Karneval der Rollenspielblogs: Zeitsprung – Das war ein Fehler, denn jetzt sind wir unsterblich!

Back to the Future – © Amblin Entertainment & Universal Pictures

Eigentlich wollte ich jetzt erst mal einen Witz über Zeitreisen bringen, aber ihr fandet den ja doof.

In diesem Sinne: Zeitreisen sind meist paradox.

Trotzdem wagen sich immer wieder Regisseure, Buchautoren oder Game Designer an diese Tretmiene des guten Geschmacks und sprengen die Logik mit einem gewaltigen Wumm in die Luft.

Von den vielen wirklich dämlichen Arten Paradoxa zu erzeugen ist eine lineare Auffassung von Zeit ganz vorne mit dabei. Wie z.B. in den Back to the Future-Teilen zu bestaunen, wenn Marty Macfly live dabei ist, ob durch einen scheuen Kuss seiner Eltern der Grundstein für seine Zeugung gelegt wird. Dass es klappen muss, weil er ja sonst gar nicht da auf der Bühne stehen und Gitarre spielen könnte, ignorieren wir dabei einfach. Genau wie den seltsamen Effekt, dass er langsam schwächer wird, als sein Vater sich von seinem Zielobjekt loseisen lässt – so als würde Gott schon mal den Wahrscheinlichkeitsregler für seine Existenz runterdrehen. Und falls mal wirklich jemand aus der Zeit „gelöscht“ wird, dann verschwindet er einfach nur von einem Gruppenfoto, aber der Rest der Wirklichkeit bleibt unbeeinflusst. Wieso hast Du eigentlich die meisten unserer Familienfotos so seltsam fotografiert und nicht mittig? Wieso ist da immer so eine Lücke?

Und anscheinend gibt es selbst bei Änderungen der linearen Zeit immer noch genug „Zeit“, um eine Änderung der Geschichte zu verhindern. Da wäre Terminator (1985) so ein Beispiel. Müsste John Connor nicht sofort tot oder gerettet sein, je nachdem, ob erst Kyle Reese oder erst der T-800 die Zeitreise antritt? Wieso kann jemand „hinterher reisen“? Der Zielort ist doch in der Vergangenheit und damit bereits passiert.

Also, wenn schon jemand das dünne Eis der Zeitreisen betritt, dann doch bitte mit unendlich vielen Paralleluniversen arbeiten. Sonst wird es einfach zu verwirrend. Keiner hat Bock auf so eine verwirrende Scheiße wie in Primer (2004).

Zeitreisen im Rollenspiel

Pen & Paper ist da noch der idiotensicherste Ort, um einfach mal mit dem Konzept von Zeitreisen rumzuspielen.

Besonders wenn langjährige Spielleiter schon jeden erdenklichen Humbug mit ihrer Heldentruppe abgezogen haben und niemanden noch irgendwas vom Tavernen-Hocker hauen kann. Wenn die Abenteuer bereits Planescape-style in Himmel, Hölle und jede andere Ebene geführt haben. Wenn der Barbar schon auf der Erde des 21. Jahrhunderts versucht hat eine U-Bahn anzugreifen. Oder wenn schon mal „alles nur ein Traum“ war.

Ja, dann ist es scheinbar Zeit Pandoras Box zu öffnen und die Scheiße in den Ventilator zu werfen. Aber wisst ihr was? Wenn ich mich recht entsinne, habe ich das noch nicht wirklich gemacht. Höchstens indirekt bzw. ich hatte es vor. Folgendes trug sich zu. Bleibt dran.

Das war ein Fehler, denn jetzt sind wir unsterblich!

Meine D&D-Heldentruppe sollte untersuchen, warum überall in Faerun, wie aus dem Nichts, seltsame Wesen auftauchten und Leute angriffen. Anscheinend sorgte irgendwas dafür, dass die Barrieren zwischen den Dimensionen dünner wurden.

Nach langen Nachforschungen fanden sie heraus, dass ein verrückter Magier (wer sonst?) in einer Paralleldimension einen Superduperriesenrobotermechwarrior dafür benutzte die ihm bekannte Welt zu unterjochen. Das Herz des Dämonenfürsten, das er als Hauptenergiequelle für sein Spielzeug nutzte, war jedoch etwas zu mächtig und instabil und hatte Auswirkungen auf Nachbardimensionen.

