Filmkritik: Der Hobbit – Eine unerwartete Reise
10 von 10 Elbenklingen
„Eine gute Geschichte verdient es ausgeschmückt zu werden.“
Dies sind die Worte von Gandalf zu Beginn des Hobbit und damit gleichzeitig Peter Jacksons Erklärung, warum er das im Vergleich zum Herrn der Ringe eher spärliche Material der Buchvorlage auf 2 bzw. 3 Filme ausgeweitet hat. Neusten Verlautbarungen zu Folge ist die Haupthandlung des Hobbit nämlich bereits im zweiten Film abgeschlossen und der dritte Teil wird die Geschehnisse zwischen dem Hobbit und dem Herrn der Ringe schildern. Ich finde es ganz clever von Jackson auf diese Weise ein sechsteiliges Mittelerde-Epos für Fans zu schaffen, welches man schön nahtlos in einem 24h-Marathon durchschauen und dann eingeliefert werden kann…
Aber back to Topic: Ich kann nur jedem und insbesondere allen Tolkien-Fans ernstlich ans Herz legen, keinerlei Rezensionen im Internet zu lesen, sondern einfach den Hobbit anzuschauen und sich dann ein eigenes Urteil zu bilden. Leider ist auf Rotten Tomatoes eine vollkommen ungerechtfertigte und von aufgeblasenen Wichtigtuern, selbsternannten Journalisten und nicht zur Zielgruppe gehörigen Pappnasen nachgeplapperte Bewertung entstanden. Wer auf Grund dieser beschließt, den Film nicht zu schauen, verpasst einen der besten Filme aller Zeiten. 65% soll der haben? Das würde ihn auf eine Stufe mit anderen 65%-Filmen stellen, die mit der Gesamtqualität des Hobbit nicht mal ansatzweise mithalten können. Also bitte…
Die meisten Reviewer haben den Hobbit nie gelesen und/oder vergessen, dass man das erwachsene Epos des Herrn der Ringe in keiner Weise mit dem leicht-herzigen Kinderbuch „The Hobbit“ vergleichen kann. Ihre nicht getroffenen Erwartungen, ihr erbärmliches Halbwissen um die Welt von Arda, sowie ihr trotziger Unwille die liebevollen Komponenten zu sehen, aus denen der Film zusammen gesetzt ist, haben zu einer nicht objektiven Bewertung geführt, die ein wenig konträr zu den Einspielergebnissen ist.
Ja, Der Hobbit – Eine unerwartete Reise, ist gefühlt ein wenig zu lang geworden. Doch ich habe mich angesichts der perfekt gecasteten Schauspieler, der liebevollen Ausstattung und der atemberaubenden Bilder keine Sekunde gelangweilt. Ich hätte auch gerne noch eine Stunde mit Hunger und Durst im Kinosessel verbracht, um noch ein wenig mehr des Zaubers demütig aufsaugen zu dürfen. Ok, ich gebe zu, ein Hardcore Tolkien-Fan zu sein. Aber selbst für Fantasy-Standard-Konsumenten war das immer noch ein verdammt solider und perfekt inszenierter Abenteuerfilm, von denen es nicht viele gibt. Selbst, wenn ich für das „breite Publikum“ 1 oder 2 Punkte in der Bewertung abziehe, müsste er immer noch 8 von 10 Punkten, also auf RT 80%, bekommen haben. Und nicht 65%. Seufz.
Nun aber zum eigentlichen Review.
