Avatar: The Way of Water ist kein Film
9 von 10 spirituellen Killerwalen
James Cameron soll gesagt haben, dass er mit den Avatar-Filmen etwas schaffen möchte wie Star Wars oder Herr der Ringe. Filme also, zu denen Menschen in der Zukunft immer und immer wieder zurückkehren.
Ich fürchte, da muss ich ihn – nicht nur wegen der anzunehmenden lächerlich langen Spielzeit von drei oder mehr Teilen – in gewisser Weise enttäuschen. Denn dafür ist die Story von Avatar 1 und 2 jetzt schon viel zu dünn.
Aber ist das so schlimm?
Für mich ist das “Kunstwerk” Avatar gar kein richtiger Film, sondern eher eine Art Erlebnis. Ein virtueller Abenteuerurlaub, bei dem wir eine unsichtbare Filmcrew begleiten, die uns in eine außerirdische Flora und Fauna, inklusive der heimischen Bevölkerung einführt.
Ich meine das völlig ernst.
Über drei Stunden Laufzeit haben mich nicht eine Sekunde gelangweilt, dank der Vision eines Mannes, der uns absolut glaubwürdige CGI mit einer Selbstverständlichkeit und in einer Hülle und Fülle präsentiert, dass die Sogwirkung kaum in Worte zu fassen ist.
Und genau für so ein Augenflüssigkeits-verdampfendes Megaspektakel wurde das Erlebnis “Kino” erfunden. Da scheint es auch nicht so wichtig, dass die Story im Prinzip noch mal Avatar 1 abspult, nur diesmal mit höherem (emotionalem) Einsatz und deutlich feuchteren Kampfschauplätzen.
Dieser Film ist einfach ein Happening, das euch durch seine pure Immersion körperlich und emotional schlauchen wird. Und das sollte es auf der großen Leinwand, der größten, die ihr finden könnt – mit HFR, in 3D, Dolby Atmos und jedem technischen Schnickschnack, den euer örtliches Lichtspielhaus bieten kann.
Aber kommen wir mal zu den Gründen, warum ich diesem Behemoth voller Behemoths von Film keine glatten 10 von 10 Punkten geben kann.
Wer den Film noch nicht gesehen hat, wird hier vermutlich leichte Spoiler finden!
Von Romantik, Naturschutz und Familiendrama
Ist es die beinahe schnulzige Romantik in mitten von “edlen Wilden”? Gewürzt mit magenumdrehenden Szenen, die uns Tier- und Naturschutz mit Speichelfetzen entgegenschreien?
Nein absolut nicht. Im Gegenteil!
Cameron hat es geschafft, dass ich über drei Stunden lang den Tränen nahe war – nur wegen des Einblicks in eine Welt, in der alles so unglaublich schön, natürlich und perfekt im biologischen Einklang ist. Ich habe mich, wie schon beim ersten Teil, mit jeder Faser meines Körpers danach gesehnt über gigantische Äste zu laufen, auf wilden Drachen durch die Lüfte zu reiten und durch schillernde Korallenriffe zu tauchen. Ohne Handy, Social Media oder all die künstlichen Probleme des modernen Lebens.
Wie Cameron mit den Gegensatz-Paaren Natur und Technik oder Spiritualität und Wissenschaft spielt, ist durchaus eindrucksvoll.
Warnen möchte ich lediglich alle Eltern unter den Zuschauern. Cameron scheint den emotionalen Trigger “ALL DEINE Kinder sind in schrecklicher Gefahr” ganz gezielt zum roten Faden des Films erklärt zu haben. Sogar so sehr, dass dieser 90% der Story ausmacht.
Das war… effizient.
Hat mich allerdings im Verlauf der ewigen Spielzeit echt ausgelaugt und an meine Grenzen gebracht.
Und da wären wir dann auch endlich bei meinem einzigen WIRKLICHEN Kritikpunkt angelangt: Präzision.
Der Prof, der damals meine Magisterarbeit abgenommen hat, wurde nie müde zu betonen, dass es bei jeder Art von Arbeit eine Kunst für sich sei, präzise und “im Rahmen” zu bleiben. Immer weiter “auszulaufen” wäre eher ein Zeichen von “Laberei” und nicht von “wissenschaftlicher Arbeit”.
Ich gebe zu, bei Avatar: The Way of Water ist das unfreiwillig komisch. Auslaufen? Verstehste? Hahaha…
Tatsächlich war der Film ganz banal zu lang.
Ja ich weiß, was ich oben gesagt habe. Dass ich mich keine Sekunde gelangweilt habe.
Trotzdem wäre das Gesamterlebnis mit 2,5 statt 3,5 Stunden noch prägnanter gewesen. Für mich ist der Wiederschau-Wert, genau wie beim ersten Teil, deswegen etwas kompromittiert.
Ich habe jetzt dieser Filmmonster gesehen, habe das Erlebnis mit all seinen emotionalen Triggern hinter mich gebracht. Und habe irgendwie keinerlei Bedürfnis das noch mal zu wiederholen.
Wie soll das bei Avatar 3 erst werden? Wo laut Regisseur die erste Schnittfassung schon bei 9 Stunden liegt! Selbst an Verstümmelung grenzend runtergekürzt haben wir dann was? 4,5h? Wahnsinn.
Und wo soll es dann hingehen? Wir hatten Wald und Wasser. Diesmal in Wüste? Schnee? In die Wolken?
Also, ich bleibe dabei: Avatar: The Way of Water ist kein Film, sondern eine Art Doku-Erlebnis, dass man genau einmal gesehen haben MUSS. Dann aber bitte mittels einer Kinoanlage, die dem schieren Bombast von Camerons Vision auch gerecht werden kann.