Warum ich ZEN Games wie Cloud Gardens liebe

Cloud Gardens © Noio

Bei Doom 23 hausgroße Superdämonen mit meiner Atomraketen-schießenden Minigun aus dem Äther zu blasen ist gut und schön, doch manchmal darf es auch das genaue Gegenteil sein.

Wovon redet der Spinner?

Ich weiß, die meisten meiner Leser kennen mich als gewaltverherrlichendes, besoffenes Schwein ohne Anstand oder Moral. Erlaubt mir deshalb bitte euch meine verborgene Seite zu präsentieren – meine verletzliche, empfindsame, weiche Softball-Seite.

Ich liebe nämlich ZEN Games.

Spuckfuck, Thilo, was sind denn Zen Games?

Gut, dass ihr mit euren nicht registrierten Superkräften in meine Gedanken eindringt und fragt. Danke dafür.

Zen Games nenne ich verschiedene Titel, meist Indy Games, die man auch als Entspannungs-Spiele bezeichnen könnte. Nach einem langen Tag als Batman oder Schreibtischhengst können diese mal ganz nett sein, um zur inneren Mitte zurückzukehren und runterzukommen. Einfach mal Weltschmerz, Sorgen und allgemeinen Menschenhass ruhen lassen und ein paar digitale Blumen pflanzen. Nur als Beispiel. Unten dazu mehr.

Frühere Zen Games

Mit Flower (2009) von Jenova Chen aus der Indie-Schmiede Thatgamecompany habe ich persönlich mein erstes „offizielles Zen Game“ kennen gelernt. Darin spielt man eine Topfpflanze, die auf dem Fenstersims einer Großstadt von Blumenfeldern in freier Natur träumt.

Was für eine wunderschöne und gleichzeitig melancholische Metapher für uns Menschen, oder?

Ich wage mir gar nicht auszumalen, wie viele von uns in grauen Großstädten dahinwelken, anstatt draußen in der Welt richtig „aufzublühen“… Na jedenfalls war das seinerzeit sehr chillig zu spielen:

Flower Gameplay Trailer

Ein jüngeres Beispiel wäre PLAYNE: The Meditation Game von Krish Shrikumar. Wie am Titel schon erkennbar, möchte hier niemand um die meditative Natur dieses Zen Games herumreden. In PLAYNE lasst ihr euren eigenen Wald wachsen und gewöhnt euch tägliches Meditieren an.

Tatsächlich möchte ich dieses Spielprinzip schon fast als Kritikpunkt anführen.

Denn „wahre“ Meditation hat nichts mit Gewohnheit oder einer täglichen Praxis zu tun. Man kann sich nicht zu Gedankenstille oder Ruhe „zwingen“. Wer versucht seine Gedanken ruhen zu lassen, wird schnell merken, dass sie ungefragt kommen und gehen.

Richtige Meditation bedeutet einfach nur im FLOW zu sein. Und das kann bei jeder Handlung des täglichen Lebens passieren. Sogar beim Geschirrspülen. Im Prinzip bei jeder Tätigkeit, bei der man völlig im „Hier und Jetzt“ ist, anstatt mit den Gedanken abzuschweifen. Sportler schaffen das häufig ganz leicht, weil die körperliche Anstrengung und Konzentration auf Bewegungsabläufe ein sinnloses Nachdenken über ungelegte Eier fast unmöglich machen.

Deshalb könnte man vermutlich auch all die „friedlichen“ Aufbauspiele wie Sims oder Stardew Valley zu den Zen Games zählen. Weil man einfach nur das friedliche Wuseln betrachtet, ohne von zu viel Action, bzw. Ablenkungen, rausgerissen zu werden. Ich möchte in einem Atemzug fast noch Terraria oder Minecraft nennen, aber die können dann zuweilen doch recht stressig werden, weil es Gegner gibt. Creeper killen deinen Flow, ganz sicher.

Wenn ich bei Skyrim oder Witcher 3 einfach nur in der Gegend rumstehe und die wunderschönen Wetter- und Natureffekte bewundere (und wie blöd screenshote), dann hat das auch was von Zen und Entspannung.

Und, eingedenk des FLOW-Zustandes, sind letztlich auch die Diablo-Teile Zen Games. Wenn ich mich daran erinnere, wie ich bei Diablo 3 beinahe robotisch durch die Dungeons gepflügt bin und automatisch den Loot sortiert habe, hatte ich da auch häufig Flow-Zustände. Einfach weil ich komplett in dieser repetitiven Tätigkeit des Grindens aufgegangen bin.

Das Zen Game Cloud Gardens

Ein schönes Zen Game, das bald auf Steam in Early Access geht, ist Cloud Gardens.

Darin bekommt ihr kleine postapokalyptische Oasen vorgesetzt und müsst der Natur helfen diese zurückzuerobern. Es soll eine Art Kampagnenmodus mit gewissen Anforderungen geben, aber auch eine Sand Box, bei der es nur darum geht, möglichst schöne Dioramas zu bauen und Fotos davon zu machen. Genau mein Ding!

Das Game holt mich aus verschiedenen Gründen ab.

Zunächst mal liebe ich die Optik von Endzeitfilmen und -Bildern, auf denen die Natur die Zivilisation zurückerobert und damit eine Art Gleichgewicht wiederherstellt.

Gleichzeitig haben diese kleinen Inseln im Nirgendwo etwas sehr beruhigendes und Meditatives. In diesem Kontext sind für mich auch Baumhäuser, fantastische Luftschiffe, Klöster auf Bergspitzen, Taschenuniversen, Hausdächer oder Blade Runner-artige Miniwohnungen in den Wolkenkratzern asiatischer Megametropolen „Cloud Gardens“.

Das Spiel trifft einfach einen Nerv bei mir.

Auf apokalyptischen Dächern, umgeben von Nichts soweit das Auge reicht, aus Autowracks und Pflanzen einen kleinen „Locus Amoenus“ bauen, in dem ich lesen, nachdenken oder einfach träumen kann? Yes please.

Wenn wir mal gerade sehr weit rauszoomen. SEHR WEIT…. Ist es dann nicht auch genau das, was die Menschheit auf der Erde macht?

Ist unser wunderschöner Planet nicht auch ein gigantischer, paradiesischer Garten, den wir uns alle teilen, und dabei in einem unendlichen, luftlosen Nichts namens Weltall schweben?

Nutzen wir das Raumschiff namens Erde doch für coole Sachen wie lesen, nachdenken und träumen, statt für Kriege, Hass und Ausbeutung der Natur. Wir haben ja erst mal nur das eine. Und es ist perfekt.

Habe ich was Wichtiges vergessen? Was sind eure liebsten ZEN Games? Was sollte man gespielt haben?

Über Thilo (1210 Artikel)
Hi, ich bin der Gründer dieses bekloppten Blogs. Außerdem Realitätsflüchter, Romantiker, Rollenspieler, Gamer, Fantasynerd, Kneipenphilosoph und hochstufiger Spinner. Manchmal jogge oder schwimme ich, doch meistens trinke ich Bier.