Iron Fist: Mein beherrschter Rant über Danny Rand – Mokusō!
Die 36 Kammern der Shaolin, Ninja Kommando, Drunken Master und unzählige andere Eastern wurden von mir als Kind verschlungen, wie kleine, nur unzureichend gefüllte Reisschälchen bei kolossalem Hunger. Ninja-Boom und Karate Tiger-Tagträume hatten mich fest im Griff.
Eine Zeit lang musste bei mir in Filmen jeder Sprung klingen wie ein wild schlackerndes Bettlaken im Wind und jeder Schlag wie ein kleiner Knallfrosch im Hausflur. Der Kranich, der eiserne Affe oder die gnadenlose Gottesanbeterin waren meine besten Freunde. Daher war auch mein Berufswunsch klar: Ninja. Oder irgendein anderer Martial Arts-Meister, der alle verprügeln kann, die nicht seiner Meinung sind.
Als ich nun erfuhr, dass Iron Fist, der letzte noch fehlende Defender aus dem Hause Marvel, ein waschechter Super-Shaolin Mönch wäre, erwartete ich natürlich bestes asiatisches Actionkino im neuzeitlichen Gewand. Da ich jedoch nicht ganz jungfräulich in die Serie stolpern wollte, las ich mich erst noch ein wenig in die Comicvorlage ein. Da hieß es, dass Danny Rand nicht in irgendeinem Kloster zum Kung Fu-Mönch gestählt wurde, sondern in K’un-Lun, einer Art außerdimensionalen Himmelsebene mit Megakämpfern und mystischen Wesen. Dort musste er Shou-Lao the Undying, einen waschechten Drachen, bezwingen, um die Macht der Iron Fist zu Erlangen. Diese könnt ihr euch so ähnlich vorstellen, wie Ryus „Wave Motion Fist“ (Hadōken), mit der er nicht nur im Dunkeln sehen, sondern auch richtig Fetz machen kann. Viertel Drehung nach vorne und Punch Button lässt Eisentüren aus den Angeln und Gegner von den Füßen fliegen. Soweit so gut.
Wann setzt er das in der Netflix-Serie ein? Nicht oft. Seine Chi-Kräfte scheinen sich, ähnlich wie die Jedi-Kräfte bei Star Wars, manchmal erst wieder aufladen zu müssen. Denn sonst würde man diesen übernatürlichen Vorteil ja viel zu oft einsetzen… Im Falle von Iron Fist könnte es jedoch auch daran liegen, dass Danny Rand ein leicht reizbarer, naiver Kung Fu-Schussel ist. Durch seine Gefühlsausbrüche bekommt er seine Faust leider nicht immer „hoch“. Dabei hätte ich mir im Sinne der Action schon ein paar mehr Chi-„Ergüsse“ gewünscht.
Und genau da lag für mich auch die erste Enttäuschung begraben. Während Danny in der ersten Folge noch ein paar Handlanger mit wunderschönen Aikido-Künsten ins Leere taumeln lässt, gestalten sich seine Kräfte im Verlauf der Serie doch sehr schwankend in ihrem Machtgrad. Und das, obwohl Danny nicht müde wird zu erwähnen, dass er in der anderen Dimension zu einer einzigartigen und unbesiegbaren Waffe ausgebildet wurde. Echt lame, wenn er dann fast gegen einen Besoffenen verliert. Ok, die kleine Hommage an Drunken Boxing und Jackie Chan war schon ganz nett, doch ich habe ständig um die MÄCHTIGE Iron Fist gezittert. Sein „ganz nettes“ Kung Fu, gepaart mit seinen Gefühlsausbrüchen und teilweise grenzenloser Naivität, haben mich irgendwie nicht gerade an einen Shaolin-Meister erinnert. Sein Kloster-Kumpel Davos bemerkt später in der Staffel recht passend: „You are the worst Iron Fist ever!“
Trotz der obligatorischen White Washing-Vorwürfe macht Finn Jones seine Sache aber ganz ok. Dass er meistens nicht wie eine legendäre Iron Fist rüber kommt, ist dem seltsamen Drehbuch geschuldet; dafür kann er ja nichts. Leider wird erst fast am Ende aufgeklärt, dass Dannys Anger Issues, als Teil seiner Figur angelegt wurden, um… äh… ihn manchmal albern aussehen zu lassen?
Deutlich besser dagegen hat mir Jessica Henwick als Colleen Wing Gefallen. Die hübsche Kampfkunst-Lehrerin mit dem weißen Katana als Markenzeichen auf dem Rücken, hätte für mich ebenfalls die Hauptfigur sein können und nicht bloß ein Sidekick. Schauspielerisch verdient sie für mich zwar auch nicht den schwarzen Gürtel, doch wenn sie als „Daughter of the Dragon“ üble Kanten bei Käfigkämpfen zusammen staucht, um ihre Finanzen aufzubessern, kommt schon Laune auf.
Doch damit erschöpfen sich auch die interessanten Charaktere von Iron Fist. Alle moralisch halbgaren Figuren bei Rand Industries haben mich wenig vom Hocker gerissen und einen charismatischen Hauptschurken, dem der Held in einem Endkampf entgegen treten muss, sucht man auch vergeblich. Madame Gao, als Schlüsselfigur der „Hand“, ist mit ihrem arroganten Greisen-Lächeln meist eher annoying als furchteinflößend.
Rosario Dawson ist natürlich auch wieder als (Karate-)Krankenschwester Claire Temple dabei. Die Latina erfüllt für mich jedoch in erster Linie die Aufgabe nett auszusehen und irgendwann die Defenders zu vereinen. Denn genau diese Rolle scheint auch Madame Gao bei ihr zu entdecken. Doch obwohl sie während der Staffel einige Liebesbriefe von Luke Cage bekommt und mehrmals erwähnt, dass sie viele „Supers“ kennt, kommt sie natürlich nie auf die Idee mal ein paar von Ihnen zur Hilfe zu rufen, als die Kacke richtig am Dampfen ist.
Apropos Defenders: Wie schneidet Iron Fist denn jetzt gegenüber den anderen Marvel-Serien ab? Leider muss ich als Fazit zu Protokoll geben, dass weder Intro, noch die wichtige Musik die Grundlage für eine Kampfkunst-Superheldenserie legen. Hier wäre mit nur ein paar asiatischen Klängen schon so viel zu machen gewesen! Der Cast der „Guten“ ist ok, die Handlung teils dämlich und leider fehlt das Wichtigste: Eine ernst zu nehmende Schurken-Power. Für mich rangiert Iron Fist insgesamt auf dem Level der enttäuschenden Jessica Jones, die dafür wenigstens einen schön wahnsinnigen Gegenspieler zu bieten hatte. Doch wo Miss Jones in Hinsicht auf Superkräfte gnadenlos gelangweilt hat, kann Iron Fist immerhin mit einigen netten Kämpfen aufwarten.
Hier meine Wertung aller 4 Defender-Serien (Nur Daredevil 1 ging hier in die Wertung ein, auch wenn der 2. Teil ebenfalls sehr gut war):