz knallt und einfach nur unterhalten möchte. Ich finde einige der Kritiker, die den Film verreißen, sollten noch einmal in sich gehen und das Kind hervorkramen. Mit der Unschuld von Kinderaugen, lässt sich mit John Carter ein tolles Wüstenabenteuer auf einem fremden Planeten erleben, welches immerhin mit einigen liebenswerten Details in meiner Erinnerung verankern konnte.
Ich sage, federt doch bitte das finanzielle Desaster ein wenig ab, geht ins Kino und bildet euch eine eigene Meinung. Damit in Zukunft noch mehr Nerd-Geschichten verfilmt werden!