Filmwarnung: Sucker Punch

Sonntagabend. Draußen regnete es. Trotz eindeutiger Warnungen und Tonnen von schlechten Reviews entschlossen wir uns, einen von drei scheinbar miesen Fantasy-Filmen im Kino anzuschauen: Season of the Witch, I am number 4 oder Sucker Punch.

Verheerender Weise haben wir uns für letzteren Film entschieden, eine Mischung aus Videospiel, Musikvideo und Drogentrip. Ich hatte diese Wahl getroffen auf Grund meiner Annahme, dass Zack Snyder, Regisseur von 300 und Watchmen, trotz einer Rotten Tomatoes-Bewertung seines „Sucker Punch“ von 20% (bei 162 Reviews!) keinen so wirklich schlechten Film abliefern können sollte. Da hatten sicherlich in erster Linie Fantasy-Kostverächter und Anfänger-Nerds ihre Meinungen kundgetan.

Beim großen und mächtigen Cthulhu, wie erschreckend und allumfassend ich mich geirrt habe!

Ich werde im Folgenden auf Spoiler keine Rücksicht nehmen, weil ich nur inständig hoffen kann, dass den Lesern dieses Reviews das Verschwenden wertvoller Lebenszeit erspart bleibt.

Was mir Mr. Snyder da aufgetischt hat, hat mich mit einer Mischung aus Wahnsinn, Fassungslosigkeit und tiefem Mitleid aus dem Kino wanken lassen. Wenn mir der Kartenabreißer am Eingang plötzlich lachend eine Bratpfanne übergezogen hätte, wäre das weniger überraschend gewesen, als dieses langweiligste Machwerk der Nerd-Film-Geschichte. Insofern wird der Film seinem Namen „Sucker Punch“ vollkommen gerecht: Er trifft den Zuschauer vollkommen unfair und unerwartet. Eine recht fragwürdige Zielsetzung, wenn Zack Snyder dies tatsächlich erreichen wollte. Auf dem Nachhauseweg war unser größter Wunsch so viel Alkohol zu trinken, dass wir einen Filmriss bekommen, der genau da einsetzt als wir beschließen ins Kino zu gehen. Notfalls wollte ich mir den Film operativ aus meinem Gedächtnis entfernen lassen.

Und da wären wir auch schon bei der sinnentleerten Handlung des Films: Babydoll, die bei einer Attacke auf ihren bösen Stiefvater, versehentlich Ihre Schwester umgebracht hat, wird in ein Irrenhaus eingeliefert, wo sie mit Hilfe einer Lobotomie ruhig gestellt werden soll. In den drei Tagen vor dem Eingriff flieht sie sich, Inception-mäßig, zwei Traumebenen tief in ihre eigene Vorstellungswelt. Und schon hier zeigt sich, dass Sucker Punch auf so vielen Leveln nicht funktioniert:

Babydoll flieht vor dem Horror der Nervenheilanstalt (Sexueller Missbrauch, die anstehende Lobotomie, die Verrückten um sie herum) in die Vorstellung sie wäre eine Burlesque-Tänzerin in einem Freudenhaus. Herr Snyder, ist das nicht eher die Vorstellung eines pubertierenden Jungen? Wieso sollte sich Babydoll von einer „misslichen Lage“ in die nächste wünschen? Das wirkt sehr unglaubwürdig.

Schnell fasst sie jedoch den Plan zusammen mit den anderen sexy Teenagern, die einem japanischen Hentai entsprungen zu sein scheinen, aus der Anstalt zu fliehen. Dafür benötigen die Mädels Gegenstände, die sie wie Plot- oder Quest-Items auf einer Tafel wegstreichen. Um ihre Ziele zu erreichen, muss Babydoll jedes Mal „als Ablenkungsmanöver“ widerwillig einen Tanz aufführen, während eines der anderen Mädels einen der Gegenstände stiehlt. In den Tänzen flüchtet sich Babydoll in Traumwelten voll haarsträubender Special-Effekt-Feuerwerke, in denen die Mädchen in bester Videospiel-Manier von ihrem Sensei (der Vaterfigur, die Babydoll nie hatte?) ein Quest-Ziel genannt bekommen, zu welchem sie sich dann unaufhaltsam durchmetzeln.

So kämpfen niedliche Mädchen in sexistischen, hautengen Sailormoon-Outfits gegen Horden von Riesensamurais, Drachen, Steam Punk-Nazis, Zombies und Cyborgs. Diese unpassenden, feuchten Träume eines minderjährigen Gaming-Nerds erfüllen dabei leider keinerlei Zweck und wirken wie willkürliche Zwischensequenzen aus verschiedenen Computerspielen. Wenn die Aufträge in Babydolls Traumwelt wenigstens symbolisch zu verstehen wären und sich auf die Aufgaben in der nächst höheren Realitätsebene beziehen würden, wäre ich weniger empört. Doch was hat der Kampf gegen Roboter in einem Zug, um eine Bombe zu entschärfen, damit zu tun dem Koch ein Messer zu stehlen? Sehr fragwürdig, Herr Snyder. Die größte gedankliche Leistung des Regisseurs diesbezüglich scheint zu sein, einen Drachen als Feuerzeug zu verstehen.

Kurz vor Ende des Films sterben dann plötzlich die Mädels eine nach der anderen weg. Die Tatsache ans sich, wie auch die Art und Weise der Tode, wirken an den Haaren herbei gezogen und eher wie ein Versuch Snyders seinem Film in den letzten Minuten noch schnell den Schuss Dramatik und emotionale Tiefe zu spendieren, die dem bedeutungslosen und langweiligen Film bis zu diesem Zeitpunkt gefehlt hatten.

Zu allem Überfluss sind die Charaktere von Sucker Punch alberne Pappmache-Schablonen ohne jegliche Tiefe. Bei sämtlichen Dialogen im Film muss man unwillkürlich gähnen und sehnt die überzogenen Tagträume von Babydoll herbei wie ein Junkie seinen nächsten Schuss. Nur leider sind genau diese Special-Effect-überladenen Tagträume seltsame Sequenzen, in denen einfach nichts zusammenpasst: Fahrzeuge stammen aus der Nachkriegszeit um 1950, während die Mädels in modernen Schulmädchen- bis Goth-Outfits in den Szenarien herum springen. Dabei untermalt Snyder die verschiedenen Szenen im Film durch einen wilden und selten wirklich passenden Mix aus klassischen Songs und Popsongs, so als hätte er einem iPod Shuffle die Wahl des jeweiligen Musikstücks überlassen.

Der ganze Film wirkt wie ein unnötig langer, sinnloser Drogen-Trip ohne jegliche Botschaft und man fragt sich zwischenzeitlich ernstlich, ob die Kinoleute einem was in die Cola getan haben.

Selbst für eine vermeintliche Zielgruppe von Gamer Geeks und Popkultur Nerds besitzt dieser Film einfach kaum Relevanz. Der Film möchte vielleicht einfach nur plakativer Fetischismus und verspieltes Farbenspiel sein, wer weiß…
Doch welches durchgeknallte, neue Filmkonzept Zack Snyder mit Sucker Punch auch immer realisieren wollte und egal welche mystische Botschaft(en) er im Film versteckt hat, das Resultat hat mich von Anfang bis Ende ohne Pause schrecklich gelangweilt.

Trauriges Fazit: 1 von 10 Miniröcken

(Ein Punkt, weil ein Drache im Film vorkommt. Ich mag Drachen.)

Über Thilo (1213 Artikel)
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