007: Keine Zeit zu sterben… oder doch?
6 von 10 schon mal gesehen Stunts
Eigentlich wollte ich James Bond 007: Keine Zeit zu sterben auslassen.
Einfach nur so.
Genau wie The Eternals und andere Filme, die mich einfach nicht sonderlich reizen gerade.
Seen it all, done it all. Man(n) wird alt.
Doch dann tauchte unser Lieblings-Martini-Schlürfer bei Amazon Prime auf und wurde dort, zumindest für die Verhältnisse eines Bond-Films, ziemlich niedergemacht. 50% gaben ihm zu diesem Zeitpunkt weder 4 noch 5 Sterne, satte 33% sogar nur einen einzigen Trostpreis-Stern.
Was war da los? Hatte es etwas mit der Kontroverse im Vorfeld zu tun, dass Bond von einer Frau abgelöst werden sollte? Oder war der Film einfach nicht gut gelungen?
Die Überschriften der ersten drei Rezensionen lauteten: “Das komplette Franchise zerstört”, “Demontage einer Legende” und “Der Tod des James-Bond-Franchises.”
Wow, ganz so schlimm konnte es ja nun auch wieder nicht sein, oder?
Seufz. Ich musste mir also wohl oder übel ein eigenes Bild machen, um mitreden und euch “Top oder Flop” sagen zu können.
Aber erstmal zum Elefanten im Raum.
Ein Woke Bond für die MeToo-Generation?
Nein.
Oder kaum.
Allerdings weiß ich auch nicht, was noch alles bei den Reshoots “gerettet” wurde, die es gegeben haben soll.
Im Vorfeld waren ja Bond-Fans auf die Barrikaden gegangen, als es hieß, dass 007 in Zukunft von einer schwarzen Frau, sprich einer Person, die möglichst viele “Minority”-Checkboxen abhakt, gespielt werden könnte. Die Befürchtung war, dass genau diese Weiterreichung der Fackel in Keine Zeit zu sterben vollzogen werden würde.
Doch glücklicherweise hatten die Macher ein Einsehen, dass das wirklich niemand sehen will, der die bisherigen Bonds kennt.
Ian Flemmings Roman-Figur ist nun mal als jemand angelegt, der für heutige Empfindsamkeiten kaum noch tragbar ist. Er ist ein emotionsloser Killer und charismatischer Womanizer, der Frauen genießt wie einen guten Cocktail und meist nur mit ihnen schläft, um an geheime Informationen zu kommen.
Diese Figur im Rahmen der “Woke-Bewegung” komplett umzukrempeln ist natürlich quatsch.
Und genau an der Stelle greift mal wieder mein großes Anliegen, das ich immer wieder betone:
Trennt doch bitte Literatur, Filme und Kunst ganz allgemein von der Wirklichkeit. Es geht doch im Film darum genau das zu sehen, was in der Wirklichkeit nicht immer einen Platz hat. Wir canceln ja auch nicht alle Horrorfilme, weil darin Leute verängstigt und getötet werden. Es ist Illusion. Kunst. Ein Blick in eine Paralleldimension, die uns verängstigen, erfreuen, nachdenklich machen, VOR ALLEM ABER, ÜBERRASCHEN soll. Darum geht es. Das bringt Spaß. Wenn demnächst jeder Film glattgebügelt und selbst von kleinsten Mikroaggressionen befreit ist, gibt es kaum noch Reibung, kaum noch Überraschungen – Vorhersehbarkeit und Langeweile wären das Ergebnis.
Dementsprechend passt ein Mann einfach besser zur Rolle. Ja, ich weiß, was das aussagt, aber so ist es nun mal.
Wobei eine eiskalte, Männer wie Toyboys vernaschende 007-Agentin natürlich trotzdem interessant sein könnte. Als Nebenprodukt. Oder als eigene Agentenserie. Aber nicht als Genderswap von Ian Flemmings Romanfigur.
Bond zu weinerlich?
Ja und nein.
In vielen Rezensionen wurde beklagt Bond wäre nun zu einer verweichlichten Heulsuse und generell, gerade in Bezug auf Frauen, viel zu emotional geworden.
Ja, naja…
Ich denke, auch ein Geheimagent ist nur ein Mensch und darf durchaus eine Entwicklung durchmachen. Wenn jemand so viele adrenalinschwangere Momente durchlebt und so viele Tode gesehen und selbst verursacht hat – glaubt wirklich jemand, dass das Nervenkostüm das auf Dauer mitmacht?
Hinzu kommt, dass Bond ja auch älter wird. Wenn der Sturm und Drang der Jugend hinter einem Mann liegen, werden andere Werte wichtiger. Da darf dann auch schon mal die Liebe des Lebens, Nachwuchs und das Weingut zum Relaxen eine Rolle spielen.
