Filmkritik: The Amazing Spider-Man – Web 2.0
+ Vergleich: Alter und neuer Spidey

8 von 10 Gen-Spinnen

Sorry, aber bei einem Film, der von einem Mann stammt, der “Webb” mit Nachnamen heißt, konnte ich mir die aberwitzige Anspielung in der Überschrift auch nicht verkneifen.

Die Frage, die sich dem Comic-Fan und/oder Filmliebhaber vor Ansicht des neuen Spider-Mans stellt, ist natürlich, ob die Zeit schon reif ist für das Remake einer Origin-Story, die Sam Raimi erst 2002 sehr ansehnlich in die Kinos gebracht hatte. Vielleicht sind in Zeiten von “Superheldenermüdung“, “DC Relaunch” und anderen Krisen-Schlagworten solche “Überarbeitungen” zu erwarten.

Aber was genau ist denn der neue Spider-Man? Hat er seine Daseinsberechtigung oder ist er nur die gleiche Suppe von einem anderen Koch ein wenig anders gewürzt? Meine subjektive Meinung kurz vorweg genommen: Dieser Spider Man hat mir besser gefallen. Er ist etwas mehr in der Realität verankert und weniger albern. Spider-Man zu sein ist anstrengend, zieht blutige Schrammen nach sich und ist in jeder Hinsicht eine Herausforderung für Körper und Geist. Während Ramis Spidey teilweise noch recht Slapstick-artig und – bis auf die Moralkeule – eher unbeschwert daher geschwungen kam, hat Mr. Webb seinem Spinnenmann einen deutlich düstereren Unterton verpasst. Der Kontrast zwischen Humor und Ernst ist dadurch drastischer und hat mich emotional mehr aufgewühlt.

Anstatt über den Film in üblicher Form zu rezensieren, bietet es sich diesmal natürlich an, einen direkten Vergleich der beiden Herkunftsstorys des Wandkrabblers anzugehen. Here we go:

Darstellung des Peter Parker:

Während Tobey Maguire eigentlich hauptsächlich als leicht vertrottelter Kauz dargestellt wurde, ist Andrew Garfield der deutlich coolere Anwärter auf das Spider-Man-Kostüm. Er ist eher der missverstandene und mystische Außenseiter-Streber, der in sich gekehrt und dem Mysterium seines Vaters auf der Spur ist. Punkt für Webb.

Nähe zum Comic:

Da kann ich eigentlich kaum mitreden, doch der oft bejammerte Missstand, dass Spider-Man ausgerechnet an den Handgelenken seltsame Spinnendrüsen entwickelt haben soll, wurde behoben. Als gleichermaßen geschickter Tüftler und genialer Wissenschaftler nutzt Spider-Man nun korrekterweise technische Gadgets, um die Superspinnenseide zum Schwingen zu nutzen. Außerdem ist er im Kampf viel witziger und macht sich in einem fort über seine Gegner lustig. Ganz so wie in der Zeichentrickserie – da wiederrum kann ich mitreden. Punkt für Webb.

Das Kostüm:

Sicherlich Geschmackssache, doch mir hat der Spandexanzug des neuen Spidey besser gefallen. Auch die Herleitung, warum er das Material gewählt hat, war schlüssiger. Punkt für Webb.

(Web-) Action:

Auch hier hat der neue Spider-Man die Nase vorn. Er macht viel mehr mit den Spinnfäden als der alte Spider-Man. Ist lustig anzuschauen, wie er jemanden blitzschnell in einen ganzen Kokon einspinnt oder den Leuten durch einen Schuss auf den Mund die Meinung verbietet. Außerdem wirkt er noch mal agiler, schneller und spinnenhafter. Punkt für Webb.

Der Villain:

Das ist schwierig. Der Lizard ist sicherlich toll animiert, jedoch in erster Linie ein Monster der Zerstörung. Und obwohl ich den Kobold teilweise nervig und zu comicartig fand, war er mit seinem Wahnsinn und seinen Gadgets schon der bessere und würdigere Gegner für Spider-Man. Punkt für Raimi.

Der Humor:

Auch eine sehr knappe Entscheidung. Aber die Art des Humors hat mir im neuen Teil trotzdem ne Ecke besser gefallen. Während im “alten” Spider-Man viele Slapstick-Einlagen zum Einsatz kamen – man erinnere sich an den ersten Schwingversuch, der an der Hauswand endet – ist der Humor im Remake deutlich subtiler und ungewollter. Wenn man als neu erwachter Superheld morgens aufwacht und erst mal den Wecker in tausend Teile schlägt, weil man seine neue Kraft noch nicht richtig einschätzen kann, finde ich das urkomisch. Punkt für Webb.

The “love interest”:

Oh ja, Emma Stone als Gwen Stacy ist HAWT! Mit ihren Kulleraugen und der niedlichen Art. Aber das ganze Drumherum war beim alten Spider-Man netter gemacht. Ja, und seit Interview with the Vampire habe ich eine Schwäche für Kirsten Dunst. Und Nippel im Regen und so… Egal. Knapper Punkt für Raimi.

Es lebe Amerika:

Diese Pathos und Patriotismus-triefenden Szenen im alten Spider-Man gingen gar nicht. Bei der Sonnenuntergangsszene im dritten Teil hätte ich fast das Kino verlassen. Es reicht doch wohl, dass Spidey in seinem Kostüm die Farben der amerik. Flagge umherträgt. Da benötig niemand mehr den Schlag mit dem Holzhammer ins Gesicht. Nichts von solchem Crap gibts im Remake, sehr sympathisch. Emotionalität wird hier auch deutlich weniger durch die Moralkeule (allerdings auch) erzeugt, als viel mehr durch die Rollen der Darsteller. Das hat mich teilweise nicht ganz kalt gelassen, mich kleine Pussy … klarer Punkt für Webb!

Endresultat für mich 6:2 für das Remake.

Aber bildet euch selbst eine Meinung. Viel ist ja auch geschmackssacke, wie immer, klar. Aber sehenswert und gut für einen unterhaltsamen Popcorn-Abend im Kino ist das Remake allemal.

Über Thilo (1200 Artikel)
Hi, ich bin der Gründer dieses bekloppten Blogs. Außerdem Realitätsflüchter, Romantiker, Rollenspieler, Gamer, Fantasynerd, Kneipenphilosoph und hochstufiger Spinner. Manchmal jogge oder schwimme ich, doch meistens trinke ich Bier.