Ist Fallout nur blutiger Eye Candy und Fan-Service?
Credit: Amazon Prime
Neulich, als ich gestolpert und versehentlich mit dem Gesicht Fernseher und Playstation eingeschaltet habe (obwohl ich eigentlich putzen und aufräumen wollte), ist mir etwas aufgefallen. Der PS-Shop kokettierte mit verschiedenen Aktionspreisen für alle Games der Fallout-Reihe.
Kurzer Google-Check bestätigte: die Fallout-Games werden gesaugt wie nie. Klar, gibt ja auch eine geile Fallout-Serie auf Amazon-Prime, die den Leuten die postapokalyptischen Drüsen massiert. Und sie scheint laut der verfaulten Tomaten auch noch verdammt gut zu sein. 94% sagen die Kritiker, 88% das Publikum.
Aber ist die Fallout-Serie wirklich so uneingeschränkt empfehlenswert?
Nachdem ich die 8 Folgen hastig mit ein paar Flaschen Nuka-Cola Quantum runtergespült habe und nun aus dem Hintern leuchte, kann ich sagen:
Klares Jein.
Sorry, ich muss kurz ausholen.
Ich bin “ich habe ein pixel-isometrisches, rundenbasiertes und sauschweres Fallout 1 und 2 gezockt”-Jahre alt. Außerdem besitze ich seit Neustem eine Lesebrille und mein Rücken tut weh. Immer.
Trotzdem blicke ich gerade voller Liebe auf die Fallout-Reihe zurück. Postapokalypse. Wow. Das war damals echt was Neues und hat uns süchtig-zockenden Kindern des Pixel-Zeitalters vergnügliche Nachmittage beschert.
Prozentzahlen über Köpfen. Riesenskorpione. Ein Ufo in der Wüste. Schön wars.
Etliche Jahre Später gelang Bethesda mit Fallout 3 dann der Sprung in die Echtzeit-3D-Welt, die ich gierig nach Kronkorken und meiner ersten Powerrüstung durchkämmt habe. Das Addon “New Vegas” war dann mein letzter Ausflug in verstrahlte Gelände. Wie sich die Serie mit Fallout 4 und Fallout 76 weiterentwickelt hat, kann ich also nicht sagen.
Was ich aber sagen kann: Ich kenne mich schon ganz gut aus im Ödland.
Eine Ewigkeit her und knüppelschwer: Fallout 1
Warum ist das wichtig?
Weil die Fallout-Serie auf Amazon Prime die Atmosphäre der Spiele nahezu perfekt einfängt. Und damit komme ich zurück zur alles überschattenden Frage dieses Artikels: Ist Fallout nur blutiger Eye Candy und Fan-Service?
Klares Jein! Ach, scheiße, da waren wir ja schon.
Also, die Serie sieht wirklich umwerfend aus. Hier wurden mal wieder richtig viele Kronkorken in die Hand genommen, um die Welt nach der Atomkatastrophe wirklich greifbar werden zu lassen.
Kostüme, Sets, Ausstattung, Spezialeffekte – Fallout ist glanzvolle Unterhaltung, so hochwertig wie ein nagelneuer Fusionskern, den man zufällig in einem abgetrennten Ghoul-Arsch findet.
Wie ist mir beim Bingewatchen alle 5 Sekunden einer abgegangen! Herrlich, wie die Kinder kurz vor der Katastrophe den Abenteuern von Grognak dem Barbaren im Frühstücksfernsehen folgen.
So satisfying, wie jemand mit Müll aus dem “Junk Jet” über den Haufen geballert wird. So wunderbar ulkig, wie überall Vault-Wackelkopf-Puppen rumstehen…
Hach, ich könnte immer so weiter labern.
Der Punkt ist: Hier waren wirklich Leute am Werk, die die Welt von Fallout mit Herzblut, Stimpacks und Ultrajets zum Leben erwecken wollten.
Und damit haben sie schon eine sehr ansehnliche Hürde genommen. Nur durch Hochwertigkeit und Detailverliebtheit haben die Macher schon den Fluch der Computerspielverfilmungen abgewendet. Womit sich die Fallout-Reihe in die, keine Ahnung… 5%(?) der wirklich gelungenen Game-Umsetzungen einreihen darf.
Aber was hat Fallout außer Fanservice noch zu bieten?
Credit: Amazon Prime
Gewalt.
Blut.
Ekel.
Ja wirklich, das sollte erwähnt werden. Es gab mehr als einen Augenblick, indem sich Miss Wiki angeekelt abgewendet hat.
Ich fand es natürlich passend. Die Welt der Postapokalypse ist schließlich kein Spielfeld für Warmduscher. Im Ödland will dich alles töten. Zumindest aber ausrauben, foltern oder sexuell missbrauchen.
Diesen Punkt haben die Macher wirklich mehr als zufriedenstellend herausgearbeitet. Hand in Hand mit der Special-Effekts-Crew und einigen Containern voll Blut und Gedärme.
Alter Schwede, der labert hier eine Wall of Text nach der anderen und wir wissen immer noch nicht, was er eigentlich an der Serie auszusetzen hat.
Der Cast
Tja, nach reiflicher Überlegung, konnte ich nicht wirklich ein tiefergehendes Interesse an den Charakteren entwickeln.
Versteht mich nicht falsch. Alle drei Mains, Ghoul, Vault-Bewohnerin und Brotherhood of Steel-Knappe, sind perfekt gecasted. Besonders der nach 200 Jahren Strahlenbelastung zum Ghoul mutierte Cooper Howard hat mir großen Spaß gemacht.
Aber die anderen beiden waren irgendwie austauschbar…
Die süße Lucy, die immer gleich mit jedem Sex will, konnte nicht wirklich mein Herz erobern. Ja, mir ist klar, dass das Ödland die Leute abfuckt und vermutlich früher oder später jeder am Rad dreht. Aber wie sie sich z.B. erst (verständlicher Weise) krass überwinden muss, um der Leiche den begehrten Kopf abzutrennen, dann aber mit dem Kopf rumschmust und ihm abends am Lagerfeuer die Haare wuschelt, erschien mir doch etwas befremdlich.
Genauso Maximus. Der debile Grinser, wie ich ihn nach einer Weile getauft habe. Irgendwie war der mir ein wenig zu cringe. Wie er da später mit seinem Popcorn sitzt, während Lucy mit einem Sack über dem Kopf verschleppt wird, hat den Charakter für mich ausreichend gut in eine Nussschale gepackt.
Ich meine, natürlich passen leicht durchgeknallte Charaktere in eine ebenso derangierte Postapokalypse. Doch ich möchte als Zuschauer trotzdem mit den Hauptakteuren mitfiebern. Im idealen Fall ist mir nicht egal, was mit ihnen passiert. Doch leider war genau das am Ende mein Problem: Mir war egal, ob die draufgehen oder nicht. Für mich könnte die 2. Staffel – deren Produktion nach dem massiven Erfolg wohl nur noch Formsache ist – komplett neue Charaktere einführen. Fine by me. Hauptsache einer von ihnen steigt wieder in die Power Armor und wirft Leute durch Wände.
Tatsächlich ging mir das Schicksal von ein paar Randcharakteren am Ende viel näher.
Von Lee Moldaver, der Kommandantin der New California Republic hätte ich gerne noch mehr gesehen. Stark fand ich auch Thaddeus, den neuen Knappen von Maximus oder Lucys Bruder, Norm MacLean, der als einziger die Eier hat mal nachzusehen, was zur Hölle in Vault 31 abgeht. Scheiße, sogar das Schicksal des Hundes lag mir mehr am Herzen, als das der 3 Protas…
Naja, jedem das Seine. Ist ja nur mein persönlicher Geschmack.
Wichtig finde ich eben nur zu erwähnen, dass die Fallout-Serie vor allem eins ist: Blutiger Fan-Service.
Was nichts Schlimmes ist. Ich hatte meinen Spaß und werde Staffel 2 garantiert auch sehen. Allein schon deshalb, weil mir die Macher noch Deathclaws, Supermutanten und anderen Ödland-Klamauk schuldig geblieben sind. 😉