BTW, kommt das irgendwelchen Oldschool D&D-Spielern bekannt vor? Ich habe nämlich erst Jahre später auf der Feencon in Bonn dieses Abenteuer gefunden, von dem „meine Idee“ durchaus hätte inspiriert sein können.

Der Erdzerstörer von David “Zeb” Cook. 4-6 Spieler der Erfahrungsstufe 18-22.

Na jedenfalls durften die Helden dann in diese Ebene reisen (kein Abenteuer ohne Ebenenreise), um den Wahnsinnigen Pacific Rim-Fan zu stoppen. Um jedoch rauszufinden, wie sie es mit so viel POWER aufnehmen können und wie das überhaupt mit den Vorfällen in ihrer eigenen Welt zusammenhängt, besuchten sie die Spiegeldimension. Yep, die besteht komplett aus Spiegeln und gab mir die Möglichkeit vollkommen kranke Spiegelwesen (Spiegelsplitter-Golems) auf meine arroganten Weltenretter zu jagen.

Schließlich standen sie dann vor dem einen Spiegel mit dem mystischen Orakel, das ihnen helfen sollte. Womit wir dann endlich zu dem Zeitsprung kommen, auf den ich jetzt möglichst lange und kompliziert hin getextet habe.

Denn, Lo and Behold! Das Orakel waren sie selbst aus der Zukunft!

Das gab mir zunächst mal die Gelegenheit mit ihren Machtfantasien rumzuspielen. Denn natürlich waren sie in der Zukunft alle bereits hochstufige Legenden, die vor Magie und Macht nur so pulsierten. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, einige Spieler sind bei meiner Beschreibung damals einfach in die Hose gekommen. Besonders der Gruppenmagier schien irgendein großes Los gezogen zu haben, da seine Augen rot leuchteten und er komplett in mystische Flammen gehüllt war.  

Die Idee dazu war, dass im Verlauf des Abenteuers einer der Helden (den Werten nach zu urteilen, würde es der Magier sein) eine permanente Verbindung mit einem Elementarwesen eingehen müsste, um später im „Höllenfeuerraum“ des Riesenroboters das Dämonenherz aus der Halterung reißen zu können.

Doch, was dann passierte, war urkomisch und wieder mal sehr typisch für bestimmte Spieler meiner damaligen Gruppe. Ganz im Spirit „Wir gegen den Meister“, sah mich plötzlich einer von ihnen triumphierend an und meinte: Das war ein Fehler, denn jetzt sind wir unsterblich! Wenn das unsere zukünftigen Helden waren, dann kann uns jetzt also nichts mehr passieren! Egal, was ich mache, ich muss ja bis zu diesem Zeitpunkt in der Zukunft überlebt haben.

Ich dachte nur so bei mir: Hmmm, die Zukunft ist eigentlich ständig im Wandel. Wenn sich jemand mit einem Messer das Gesicht geritzt hätte, um rauszufinden, ob das nicht alles nur eine Illusion war (Junge hätte das Exp. Gegeben!), hätte das bei seiner zukünftigen Charakterversion eine hässliche Narbe erscheinen lassen. Die Backstreet Boys of Power mit Flammenmagier waren nur deshalb noch am Leben, weil ihre vergangenen Versionen auch noch am Leben waren. Mehr hatte ich mir dabei nicht gedacht. Die Zukunft ist ja schließlich nie in Adamant gegossen.

Doch der Spieler blieb unbeeindruckt. HAHA! DAS war ein Fehler. Sämtliches Einlenken und Bedenken meinerseits wurden abgeschmettert, bis ich fast sauer wurde. Nein, das wäre jetzt so. Sie wären dann jetzt folgerichtig unsterblich. Ich lachte nur und sagte: Nun, nur einen Weg das herauszufinden, oder?

Junge, hätte ich mich totgelacht, wenn jemand mit seinem liebgewonnenen Charakter die nächste Klippe runtergesprungen wäre. Die verdutzten Blicke der anderen, nachdem Captain Idiot unten zerschellt wäre… Who’s next? Nur leider haben wir die Gruppe damals nicht zu Ende gespielt und ich sollte es nie erfahren.

Und die Moral von der Geschichte? Zeitreisen, Zeitsprünge und sogar Ausblicke in die Zukunft können für ungeahnte Komplikationen sorgen.

Danke an Gloria von den Nerd-Gedanken für dieses Thema zum Karneval der Rollenspielblogs im Januar. Die Erinnerungen machten mich Schmunzeln. Hier ist der Startartikel.

Über Thilo (1200 Artikel)
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