Filmkritik: Lucy – Guilty Pleasure zum Hirn ausschalten und genießen

lucy Scarlett Johansson

7 von 10 Hirnzellen

Hirn ausschalten ist bei Lucy ganz wichtig. Denn wie in allen seinen Filmen kommt es Luc Besson in erster Linie auf abgefahrene Bilder, Stil und Action, aber weniger auf einen logischen Inhalt an. Lucy, sein jüngstes Werk, in dem Scarlett Johansson eine Art Superheldin spielt, ist eine Guilty Pleasure par excellence und sollte nicht unbedingt von Menschen geschaut werden, deren größtes Hobby es ist Filme auf ihren wissenschaftlichen Wahrheitsgehalt abzuklopfen.

Achtung, es wird ein paar Spoiler geben!

Scarlett Johansson spielt ein blondes Partygirl, die in Taiwan studiert und dort von der Drogenmafia entführt wird. Eine neue Droge aus blauen Kristallen soll von ihr und ein paar Mitgefangenen, eingenäht in ihren Mägen, in ihre jeweiligen Heimatländer ausgeführt werden. Doch als Lucy beinahe vergewaltigt wird und einen Tritt in die Magengegend erhält, werden die Kristalle von ihrem Körper absorbiert und ihre Reise vom (scheinbar) dümmlichen Partygirl zur Göttin beginnt.

Jetzt geht es rund, fragt sich nur für wen...

Jetzt geht es rund, fragt sich nur für wen…

So weit so gut. Oder auch so weit so schlecht, denn damit fangen die inhaltlichen Schwächen des Films eigentlich schon an. Hat niemand die Droge, die demnächst Jugendliche auf der ganzen Welt konsumieren und weiterhin kaufen sollen, vorher ausgiebig getestet? Was, wenn sich auf der ganzen Welt Supermenschen entwickelt und die Drogenbosse mit mentalen Todesstrahlen vom anderen Ende der Welt aus getötet hätten? Dumm gelaufen wäre das. Indeed.

Aber wenn man da so im Kino sitzt, mit Popcorn und Getränk in den Flossen, und Lucy damit anfängt ihre Peiniger mit übermenschlichen Fähigkeiten zu dezimieren, dann spielt Logik plötzlich eine untergeordnete Rolle. Man genießt einfach die astreine Performance von Scarlett Johannson und die wunderbaren Szenen, die Luc Besson gekonnt mit Bildern aus der Natur und dem Universum kontrastiert, um uns irgendwas über das unbedeutende menschliche Leben zu sagen. Es spielt keine Rolle, Lucy ist jetzt badass und die Gangster fliegen durch die Gegend, nur darauf kommt es an.

Zu Beginn des Films ist sie nur eine Art Black Widow oder weiblicher James Bond, der ausgebildete Killer zum Frühstück verspeist. Doch dann beginnt Lucy immer mehr Prozent ihres Gehirns zu nutzen, was sie erst befähigt in Organismen zu lesen, wie in einem offenen Buch, und etwas später auch Datenströme und elektrische Schwingungen beeinflussen zu können. Ja ich weiß, eigentlich nutzen wir Menschen schon immer 100% unseres Gehirns, nur eben nicht immer alle Bereiche gleichzeitig. Aber das ist doch jetzt egal, Scarlett Johansson ist HOT und verprügelt die bad guys.

Wenn ich nach der Logik schauen würde, würde ich jetzt fragen, warum Lucy in einem Flugzeug 2 Laptops gleichzeitig schneller bedienen kann, als es die Fähigkeit irgendeines existierenden Prozessors derzeitig zuließe. Und warum tötet sie nicht den bösen Anführer-Oldboy-Typen, von dem sie in Ihrer Genialität doch wissen müsste, dass er sie verfolgen und sich rächen wird? Aber in einem Film, der von derart neuen Ufern und unerforschten Hirnregionen handelt, ist es vielleicht auch müßig nach so etwas zu fragen. Wenn Lucy elektrische Ströme beeinflussen kann, wie andere Brot schneiden, dann kann sie vielleicht auch die Laptops beschleunigt und ebenfalls gewusst haben, dass der crime lord ihr nicht gefährlich werden kann.

lucy accessing digital data

Doch egal, ob man mit oder gegen die Logik des Films argumentiert, eins steht fest. Luc Besson hat nach der Hälfte des Films verdammt gutes Zeug geraucht und einen herrlichen Trip gefahren. Wie würden Die Amis sagen? And then Luc Besson totally lost his shit. Aber das ist ok. Wenn Lucy sich weiter entwickelt über einen weiblichen NEO bis hin zu einer göttlichen Instanz, dann kann der von Morgan Freeman gespielte Professor nur noch staunen und ich genieße die Spezialeffekte und ulkigen Situationen.

Seit dem 5. Element stand ich allen Filmen von Luc Besson immer positiv gegenüber und ich weiß jetzt auch wieder warum. Der Mann liefert einfach gute Kino-Unterhaltung. Selbst in einem Film über die hochtheoretischen und fantastischen Möglichkeiten des menschlichen Geistes schafft er es noch eine sehr bodenständige und handfeste Autoverfolgungsjagd unterzubringen. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem Lucy sich schon hätte zum Zielort teleportieren können. Scheiß auf die Logik, Hauptsache Blechschaden!

Ich denke, einige Leute werden trotz der intensiven, bunten Bildershow, die uns Besson liefert, den Film als unlogischen und schlecht durchdachten Quatsch verreißen. Ich kann dann noch nicht mal dagegen argumentieren. Aber das will und muss ich auch nicht. Lucy hat einfach keine Regeln, keine Grenzen, keine Logik … am Ende sind wir doch alle unbedeutend, das Universum unendlich, unbegreiflich und nur mit der Zeit als einzig wichtiger Komponente. Es gibt keinen Gott, da wir alle Götter sind. Oder die Göttlichkeit ist in uns. Oder wir bilden sie uns nur ein. Kleinste Teilchen und ihre Anordnung sind irrelevant. Nur dann nicht, wenn sie eine Scarlett Johansson bilden.

Ok, now I lost MY shit.

Bier auf, Chipstüte auf, zurücklehnen. Alles egal. Guter Film.

Über Thilo (1208 Artikel)
Hi, ich bin der Gründer dieses bekloppten Blogs. Außerdem Realitätsflüchter, Romantiker, Rollenspieler, Gamer, Fantasynerd, Kneipenphilosoph und hochstufiger Spinner. Manchmal jogge oder schwimme ich, doch meistens trinke ich Bier.