Der blutverschmierte Oscar geht an: Joker

Hat endlich zu sich selbst gefunden: Der JOKER. © Warner Bros. Pictures

9 von 10 Partyclowns

Es gibt wenige Filme, die einen von der ersten bis zur letzten Szene derart gefangen nehmen, dass man alles um sich herum vergisst. Weil Kameraarbeit, Musik und Schauspielkunst so nahtlos ineinander greifen, dass das Kino zu verlassen dem Erwachen aus einem Traum gleich kommt. Joker hat das bei mir geschafft. 

Aber entgegen aller vorheriger Warnungen, Joker sei in erster Linie ein Drama und kein DC-Film, entpuppte sich Todd Phillips‘ Psychothriller auch als die beste Origin Story eines düsteren Superheldenuniversums, die ich je gesehen habe. Sie erinnerte mich in der Art der Metamorphose des Jokers an The Killing Joke von 1988. Kein Wunder, denn, wie ich nun nachlesen konnte, soll der brillante Comic lose als Inspirationsgrundlage gedient haben. Außerdem gibt es – ohne dabei zu viel zu verraten –  genug Charaktere und Orte, die Joker passgerecht in die Welt von Batman und Gotham City einbetten.

Viel mehr möchte ich vom Inhalt des Films auch gar nicht verraten. In erster Linie hinterlässt mich Joker mit dem durchdringenden Blick von Joaquin Phoenix, seinem teils ansteckenden, teils verstörenden Lachen und all den philosophischen Gedanken über die Welt, die Albert Camus ohne zu zögern unter der Überschrift des „Absurden“ zusammengefasst hätte.

Wer bin ich? Wieso wachse ich in Armut, Krankheit und Unglück auf und so viele andere in Reichtum, Gesundheit und Glück? Wer entscheidet das, wenn ich geboren werde? Was bleibt mir anderes übrig, als die Welt entweder als Drama oder als Komödie zu sehen?

Vielleicht ist das auch der Hauptgrund, warum ich so sehr mit dem Joker sympathisieren konnte. Natürlich nicht wegen seiner Bluttaten, sondern wegen der Umstände, die seine Glühbirne zum Durchbrennen bringen. An der Oberfläche ist Joker eine Art Remake von Falling Down (1993), nur diesmal mit einem geisteskranken Berufsclown in der Hauptrolle. Tief im Kern jedoch finde ich hier Mary Shelleys klassische Frankenstein-Geschichte: Die schlimmsten Monster macht sich der Mensch selbst. Wieviel Unrecht und Häme muss jemand von der Gesellschaft für nicht selbst verschuldete „Schwächen“ erdulden, bis er den Weg der Tugend verlässt und zum Bösewicht wird? Was ist überhaupt „Tugend“ und wieviel davon ist ein Konstrukt aus gesellschaftlichen Erwartungen, die bestimmte Leute zu ihrem eigenen Vorteil erdacht haben?

Joker ist wunderschön in seiner von Celli untermalten und kompromisslos düster dargestellten Welt eines Mannes, der mit einzigartigen Handicaps zu kämpfen hat – Obwohl diese ihn nur zu der Person machen, die er nun mal von Natur aus ist. Joaquin Phoenix ist dabei eine Offenbarung, Robert De Niro und Zazie Beetz nettes Beiwerk.

Da bekannt ist, dass es mit Robert Pattinson einen neuen Batman geben wird, kann ich nur die Daumen drücken, dass Phoenix‘ neuer Joker dabei zum Einsatz kommt. Die Bürde, gegen eine derart genial entwickelte Figur anzuspielen, dürfte für den Twilight-Star jedoch eine anspruchsvolle werden.

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