Mein Onkel ist übrigens krass: Nerd, Heimkino-Besitzer und Handwerkergott
Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was mein Onkel beruflich macht. Irgendwas am Theater. Kulissenbauer oder so. Das ist der Mist, wenn man immer nur so tut als würde man zuhören, aber sich gedanklich schon lange in seinen „Happy Place“ zurückgezogen hat, wo man von nackten Doppel-D-Models mit Tiramisu eingerieben wird.
Wichtig ist nur, dass ich jetzt die Großartigkeit meines Onkels endlich erkannt und vollkommen begriffen habe. Jahre lang haben wir nur so nebeneinander her gelebt, nicht ahnend, dass einer ein größerer Nerd ist als der andere. Das lag in erster Linie an unseren Lebensumständen. Er hatte eine Familie und einen stressigen Job, während ich rumgevögelt und auf Unipartys die Hosen runter gelassen habe. Ok, oder um ehrlich zu sein, während ich versucht habe dem Ernst des Lebens und der Arbeitswelt durch eine willkürliche Unikariere erst mal weiter aus dem Weg zu gehen.
Nun begab es sich vor gar nicht allzu langer Zeit, dass mir meine Kinnlade aus dem Gesicht und scheppernd zu Boden fiel, als mein Onkel mich beinahe beiläufig in sein abgefahrenes Heimkino führte. Da hing aber nicht nur ein Beamer an der Wand, der eine ausrollbare Leinwand anstrahlen durfte, nö, mein Onkel hatte das Ex-Zimmer seiner ältesten Tochter einfach mal in ein richtiges kleines Kino verwandelt. Dazu hatte er zunächst das Fenster geschickt mit einem professionellen Holzrahmen verdeckt, um jegliches Tageslicht sicher aussperren zu können.
Dann hat er über die Wochen und Monate sukzessive mehr Details und Requisiten hinzugefügt, bis sein Heimkino über geile indirekte Beleuchtung, einen flimmernden Sternenhimmel und all den anderen geilen Scheiß verfügte. Klickt das Bild an, um es zu vergrößern (Dauert etwas, weil es sehr groß ist):
Wenn man da sitzt kommt eine geniale Kinoatmosphäre auf. Ich kann immer noch kaum fassen, was man aus einem kleinen Raum so alles rausholen kann. Eigentlich fehlen nur noch der Duft einer Popcornmaschine und ein genervter Student, der vor der Tür die Karten abreißt.
Jetzt warte ich natürlich darauf, dass mich mein Onkel mal zu einem Filmabend einlädt. Ich würde auch Nachos, Getränke und ehrfürchtige Demut mitbringen. Denn wozu so ein geniales Heimkino bauen, wenn nicht, um Freunde und Familie in Stolz und Bewunderung vergehen zu lassen? Naja, vielleicht liest er ja das hier und ich kriege eine reduzierte Eintrittskarte. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Aber, ihr werdet lachen, das Heimkino ist gar nicht der Hauptgrund, warum ich gerade diesen Artikel schreibe. Es gibt da noch einen anderen Skill, den mein Onkel im Rahmen seiner beruflichen Karriere scheinbar gemaxt hat:
Nein, das ist keine in Vergessenheit geratene Filmszene, in der ein bekannter Kopfgeldjäger Lord Vader durch seinen Mangel an Respekt auf die Palme bringt. Was ihr hier seht, ist ein in Pose gestellter Boba Fett von Hot Toys, der in einem selbst gebastelten Todesstern-Diorama lässig an der Tür lehnt. Also nicht von Boba gebastelt, sondern von meinem Onkel.
Und wieder fiel meine Kinnlade herab und zerbrach in tausend Teile.
Wenn man vor dieser beleuchteten Miniatur steht ist es, als würde sich die Szene gleich bewegen, weil nur kurz jemand einen Film pausiert hat. Echt jetzt, klickt das Bild mal an, um es zu vergrößern! Mein Onkel rockt so unfassbar hart, dass mir vor Rührung fast die Tränen gekommen wären. Damit steht er in meiner Wahrnehmung nun im Prinzip auf einer Stufe mit Jesus. Zumindest scheint er in seine Fußstapfen zu treten!
Als ich das Diorama einem Elite-Nerd-Freund auf FB zeigte, entfuhr diesem nur ein fachgerechtes „Fuuuuck ist das geil“. Ein anderer Kumpel fragte mich sofort nach eine Bauanleitung, was mich erst mal in schallendes Gelächter ausbrechen ließ. Soviel Perfektion bekommt ihr nicht mit einer Nagelfeile und einem Stück Holz aus dem Wald hin. Am besten am Ende dann mit Filzstiften ausmalen. Ich meinte nur: „Junge, der Bauplan alleine nützt Dir gar nichts, Du musst auch noch, wie mein Onkel, eine unheilige Züchtung aus MacGyver und Heimwerkerkönig Tim Taylor sein. Außerdem hat er einen Keller vollgestopft mit Präzisionsfräsen und anderem Equipment. Mal eben nachbauen AM ARSCH.“
Natürlich war mein erster Gedanke, meinen Onkel mit einem Diorama für meine eigenen Hot Toys zu beauftragen. Mit der Arbeit daran würde er dann gleich anfangen können, wenn er mit meinem Heimkino fertig wäre. Aber das ist natürlich nur ein Wunschtraum. Was für einen Preis sollte er für so eine mit Herzblut gefertigte Auftragsarbeit verlangen? Sowas ist eben, im wahrsten Sinne des Wortes, priceless. Da bleibt mir nur übrig mich ab und an sabbernd davor zu stellen und stolz zu sein, dass scheinbar nicht alle Mitglieder unserer Familie zwei linke Hände haben.
Hey, wartet mal, ich spüre eine Erschütterung in der Macht.
Da versucht jemand das Todesstern-Diorama zu infiltrieren!
He, Mr. Star Prinz, oder wie sie heißen, Finger weg!
So ist brav, schön zurück in die Vitrine zu Deiner grünen Freundin…
…in die Vitrine, deren Glasböden kabellos beleuchtet sind und beim Einlegen über Kontakte aktiviert werden, die aus Kuli-Drähten und anderem Schnickschnack zusammengelötet sind. Das mit der Mischung aus Tim Taylor und MacGyver eben war kein Witz. Mein Onkel ist ein NERD der besten Sorte.
Bleibt mir an dieser Stelle nur noch, ein paar Bilder hier zu lassen, die den Entstehungsprozess ein wenig beschreiben. Vom Vergleich mit pausierten Filmszenen, um auch wirklich authentisch zu arbeiten…
…über das präzise Messen, Schneiden und Kleben…
…bis hin zur Überwachung durch ausgebildete Konstruktionsroboter.
So, dass war er, der kleine Ausflug in die Welt der handwerklich wahnwitzig begabten Miniaturenmeister und Bastelfreaks. Ich muss jetzt mal das Schälchen leer machen, das den Speichel aus meinem Oberkiefer auffängt. Und dann suche ich mir im Baumarkt um die Ecke mal die Komponenten für einen neuen Unterkiefer zusammen. Es lohnt sich eh nicht, wenn ich mir mehr als ein Holzgestell mit zwei groben Nägeln in die Visage zimmere, denn bei meinem nächsten Besuch im Heimkino finde ich bestimmt wieder ein neues Meisterwerk meines Onkels, das meine Kinnlade erneut zu Boden krachen lässt.