Netflix‘ Norsemen wandeln zwischen Slapstick und Selbstironie

Als ich Norsemen das erste Mal auf Netflix gewahr wurde, dachte ich so etwas wie „Noch eine Wikingerserie? Nein danke, ich habe ja noch nicht mal alle Staffeln der genialen Vikings vom History Channel durch.“

Ein fataler Fehler, der mich fast den Einzug ins Witze-Walhalla gekostet hätte!

Denn Norsemen schlägt mit seiner Axt in eine völlig andere Kerbe, als das durchaus ernst gemeinte und historisch akkurat ausgerichtete Vikings. Die Norweger Jon Iver Helgaker und Jonas Torgersen bescheren uns mit ihrer Version von brandschatzenden Nordmännern (Originaltitel Vikingane) eine längst überfällige Historien-Comedy im Seriengewand.

Ich finde, neben Game of Thrones, Vikings, Tudors, Borgias, Spartacus, Rom und anderen „Historienserien“ mit hohem Produktionsaufwand hat uns eine Veralberung durchaus gefehlt. Und was liegt da näher als die klischeebeladenen Wikinger auf die Schippe zu nehmen?

Ja, ihr habt Recht, wenn ihr jetzt Erik der Wikinger (1989) erwähnt, der diese Wellen schon Ende der 80er erfolgreich mit dem Drachenboot durchpflügt hat. Doch die Norsemen sind im Humor zwar oft ähnlich, aber im Grundprinzip doch ganz anders. Außerdem kommen sie als Serie daher und könnten uns eine ganze Weile begleiten. Zwei Staffeln zu je 6 Folgen gibt es schon und weitere sind geplant. Diese Review bezieht sich jedoch nur auf die erste Staffel, die ich mir neulich bei wachsendem Met-Konsum in einer Sitzung hinter die Binde gekippt habe.

Ist Norsemen also ohne Wenn und Aber zu empfehlen?

Das hängt stark von euren Humorpräferenzen ab.

Immer wenn kompromisslose Brutalität auf das Absurde trifft, ist Norsemen durchaus mit den Werken von Monty Python vergleichbar. Schaut euch dazu einfach nur die erste Folge „Homecoming“ an und ihr habt davon die volle Dröhnung bereits intus. Stichwort: Duell. Ich habe mich besudelt vor Lachen.

Manchmal ging mir der Slapstick-Aspekt der Serie aber schon fast ein wenig zu weit. Natürlich ist es witzig, wenn jemand kurz vor dem Raid beim wilden Herumfuchteln sein Schwert am Bootsrand anschlägt und im Wasser verliert. Doch manchmal sind die Gags auch ein wenig zu platt und zu vorhersehbar. Dass ein Wikinger, der gefühlte Stunden darüber schwärmt, wie sehr er es liebt Dinge zu betrachten und was er nach seiner Pensionierung noch alles Tolles betrachten will, in den nächsten Minuten nichts Gutes für sein Augenlicht zu erwarten hat, ist irgendwie keine Überraschung.

Doch glücklicher Weise speisen sich Grundton und Humor der Serie aus einem anderen Kontrast:

Die Macher haben den unzivilisierten Norsemen nämlich durchaus zivilisierte Themen in den Mund gelegt, die in der wilden Welt der Wikinger natürlich zwingend deplatziert und komisch wirken. Teilweise sind die Dialoge echt zum Brüllen, wenn sich die ungehobelten Krieger über kultiviertes Verhalten und philosophische Sichtweisen unterhalten. Da wird dann auch schon mal von den Greisen des Dorfes in Frage gestellt, ob es Sinn macht, sich im Rahmen des “Ættestup” von einem Felsen zu stürzen, nur um schneller nach Walhalla zu gelangen und der Dorfgemeinschaft nicht mehr zur Last zu fallen.

Ein Grund, warum der Humor bzw. die Handlung nicht zu albern oder eintönig wird ist sicher auch der hohe Produktionsaufwand. Ähnlich wie bei Vikings ist es einfach ein optischer Leckerbissen sich bei den vielen Außenaufnahmen an der Schönheit Skandinaviens zu ergötzen. Die aufwändigen Kostüme und Requisiten tun ihr übriges, um mich bei der blutigen Stange zu halten.

Derzeitig gibt es die Norsemen nur im norwegischen Original oder auf Englisch. Schaut euch am besten einfach mal den Trailer zu Staffel 1 an:

Norsemen (Vikingane) Season 1 Official Netflix HD Trailer

Ich bin mir nicht sicher, ob mich die philosophischen Wikinger auch in Staffel 2 noch vollends begeistern können, aber warten wir mal ab. Oder, um es mit den Worten des schwulen Häuptlings der Norsemen zu sagen: 9 von 10 Sorgen sind völlig unbegründet.

Über Thilo (1210 Artikel)
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