Erst mal zur Optik: Ich habe den Film nun schon 2 mal gesehen. Einmal auf Deutsch mit doppelter Frame Rate und einmal im englischen Original mit normaler FR. Unnötig zu erwähnen, dass der Film auf Englisch deutlich schöner ist. Allein Gandalfs wunderbarer Akzent und das Lied der Zwerge am Anfang rechtfertigen schon die OV. Die höhere FR war am Anfang schon ein wenig gewöhnungsbedürftig, weil tatsächlich dieser Fernsehspiel-Effekt auftritt. Teilweise sind die Bilder so realistisch, dass sie in Kombination mit 3D den Eindruck vermitteln, als würde der Zuschauer im Theater auf eine Bühne schauen. Das ist schon abgefahren und man kann es negativ oder positiv empfinden. Einige Leute haben gesagt, dass es die Magie des Films ein wenig hindert, ich habe es aber nach einer kurzen Eingewöhnung zumindest nicht mehr als nachteilig empfunden. Im Gegenteil, gerade bei schnellen Kamerafahrten und Seitwärtsschwenks, wie am Anfang in der Zwergenfestung, bleibt das Bild kristallklar und detailreich, wären man mit normaler FR ein verschwommenes Bild sieht. Ich würde die Kombination von High FR und englischem Originalton bevorzugen, aber ich glaube, es ist letztendlich Geschmackssache.
Inhaltlich habe ich eigentlich kaum etwas auszusetzen. Sicherlich hätte ich einige Szenen anders oder buchgetreuer umgesetzt. Doch retrospektiv kann ich jede Entscheidung Jacksons auf der Leinwand etwas anders zu machen nachvollziehen.
Ab hier SPOILER!
Bsp.: Eigentlich überlistet Gandalf die 3 Trolle, indem er ihre Stimmen nachäfft und sie verwirrt, bis diese von der Sonne überrascht und zu Stein werden. Da die Trolle jedoch schon so viel Dialog bis dahin hinter sich gebracht haben, wäre es sicherlich langweilig geworden. Ein Auftritt Gandalfs mit etwas mehr „Kawumm“ hat der Szene eine schöne Klimax verpasst, die auf der Leinwand eben besser funktioniert als im Buch.
Alle Schauspieler sind brilliant gecastet. Martin Freeman gibt uns einen herrlich schrulligen und ruheliebenden Bilbo, der seine Tuck-Seite gerne unterdrücken würde, ihr jedoch hin und wieder unterliegt. Die Zwerge sind allesamt grandios und einzigartig, was allein schon eine tolle Leistung Jacksons ist. Jeder ist auf seine Art liebenswert und bleibt im Gedächtnis. Am meisten beeindruckt aber hat Richard Armitage als Thorin Eichenschild, der als eine Art Aragorn der Zwerge auch eine düstere Boromir-Seite zu haben scheint.
Sogar der trottelige Radagast, der im Buch ja nur am Rande erwähnt wird, hat mir gut gefallen. Seine Szene im Grünwald war märchenhaft und hat gut erklärt, wie sich der Wald durch eine aufkeimende Verderbnis in den Mirkwood verwandelt hat.
Überhaupt hat Jackson im Gesamtwerk Tolkiens gewühlt und einiges ergänzt, um zumindest Fans wie mich glücklich zu machen. Auch, dass er Azog als neuen Gegenspieler der Zwerge hat auftreten lassen, war eine gute Entscheidung, um der „Kindergeschichte“ noch ein wenig mehr Spannung zu verleihen. Außerdem liebe ich WARGS! So viele tolle Wargs kommen im Film vor und Azog reitet sogar auf einem Weißen. Herrlicher Endgegner!
Als ausgesprochenen Tolkien-Fetischisten hat mir das Lied der Zwerge am Anfang und einige direkt aus dem Buch übernommenen Passagen natürlich multiple Nerdgasmen beschert. Ich kann natürlich verstehen, dass solche Passagen für Leute, die das Buch nie gelesen haben, eher langweilig anmuteten.
Ich kann abschließend nur sagen, dass ich Peter Jackson abgrund tief hasse. Dafür, dass er meinen Fetisch so gut und gezielt bedienen kann und mich dann trotzdem mit jeweils einem Jahr Wartezeit bis zum nächsten Teil quält. Nicht nett, Peter, gar nicht nett.