Buch Empfehlung: Andrzej Sapkowski – Der Hexer
Mit übersetzten Büchern ist es wie mit schlecht synchronisierten Filmen: Oftmals geht gegenüber dem Original zu viel verloren und die Essenz des Werks leidet oder bleibt gar völlig auf der Strecke. Leider stellte mich Andrzej Sapkowski mit seinem „Wiedźmin“ diesbezüglich jedoch vor eine zeitnah nicht lösbare Aufgabe. Das Werk im Original zu lesen kam leider nicht in Frage, da Polnisch nicht zu den einfachsten Zungen dieser Erde gehört. Ich habe es aber auch auf Deutsch schon sehr genossen. Um nicht zu sagen: Ich war lange nicht mehr so begeistert von einer Fantasy Reihe!
Wem „tolkinesquer“ Pathos und Schmalz das tausendste Mal wiedergekäut Übelkeit verursacht, dem wird Stil und Inhalt der Geschichte um Geralt von Riva wie ein frischer Wind vorkommen. Der mittlerweile 62-Jährige Pole Andrzej Sapkowski beschreibt sachlich und mit Wortwitz die Abenteuer des Hexers Geralt von Riva, welcher sich in jungen Jahren durch eine schmerzhafte Prozedur in eine effektive Kampfmaschine verwandelt hat. Mit einem silbernen Schwert und Hexer-Magie ausgerüstet reist Geralt durch eine Märchenwelt und verdingt sich als professioneller Monsterjäger.
Sapkowski malt mit nüchternen Worten eine mittelalterliche Welt, die von fantastischen Wesen und Aberglauben gleichermaßen bevölkert wird. Sein Ansatz bei der Kolorierung der Welt ist dabei sehr realistisch und damit bisweilen beinahe ordinär. Dies harmoniert jedoch immer mit der Atmosphäre und trägt zum Wortwitz bei.
Der Autor schreibt im Genre der Fantasy erwachsen und schnörkellos. Seine Lebenserfahrung erlaubt dem betagten Autor eine rasiermesserscharfe Beobachtungsweise menschlichen und nicht-menschlichen Verhaltens. Die Welt, die er so vor dem Auge des Lesers entstehen lässt, ist erfrischend anders und realistisch. Die Welt des Hexers dreht sich um alle menschlichen Grundbedürfnisse und nimmt deshalb, gerade auf dem Hintergrund einer mittelalterlichen Szenerie, kein Blatt vor den Mund. Die Leute fluchen von Herzen wenn ihnen ein Hammer auf den Fuß fällt und es ist andauernd von Arschlöchern, Titten und Hundesöhnen die Rede.
Auch die typischen Fantasy-Rassen erleben durch die realistische und teils zynische Linse des polnischen Autors eine amüsante Wandlung: Die unsterblichen Elfen in seiner Welt sind beispielsweise sozialphobische Eremiten, die von der schnelllebigen Menschenwelt überfordert zu bitterbösen Zynikern geworden sind. Zauberer und Hexen sind meist von ihrer Macht korrumpiert und verschaffen sich auf magischem Wege Sex, Reichtum und Macht. Denn auch sie sind unter der Fassade aus Magie und Arroganz bloß triebgesteuerte Menschen. Trotzdem gibt es bei Sapkowski bei aller sprachlichen Direktheit immer wieder Passagen voller Pathos und großer menschlicher Gefühle. Kleine, philosophische Weisheiten lassen sich häufig aus Worten und der Handlung des Hexers extrahieren, so dass man teilweise zwischen Komik und Dramatik hin und her geworfen wird wie ein kleines Boot bei stürmischem Wellengang.
Die Saga vom weißhaarigen Hexer Geralt ist ein dreckiges Roadmovie für Erwachsene in einer Welt von Elfen und Vampiren. Der trockene Wortwitz, die Schlagfertigkeit der realistischen Charaktere und deren immer wieder überraschende, sprachliche Direktheit haben mich fast einmal pro Seite laut auflachen lassen. Das hat schon lange kein Buch mehr geschafft. Der Hexer ist pures Amüsement für Liebhaber erwachsener Fantasy. Ich habe bisher nur die beiden ersten Bände mit Kurzgeschichten gelesen. Jetzt freue ich mich sehr auf das folgende Roman-Quintett, welches eine zusammen hängende Geschichte beherbergt.