Apropos Lebenserfahrung und Karriereende:
Natürlich reibt die neue 007 Bond andauernd unter die Nase, dass die berühmte Nummer nun ihr gehört. Doch aus den kurzen Wortgefechten geht meist Bond siegreich hervor und gegen Ende des Films gibt die Geheimagentin die Nummer sogar ehrfürchtig an Bond zurück. Ich frage mich, was ohne die Reshoots passiert wäre?
Ansonsten fand ich alles knorke, was die richtigen Leute vermutlich wieder aufgeregt hat: Schwarze 007, schwarze Moneypenny, schwuler Q. Alles cool, aber eigentlich auch nicht erwähnenswert, weil irrelevant für die Story. Und zu der komme ich jetzt.
Musik Arsch… Bösewicht Arsch… Laufzeit Arsch
Nein, ganz so schlimm ist es natürlich nicht.
Aber ein Ohrwurm ist der neue Bond Song nun auch nicht gerade. Vorbei die Zeiten von GOOOOOLDFINGAAAAAAA! wenn Billie Eilish den neuen Titelsong ist Mikro heult.
Ok, ich muss sagen, dass mich ihre Stimme echt berührt. Das Lied ist wirklich schön. Nur mag ich diese aufrüttelnden Ohrwürmer der Vergangenheit einfach lieber, auch wenn Eilishs Lied besser zum Inhalt passt.
Und der ist vor allem eins: Zu lang.
Der Film beginnt eigentlich großartig.
In einem malerischen Dörfchen darf Bond die zuckersüße Léa Seydoux knutschen, von Brücken springen und mit seinem Gadget-starrenden Bondauto (Fanservice!) die Bad Guys über den Haufen ballern.
So weit so gut.
Doch dann ist der Film irgendwie “all over the place”, wie man so schön sagt. Was für einen Bondfilm, der ja meist durch seine internationalen Schauplätze und Action an ungewöhnlichen Orten brilliert, erstmal nichts Ungewöhnliches ist.
Doch irgendwie gab es da auch ein paar langatmige Szenen… viele Emotionen…blah.
Vielleicht lag es auch an der Action, die irgendwie nichts Besonderes war und vielleicht auch Daniel Craigs Alter Tribut zollen musste?
Da war einfach nichts, was man nicht schon mal gesehen hätte. Dieses “WHOA-BOND-Abenteuer-Gefühl” kam mir irgendwie zu selten auf. Ich versuche krampfhaft mich an eine Tsunamiwelle, eine Mondbasis oder andere Highlights aus dem Film zu erinnern. Aber da war nichts. Vielleicht bin ich auch echt nur abgestumpft.
Leider war der Bond-Bösewicht diesmal auch eher lächerlich.
Wenn er sein von Kainsmalen übersätes Gesicht nicht mit einer mäßig gruseligen Phantom der Oper-Maske aufgehübscht hätte, wäre aber auch wirklich gar nichts Besonderes oder “Bedrohliches” an ihm gewesen. Ich fand den Villain diesmal so erinnerungswürdig und einschüchternd wie den fiesen Malte auf der Kinderhüpfburg.
Da ein guter (Bond-)Film jedoch mit seinem Antagonist steht und fällt, hat Keine Zeit zu sterben für mich an der Stelle keinen guten Job gemacht.
Genau wie am Ende.
Welches einen RIESENSPOILER darstellt, wenn ihr den Film doch noch selber schauen wollt.
Dann lest jetzt besser nicht zu Ende.
You have been warned!
Natürlich passt es irgendwie zu Daniel Craigs letztem Auftreten als Bond, dass er sich auf der Insel opfert, damit die Raketen einschlagen können. Mit den scheiß Nanobots im Blut, die verhindern, dass ich meine Tochter oder Frau berühren kann, hätte ich auch keinen Bock mehr gehabt.
Aber warum hat mich dieses Ende so absolut kalt gelassen?
Ich bin normaler Weise die größte Heulsuse bei Filmen. Besonders, wenn es auch noch um Kinder geht…
Deswegen muss dieser Bond, für mich persönlich, etwas sehr grundlegend falsch gemacht haben.
Rückblickend muss ich leider sagen, dass die Craig-Ära für mich nicht auf einer befriedigenden Ebene endet. Was mit Casino Royal, der alles hatte, was ich mir von einem Bond erhoffe, begann, wurde mit der Zeit immer schlechter.
Keine Zeit zu sterben ist wirklich kein schlechter Film. Sicher um Welten besser, als die 1-Stern-Bewerter uns suggerieren wollen. Aber es ist auch kein erinnerungswürdiger Bond, der es sich neben den Großen der Bond-Geschichte gemütlich machen kann.