The Vampire Diaries – Massenkompatibler Mythos

Der kleine Vampir von Angela Sommer-Bodenburg hat bei mir vermutlich den Grundstein für mein Dasein als Vampire-Lover gelegt. Den Abenteuern von Anton Bohnsack im Kreis von Vampiren wie der Milch trinkenden Anna, dem fiesen großen Bruder des kleine Vamirs, Lumpi, oder dem krummnäsigen Friedhofswärter Geiermeier, durfte ich damals von meiner Mutter vorgelesen lauschen. Besonders das Flugpulver, durch welches ein Gewöhnlicher Umhang zu einem Flugumhang wurde oder das Parfüm von Tante Dorothee „Mufti Eleganti“ sind mir in Erinnerung geblieben. Mußte das toll sein mit wehendem Umhang durch die Nacht zu fliegen mit einem starken Vampirfreund an der Seite.

Ich weiß noch, dass ich dann in noch recht zartem Alter angefangen habe Vampire zu malen und meine Mutter jeden Tag gelöchert habe, endlich mal einen richtigen Vampirfilm sehen zu dürfen. Meine Mom war zwar strikt dagegen, weil sie korrekter Weise einen Drakula Film mit der bleichen Visage von Christoper Lee für nicht ganz meines Alters angemessen hielt. Mein Vater gab jedoch irgendwann mit den Worten „aus Schaden wird man klug“ entnervt nach. Ich habe natürlich Nächte lang davon geträumt wie Drakula im Sonnenlicht die Finger aufplatzen und seine bescheidenen Überreste als Aschehäufchen davon geweht werden. Lektion gelernt.

In den folgenden Jahren, besonders während des Studiums, habe ich in illustren Runden bei Cola und Pizza als Vampir des Gangrel Clans die nächtlichen Straßen erfundener Städte unsicher gemacht und das ein oder andere schlechte Remake der alten Nosferatu- und Drakula-Filme gesehen. Doch nur einer hat mich nachhaltig begeistert: Interview mit einem Vampir. Lässt man alle homoerotischen Anklänge mal beiseite, erfasst der Film alle verlockenden aber auch alle dramatischen Aspekte des Vampirdaseins: Mystische Kräfte, ewige Jugend und Immunität gegen Krankheiten im Tausch gegen den ständigen Blutdurst, permanente Dunkelheit und die zermürbende Ödnis des ewigen Lebens.

Der Vampir der Popkultur hat im 21. Jh. einige Veränderungen erfahren, einige amüsant, andere albern. Doch der neueste Trend in der Vermarktung dieses Mythos gefällt mir ganz und gar nicht. In einer allgemeinen „Pottermanie“ wird jede Legende und jeder Stoff aus Film und Literatur für ein jugendliches Publikum zugänglich gemacht. So hat sich in „Twilight“ der einstmals tragische Vampir in einen übermenschlich starken Vegetarier im Teeny-Alter verwandelt. Vampir sein bedeutet jetzt cooler sein als andere und ist die Ausformulierung des Emo-Daseins. Außerdem wird man im Sonnenlicht zu einer funkelnden Disko-Kugel, darauf stehen die Mädels. Mich bringen aber 18-jährige Topmodel-Vampire mit Checker-Blick und Gewinnerlächeln eher zum Würgen. Sämtliches Drama ist für die Katz und es ist beinahe eine Frechheit, dass bei den neuen „Dark X-men“ überhaupt noch von Vampiren gesprochen werden darf.

Leider unterscheidet sich auch die neue Vampir-Schmonzette „Vampire Diaries“ nicht wesentlich vom neuen Verkaufsmodell. Wieder gibt es einen „Edward“ mit furiosen Augenbrauen in Nahaufnahme und eine süße „Bella“ mit Reh-Augen. Diesmal kann der Teeny mit langen Eckzähnen das Sonnenlicht des Schulhofs dank eines mystischen Rings ertragen. Na wenigstens, kann man ihm den abnehmen, um sein dümmliches Lächeln abzufackeln. Ansonsten wurde noch ein böser Bruder mit dem vielsagenden Namen „Damon“ dem Mix hinzu gefügt, der sowas wie die Schattenseite des Protagonisten sein soll. Dieser gibt sich dem Blutrausch genauso hemmungslos hin, wie der menschliche Bruder der angeschmachteten Elena seinem gelegentlichen Drogenrausch. Tolle Parallele und pädagogisch wertvoll: Die bösen Brüder der Hauptdarsteller nehmen „Drogen“, um mit ihren Problemen fertig zu werden. Nanana! Ansonsten kommt der Film mit allerlei Effekthascherei wie Nebel und schwarzen Raben beim Auftreten von Damon, sowie reichlich pseudo-philosophischem Teeny-Geschwätz daher. Insgesamt darf sich Vampire Diaries in meinen Augen nur geringfügig besser als Twilight nennen. Wo einstmals Vampire Cop „Nick Knight“ oder „Der Clan der Vampire“ im deutschen Fernsehen versagte, dürfen jetzt feuchte Emo-Träume über die Matscheibe flimmern. Different actors – Same fail.

Über Thilo (1200 Artikel)
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