Ich habe im Punch Club überraschend viel getreten
Denn ich wollte meinen verhungernden Kickboxer natürlich zu einem Ebenbild von BÄM BÄM Van Damme machen!
Wovon ich hier lamentiere? Na von PUNCH CLUB, einem kleinen, aber feinen SIMs-artigen Ressourcen Management Game auf Steam, in dem ihr einen Kickboxer vor Langeweile, Niederlagen, und letztendlich auch dem Verhungern bewahren müsst. Dabei steuert ihr euren Fighter zielsicher durch jedes Klischee, welches ein Kampfsportfilm jemals zu bieten hatte. Vom Rachefeldzug für den Vater, der in strömendem Regen von einem unbekannten Schurken erschossen wurde, bis hin zum geheimen Turnier auf der Insel, zu dem nur die besten Kämpfer der Welt eingeladen werden.
Der Titel „Punch Club“ ist dabei etwas irre führend, denn es geht hier nicht um eine reine „Rocky Balboa auf die Fresse Show“. Ihr könnt euren Fighter über einen Skill Tree auch zu einem Karate Meister oder einem fiesen Knochenbrecher-Ninja ausbilden. Punch Club ist hier offensichtlich lediglich eine Anspielung auf Fight Club (1999) mit Brad Pitt um der Nostalgie Willen. Hinter einer schmierigen Bar könnt ihr auch tatsächlich einen Tyler Durden-Verschnitt finden, der euch in die Welt der nicht lizensierten Straßenkämpfe einführt. Und überhaupt wird in Punch Club nichts größer geschrieben als NOSTALGIE!
Das fängt bei Rocky– und Bloodsport-Postern in der heimischen Garage an und hört irgendwo bei Verbeugungen vor Street Fighter, Double Dragon und Mortal Kombat auf. Und dazwischen gibt es jedes nur erdenkliche Easter Egg, das einen 80er und 90er Fan glücklich machen könnte. Darum wunderte es mich auch nicht, dass ich bei einem Gelegenheitsjob Pizzas an die Turtles ausliefern musste, die mir natürlich sofort ihre überlegenden Kampftechniken an meiner Visage demonstrierten.
Ja, ist ja gut, Du alter Retro Fetischist…
Doch wie Spielt sich Punch Club überhaupt?
Euer Kämpfer kann sich in den drei Hauptattributen Stärke, Geschicklichkeit und Ausdauer in Richtung Killermaschine trainieren. Am Ende eines Tages verliert ihr wieder ein wenig Trainingsfortschritt, da man bei der Fitness ja bekanntlich immer am Ball bleiben muss. Und genau da liegen die Turtles in Senfsoße: Ein Tag hat eben nur 12 Stunden, in denen auch noch gegessen, gepennt oder einfach nur gechillt werden will. Gerade letzteres habe ich anfangs sehr unterschätzt. Denn wenn die Laune unseres Kickboxers im Keller ist, dann trainiert er weniger effektiv bis hin zur reinen Zeitverschwendung. Darum macht es Sinn sich gelegentlich ein paar inspirierende Karatefilme reinzuziehen oder in einem bezahlten Sparring jemandem die Zwölf zu demolieren. Auf die Fresse hauen lässt die Laune ja bekanntlich in ungeahnte Höhen schnellen.
Ihr befindet euch bei Punch Club also in einer nicht enden wollenden Mühle von Notwendigkeiten, die geschickt auf den Tag verteilt werden wollen. Ihr wollt euch ein Steak rein pfeifen? Dann geht erst mal arbeiten, um die Kohle ran zu schaffen. Doch an arbeiten ist gerade nicht zu denken, weil ihr so müde seid. Doch pennen will unser Kickboxer nicht, weil er so einen Hunger hat…
WTF?
Solche Sackgassen werden am Anfang noch durch das gelegentliche kostenlose Essen bei eurem Trainer Mickey (Hallo Rocky) abgefedert. Ich musste mich jedoch auch schon mit alten Burgern über Wasser halten, die ich in der Mülltonne hinter der Bar gefunden habe. BÄH.
Punch Club ist so ein Game, welches uns schonungslos auf den manchmal sinnlos erscheinenden Grind des menschlichen Lebens aufmerksam macht. Doch seltsamerweise steckt darin eine perfide Befriedigung oder wie Sisyphos sagen würde: „Immerhin ist es MEIN Stein, den ich hier den Berg hochrolle.“ Neben der ganz individuellen Sinnfindung hält Punch Club jedoch, wie das richtige Leben, auch noch andere Überraschungen für uns bereit. So bitten euch mehr oder weniger zwielichtige Gestalten ab und zu um einen Gefallen und ihr könnt kleine Quests erledigen. Oder euer Kumpel Roy stellt euch seine leckere Schwester ADRIAN vor, deren Gunst ihr für euch gewinnen könnt. Was übrigens sehr viel Sinn macht, da ein verliebter Kickboxer kaum Hunger hat und wie besessen trainiert. Manchmal werden euch auch kleine „Quests“ aufgezwungen, indem ihr durch Verletzungen im Kampf z.B. einen Heiler in China Town aufsuchen müsst, oder weil ihr vor lauter Doping glaubt, dass eure Katze mit euch spricht.
Und wie laufen die Kämpfe in Punch Club ab?
Das ist meiner Meinung nach das einzige echte Manko am Spiel: Ihr könnt nicht wirklich selbst kämpfen. Vielleicht wäre ein per Pad steuerbares Mini-Street Fighter für so ein Simulationsspiel auch zu viel des Guten gewesen. So könnt ihr lediglich in jeder Kampfrunde euer Skill Set neu auswählen, um z.B. dafür zu sorgen, dass euer Fighter nicht K.O. geht, weil er bisher zu viele kraftraubende Fähigkeiten eingesetzt hat. Auf diese Weise könnt ihr, wie bei einem Browser Game, nur gebannt zuschauen und hoffen, dass es euer Karate Tiger mal wieder reißen wird. Doch für mich war das Zuschauen allein häufig schon genug, um fast einen Herzinfarkt zu kriegen. Denn eine Niederlage bedeutet verlorene Lebensenergie, kein Preisgeld und weniger Skillpunkte zum Verteilen. Abfuck.
Fazit:
Oh Gott, wie ich Artikel hasse, die mit „Fazit“ enden! Das klingt immer so nach „unser Praktikant hat mal etwas „Content“ für euch geschrieben“. Rofl-Würg.
Also, trotz der simplen Game-Mechanik und dem Fehlen eines steuerbaren Kampfmodus, habe ich vergangenes Wochenende meine Zeit mit Punch Club sehr genossen. Die vielen Easter Eggs und Klischees haben mich auf diesem wunderbar pixeligen Sega Mega Drive-Retro-Trip mit passender Mucke bestens unterhalten. Und für knapp 10 Euro könnt ihr auf Steam ja auch eigentlich kaum etwas falsch machen. Ach, ihr habt gerade kein Geld? Na, dann geht doch Pizza ausliefern! Ach, dafür seid ihr zu müde? Ach scheiße, irgendwas ist aber auch immer!
Trailer: