Kurzgeschichte: Der eine unter Millionen

Jahr des überschäumenden Kruges, 1027.

Ignaroth gefiel was er sah. Die ganze verdammte Stadt war ein einziger großer Knotenpunkt für magische Energien. Alle Gebäude, alle Straßen und jedes noch so kleine Bänkchen am Wegesrand waren von potenter Magie umgeben und in jeder Faser davon durchdrungen. Die Qualinos-Elfen, denen die Magie in die Wiege gelegt wurde, waren nicht zimperlich, wenn es darum ging, jeden Aspekt ihres Lebens mit Zauberkraft zu verbessern, zu schützen und für die Ewigkeit zu konservieren.

Wie langweilig, dachte er. Und dumm! Dem süßen und notwendigen Verfall aller Dinge derart arrogant die Stirn zu bieten, musste einfach Konsequenzen haben. Es wurde Zeit, dass jemand das Gewebe dieser magischen Geschwulst inmitten eines ansonsten perfekt ausbalancierten Multiversums auftrennte und den Hochmut wie dünnflüssigen Eiter hinaussickern ließ. Die absurde Zurschaustellung von magischer Macht würde in wenigen Augenblicken mit den Schreien seiner Bewohner im Kosmos verhallen. Es war einfach zu köstlich, dass Dargoroth, der Gott „hinter den Dingen“, ausgerechnet ihm die Aufgabe dafür übertragen hatte. Wenn er als Quasidämon des Nichts dazu fähig gewesen wäre, hätte er nun sicherlich so etwas wie Dankbarkeit verspürt. Doch ohne ein schlagendes Herz in seiner schwarzen Brust, richteten sich als Zeichen seiner Wertschätzung lediglich die Stacheln auf, die seinen ganzen Körper überzogen.

Mit einem tiefen Grollen trat er durch das schimmernde Portal, durch welches er die Heimat der Elfen mit vor Eifer glühenden Augen betrachtet hatte. Sofort spürte er wie einige Schutzzauber der Stadt zu pulsierendem Leben erwachten und die Wachen eines nahestehenden Turms alarmierten. Zwischen zwei Zinnen zeigte sich ein goldener Helm, unter den das gelangweilte Gesicht eines Elfen geschnürt war. Die Wache schien den dunklen Schatten, der vor dem schimmernden Schutzschild der Stadt aufgetaucht war, nur mit moderatem Interesse zu beäugen. Diese Arroganz! Ignaroth wunderte es nicht, dass er sich einfach so nähern konnte, ohne mit seinem bloßen Anblick für Panik zu sorgen. Mittlerweile sahen drei goldene Helme belustigt dabei zu, wie sich ein monströses Wesen ihrem Jahrhunderte alten Schutzschild näherte, welcher einst von fünf Erzmagiern in einem fünftägigen Ritual und unter Opferung ihrer kollektiven Lebensenergie errichtet worden war.

Doch Ignaroth war älter als dieser Schutzschild. Unsagbar viel älter. Und seines Zeichens vollkommen immun gegen jede Art von Magie. Besser noch: Er absorbierte sie und ernährte sich von ihr. Drei Kinnläden klappten herunter, als er mühelos in den Schutzschild eintauchte und mitten in seiner Energie stehen blieb. Eine Schockwelle ging durch die Stadt, als hätte jemand einen Felsen in einen friedlichen See geworfen. Ignaroth knurrte vor Ekstase und Lust als er spürte, wie die mächtige Magie gierig in ihn hinein strömte. Doch lange konnte das arkane Gespinst, das rasend schnell dünner wurde, dem schwarzen Fremdkörper in sich nicht standhalten. Mit einem seltsamen Zischen, das nur außergewöhnliche Wesen wie er hören konnten, war der Schutzschild plötzlich verschwunden.

Jetzt hatte er endlich die volle Aufmerksamkeit der elfischen Wachen, die nun auf magische Weise zu ihm hinab geschwebt kamen und mit angsterfüllten Mienen Zaubersprüche murmelten. Salven aus Feuer, Eis und gleißendem Licht prasselten auf ihn ein. Er lächelte. Zumindest hätten Außenstehende den Spalt, der sich schmatzend in seinem Gesicht öffnete und den Blick auf Reihen von Reißzähnen frei gab, als Lächeln deuten können. Jeder Zauber fachte seine Kräfte an wie ein Windstoß die Glut eines Lagerfeuers. Jeder Schritt, den er auf dem Boden der Stadt tat, resultierte in Energieblitzen, die der Stadt entzogen wurden und ihn labten wie Muttermilch ein Neugeborenes. Er merkte, wie er an Masse zulegte und seine Muskeln anschwollen. Immer mehr Elfensoldaten schwärmten nun unter dem Getöse von Trompeten und Fanfaren aus, um sich der furchtbaren Bedrohung zu stellen. Angriffszauber jeglicher Machtstufe heulten und knisterten durch die Luft und erfüllten die Plätze der Stadt mit einem wunderbaren Konzert der Vernichtung. Dazu hallten Schreie und Wehklagen durch die Straßen, während Ignaroth mit seinen Krallen Elfenkörper zerschnitt und Körperteile aß. Über ihm entließ der gesegnete Turm von Aviona eine Armada von Greifen-Reitern, die sofort mit magisch glühenden Lanzen zum Sturzflug ansetzten. Doch wenig später türmten sich nur noch mehr Leichen in den Straßen auf, zu denen nun auch die Kadaver abgestürzter Greifen gehörten; ihre stolzen Körper zerschmettert in Pfützen dunklen Blutes.

Ignaroth war inzwischen auf die Größe der Taverne angewachsen, vor der er nun stand und die er mit einem einzigen Hieb seines Pfeilschwanzes zum Einsturz brachte. Er pulsierte vor absorbierter Magie, die sein Körper zum weiteren Ausbau seines Waffenarsenals nutze. Die neuste Evolutionsstufe bestand aus zwei Tentakeln, die nun, sein Schuppenkleid aufbrechend und schleimige Fäden ziehend, aus seinen Flanken brachen und sich in Sekundenschnelle zu einem zweiten paar Arme formten. Wie wunderbar effektiv und schnell das Auseinanderreißen der Elfenkörper nun mit vier statt zwei tödlichen Klauen von statten gehen würde, dacht er. Die einstmals stolzen Gesichter der Elfen waren indes zu bleichen Fratzen purer Verzweiflung erstarrt. Als sie endlich durch den Vorhang ihrer blinden Arroganz blickten und erkannten, dass sie das Monstrum mit ihren Angriffen immer nur noch stärker werden ließen, suchten sie schreiend das Weite. Sie besaßen in ihrer Stadt keine einzige Waffe, nicht mal eine Heugabel, die nicht verzaubert war. Selbst das Essbesteck in normalen Wohnhäusern hatten sie mit Magie gegen Rost und Abnutzung geschützt.

Schließlich gelangte Ignaroth mit bebenden Schritten ins Zentrum der Stadt, wo die gigantische Statue des Qualinos, des elfischen Gottes der Magie, emporragte. Ihr stolzes Haupt konkurrierte in Höhe mit den spitzen Dächern der höchsten Türme. Ein runenübersätes Tor im Stiefel des Titanen hatte sich geöffnet und eine Traube berobter Elfen ins Chaos entlassen. Zweifelsohne die mächtigsten Magier der Stadt, was den reichen Verzierungen und dem leuchtenden Detailreichtum ihrer Gewänder zu entnehmen war. Als ihre Blicke auf ihn vielen, begannen sie sofort wie von Sinnen Zaubersprüche in den allgemeinen Lärm zu schreien. Diese Dummköpfe, dachte er. Konnten sie nicht erkennen, dass ihr Ende gekommen war? Konnten sie nicht akzeptieren, dass sie gegen einen Gegner kämpften, der die perfekte Antithese zu ihrer lächerlichen Existenz verkörperte?

Doch dann war Ignaroth kurz beeindruckt. Die Menge der Erzmagier teilte sich und gab den Blick auf den Magus Primus der Stadt frei, dessen komplizierte Beschwörung sie mit ihren Zaubersprüchen bis jetzt unterstützt hatten. Alle Augen weiteten sich in Ehrfurcht, als der ranghöchste Magier der Stadt eine knisternde Sphäre der Auflösung beschwor und in seine Richtung fliegen ließ. Die Kugel, die auf Ignaroth zu raste hatte keine Farbe und war weder schwarz noch weiß. Sie war nichts. Pures Nichts. Außerdem wurde sie zwar durch Magie herbei gerufen und in seine Richtung geschleudert, bestand selbst jedoch nicht daraus. Gar nicht mal so dumm, dachte er. Es war das Zerstörerischste, was die Hochmagier dieser Stadt zu bieten hatten. Es war der verbotene Zauber, dessen Ausübung normalerweise mit dem Tod bestraft wurde.

Ignaroth wollte kichern, brachte jedoch nur ein kehliges Knurren zu Stande, das den Untergrund zum Beben brachte. Was diese Elfen das Nichts nannten, nannte er sein zu Hause. Als Bewohner dieser Dimension befehligte er das Nichts wie die Sonne ihre Strahlen. Mit einer abwehrenden Geste seiner Krallenhand stoppte er die Sphäre, als wäre sie nur eine überdimensionale Seifenblase, und sendete sie mit einem Ruck seines Handgelenks zurück in die Richtung, aus der sie gekommen war. Das Ergebnis war verheerend und grauenvoll mitanzusehen. Einige Erzmagier schrien und versuchten aus dem Weg zu springen, andere waren stumm und versteinert vor Schreck. Doch alle wurden gleichermaßen in die Sphäre gesaugt und annulliert: Ihre Körper falteten sich grotesk in sich selbst, wie zusammengeknülltes Papier. Dabei brachen Knochen hundertfach und Körpersäfte spritzten aus zu klein gewordenen Gefäßen, bevor sie ebenfalls ins Nichts gesaugt wurden. Kein Magier überlebte. Bevor die Sphäre jedoch verschwand, weil sie Masse konsumiert hatte, die ihrem eigenen Volumen entsprach, desintegrierte sie noch den Stiefel der Qualinos-Statue. Der steinerne Gott geriet ins Wanken.

Doch Ignaroth war es nicht vergönnt sich am Fall des Kolosses zu ergötzen, da plötzlich ein stechender Schmerz in seine rechte Wade fuhr und bis hinauf in sein Rückgrat züngelte. Fauchend wandte er sich um und schlug dabei mit seinem Schwanz blindlinks nach der Stelle, wo er den Angreifer vermutete. Er zertrümmerte jedoch nur das kunstvoll geschwungene Mäuerchen eines Vorgartens, während ein Schemen mit einem Hechtsprung unter dem Hieb hinweg tauchte. Sein Angreifer rollte geschmeidig wie ein Panther zurück in den Stand und hielt ein Schwert vor sich, dessen Klinge schwarz funkelte. Ignaroth sank vor Schmerz auf ein Knie nieder und analysierte seinen Gegner. Vor ihm stand ein ungewöhnlich muskulöser und kurzgeschorener Elf, dessen grüne Augen trotzig funkelten und keine Spur von Angst vermuten ließen. Doch was ihn am meisten beunruhigte, war, dass er keinerlei Magie an ihm wittern konnte. Der Elf wirkte wie ein Fremdkörper in dieser Stadt. Und obwohl seine Klinge ebenfalls nicht verzaubert war, vermochte sie ihn zu verletzen, als ob seine Haut aus Pergament wäre. Er ahnte, dass seine Mission gefährdet war und konzentrierte die Magie der Umgebung darauf seine klaffende Beinwunde zu heilen. Doch der Elf schien ihm keine Atempause einräumen zu wollen und schritt mit hoch erhobenem Schwert auf ihn zu. Als Ignaroth ihn mit einem wütenden Hieb seiner Pranke zur Seite schleudern wollte, verlor er sie. Der Elf hatte ihn mit einer Körpertäuschung in die Irre geführt, stoppte kurz in seiner Vorwärtsbewegung und ließ dann seine nachtschwarze Klinge herab sausen.

Ein Schrei hallte von den umliegenden Bergen wider, wie ihn die Elfen der Stadt noch nie gehört hatten. In dem ohrenbetäubenden Kreischen lagen Schmerz und Verwunderung, aber auch Wut und das hasserfüllte Versprechen auf Vergeltung. Ignaroth umklammerte mit einer seiner vier Klauen den Armstumpf, der literweise grünes Blut in die Luft pumpte. Schon schlängelten schwarze Ausläufer neuen Fleisches aus der Wunde empor, um eine neue Krallenhand zu formen. Der Dämon wich ein paar Schritte zurück. Bei den neun niederen Ebenen, was war das für ein Kämpfer? Und wo war er? Der Elf hatte erneut keine Zeit verloren und war aus seinem Sichtfeld verschwunden.

Ignaroth sah wütend umher, als ihm der tiefe Schatten auffiel, der die Gasse plötzlich ausfüllte. Und dann war seine Existenz beendet. Von ein paar hundert Tonnen Stein zermalmt wie eine Nacktschnecke von einem Kriegshammer.

*****

Der Elf mit den kurz geschorenen Haaren rannte so schnell er konnte und sprang dann mit einem Hechtsprung in den Teich vor einem der Anwesen. Er war kaum unter Wasser getaucht, als auch schon eine Schockwelle aus Staub und Steinsplittern über das Gewässer fegte wie der Odem eines wütenden Drachen. Gesteinsbrocken verschiedener Größe sanken zu ihm herab und das Wasser wurde trüb. Er schwamm bis zum Grund und wartete, bis auch die letzten Luftreserven in seiner Lunge aufgebraucht waren, bevor er es wagte wieder aufzutauchen. Prustend blickte er auf das, was einmal die Ruhmesgasse gewesen war. Die Statue des Qualinos hatte bei ihrem Fall mehrere Hausfassaden abgerissen und lag nun mit Oberkörper und Kopf genau an der Stelle, wo der grauenvolle, schwarze Dämon gestanden hatte. Der Staub des Sturzes hatte sich noch nicht ganz gelegt, als schon die ersten Freudenschreie aus den benachbarten Gassen zu hören waren. Der Elf stemmte sich aus dem Wasser und ließ sich auf die Wiese plumpsen, die mit Staub und Unrat übersäht war. Auf dem Rücken liegend blickte er nach oben und lächelte. Er hatte den Himmel noch nie ohne den magischen Schutzschild gesehen. Wie intensiv blau er war. Wie wunderschön.

*****

47 Jahre zuvor. Jahr der goldenen Hirschkuh, 980.

„Haha, was soll das sein, Laurin? Ein Zahnstocher für Hügelriesen?“

Die umstehenden Elfen lachten gehässig, als Laurin hochsprang und nach seinem Schwert fischte. Die schwarze Klinge schwebte so über seinem Kopf, dass er sie trotz seiner beeindruckenden Sprungkraft um Haaresbreite nicht erreichen konnte. Alvir, der die Levitations-Magie aufrechterhielt, vollführte mit dem Finger seiner ausgestreckten Hand eine kreisende Bewegung, worauf hin sich das seltsame Schwert in der Luft ebenfalls drehte. Er lächelte gequält und schüttelte den Kopf.

„Ihr fehlt nicht nur die Verzauberung, sie ist auch noch unsagbar hässlich, Laurin. Wenn Du schon jede freie Minute damit verbringst, deine barbarischen Kampfübungen zu verfeinern, dann solltest Du wenigstens lernen mit einer richtigen Waffe zu kämpfen. Mit einer magischen. Mit einer, die nicht in tausend Stücke zerbricht, wenn sie auf verzauberten Kristallstahl trifft.“

„Mein Meteor-Schwert zerbricht nicht an Kristallstahl und auch an nichts anderem“, knurrte Laurin, dessen Blick vor Hass zu brennen schien. „Gib es mir zurück, SOFORT!“

„Weil Du sonst was machst, Laurin? Mir einen Kinnhaken verpassen wie ein betrunkener Felsengnom? Dafür müssten aber Deine Reflexe schneller sein als mein magischer…“

„Hört auf mit dem Blödsinn“, ertönte eine weibliche Stimme, die mit ihrer Schärfe Alvirs Satz abschnitt wie das ausgefranste Endstück einer Seidenschärpe. Eleana, die Tochter von Wielar, dem Schmied, hatte den Übungsplatz betreten. Sie stemmte ihre Fäuste in die Hüften und schüttelte bedauernd den Kopf. „Wird es euch denn nie langweilig Laurin zu zeigen, dass er ohne Magie geboren wurde? Mit welcher Art von kindischer Genugtuung vermag euch das zu erfüllen? Ist das nicht so, als würde man seine Zeit damit vergeuden am Rand eines Sees die Fische zu verhöhnen, weil sie nicht an Land springen können? Ihr seid lachhaft!“

„Sie an, das Menschenblut!“ rief Alvir über den Platz, während Laurins Klinge durch mangelnde magische Aufmerksamkeit langsam zu Boden schwebte. „Gleich und gleich gesellt sich gerne. Eilst du wieder deinem neuen Freund zur Hilfe? Weil er wie du ist? Eine… wie sagt man noch gleich?“ Er faltete die Hände auf dem Rücken und starrte nachdenklich in die Luft, um seiner Kunstpause den nötigen Raum zu geben. „Eine Missgeburt, oder? So nennt man Leute wie euch doch, nicht wahr, Halber Elf?“

Du bist gleich ein halber Elf“, knurrte Eleana wütend, in deren Hand ein schlankes Schwert aufgetaucht war; sprichwörtlich aus dem Nichts. Ein Raunen ging durch die anderen Elfen, als sie das magische Funkeln der unnachahmlichen Klinge sahen, die mit ihrem korbförmigen Handschutz beinahe wie eine natürliche Verlängerung von Eleanas Arm aussah. „Ich bin vielleicht nur halb Qualinos und halb Brachman, doch meine Magie übertrifft die eurige bei Weitem! Zumindest, wenn sie durch die Geistklinge gebündelt wird. Also zwingt mich besser nicht das Schwert meines Vaters zu benutzen, um einem Freund aus der Patsche zu helfen.“

Alle Elfen waren nun einen respektvollen Schritt zurück gewichen. Alvir hingegen stand wie angewurzelt und hatte lediglich die Gesichtsfarbe gewechselt. Seine vornehme Blässe wurde von Zornesröte verdrängt. Er kämpfte sichtlich um Beherrschung, während seine Hände in den roten Schein von Kampf-Magie gehüllt waren.

„Dieses Schwert hat in Deinen Händen nichts verloren, Halbelf. Das Blut, das durch die Hand fließt, die dieses Artefakt hält, ist eine Beleidigung für die meisterliche Handwerkskunst, die das Schwert schmiedete. Mein Vater, der Magus Primus, wird davon erfahren, das verspreche ich dir! Und dein Vater auch!“

Damit wandte Alvir sich ab und stürmte vom Kampfplatz. Sein langer Zopf wirbelte hinter ihm her, wie auch die adligen Wüstlinge, die er seine Freunde nannte.

„Die Hand, die ein Schwert führt, ist das einzige was zählt, Du blaublütiger Gockel!“ Eleana grinste zufrieden und wies gedanklich das Schwert an wieder im Astralraum zu verschwinden. Laurin stürzte sofort auf sie zu und griff sie bei den Schultern.

„Was soll das, Eleana, bist du nicht mehr bei Trost? Ich kann alleine auf mich aufpassen.“

„Ja, das habe ich gesehen, Laurin“.  Sie machte ein besorgtes Gesicht. „Als nächstes hätte er wieder dich schweben lassen, um dich zu demütigen. Ich wollte das nicht. Alvir hatte endlich mal eine Lektion verdient.“

Jetzt lächelte auch Laurin, obwohl seine Augenbraun immer noch vorwurfsvoll zusammengezogen waren. „Na, das ist dir auf jeden Fall gelungen. Die Geistklinge hat wohl niemand in deiner Hand erwartet. Aber du weißt schon, dass es Konsequenzen haben wird, dass du die mächtigste Waffe der Stadt umher trägst, als wäre es ein Wanderstock? Wieso ist sie nicht in der Obhut deines Vaters? Er wird sie dir sicher nicht freiwillig gegeben haben, damit du die Tyrannen deines Freundes damit verscheuchen kannst. Und wieso kannst du sie überhaupt führen? Ist sie jetzt nicht für immer mit deinem Geist und deiner Essenz verbunden?“

Beim Gedanken daran wurde Laurin ganz mulmig zu Mute und Sorgen vertrieben das Lächeln einmal mehr aus seinem Gesicht.

Das Mädchen mit den Sommersprossen, die so gar nicht zum Gesicht einer herkömmlichen Elfe passten, hatte nun jedoch keine Lust auf lange Erklärungen. Sie zog ihn am Kragen zu sich herunter und presste ihre warmen Lippen auf die seinen. Die Welt um ihn herum verschwand.

Als er aus dem betörenden Duft ihres Körpers wieder erwachte, seufzte er. „Trotzdem hättest du dich nicht mit Alvir anlegen sollen, Eleana. Schon gar nicht, um ihn mit dem Wächterschwert der Stadt zu bedrohen. Ich danke dir natürlich für deinen Mut, doch ich fühle mich auch gleichzeitig schuldig. Was, wenn du dich am Ende vor dem Tribunal rechtfertigen musst und zu einer Strafe verdonnert wirst? Und das wegen eines Nar-Elir? Eines Magielosen?“ Er schüttelte traurig den Kopf. „Es war ein Fehler dich in den einzigen Krüppel der Stadt zu verlieben. Trotz deiner eigenen Herkunft hättest wenigstens du ein sorgenfreies Leben in einer Welt der Magie führen können.“

„Aber das tue ich doch, du Dummkopf! Es gibt nichts Magischeres als das, was wir beide haben!“ Sie lächelte ihn so warmherzig an, dass sich sein Magen zusammenzog. Diese Frau war das einzige, was seine Schutzschilde und seine Disziplin unterwandern konnte wie Wasser eine Sandburg. Er fühlte sich so verletzlich in ihrer Gegenwart. Aber auch so glücklich.

 „Ich werde in dieser Stadt immer nur der Magielose sein, Eleana. Der von Qualinos vergessene. Der Geburtsfehler.“

Die Tochter des Schmiedes sah ihn mitfühlend an. „Wenn du dich so sehen willst… bitte. Aber für mich wirst du immer der durch Leid Erstarkte sein. Der von Qualinos Auserwählte. Der eine unter Millionen.“

Eleana blickte sehnsüchtig zum Basiliskenturm, dessen goldene Dachschindeln in der Sonne glühten. Hinter seinen Mauern bewahrten die sieben Schwestern alles verbotene Wissen auf, das gefährlich für Leib und Verstand war. In uralten Schriftrollen und längst vergessenen Grimoires schlummerten Zaubersprüche, die Unaussprechliches erschaffen und Undenkbares beschwören konnten. Eleana wusste davon, weil sie nun schon im dritten Lehrjahr von Planar-Meisterin Ontaia zur Beschwörerin ausgebildet wurde. Sie lächelte. 

„Eines Tages wird dich niemand mehr auslachen wegen dem, was du bist, Laurin. Die Dinge ändern sich. Selbst an einem Ort wie diesem. Gerade an einem Ort wie diesem.“

Über Thilo (1211 Artikel)
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