Westworld: Blutiger und göttlicher Mindfuck

Und damit sind auch gleich die wichtigsten Komponenten der Serie genannt: Blut, Ficken, Geist und Gott.

Da kann selbst Game of Thrones kaum mithalten. Beide Serien sind von HBO, unglaublich Budget-intensiv produziert (Jede Folge Westworld hat zwischen 8 und 10 Millionen Dollar gekostet) und bieten uns eine attraktive Schlachtplatte mit Sex und Gewalt. Doch wo bei Game of Thrones die Philosophie hauptsächlich im Weinglas von Tyrion zu finden ist, macht Westworld mit künstlicher Intelligenz und allen damit verbundenen Implikationen ein dermaßen großes Fass Mindfuck auf, dass ich immer noch wahnsinnig lachen und dabei masturbieren muss.

Eine wahrlich GÖTTLICHE Serie. Schon die Opening Credits mit Uber-3D-Drucker und Piano sind für mich pure Gänsehaut.

Aber worum geht es überhaupt in Westworld?

Wer genau hinsieht kann in einer Folge der Serie einen ausrangierten „Yul Brynner“ rumstehen sehen.

Wer den 1973er Film von Michael Crichton kennt, wird bald merken, dass Westworld zwar auf demselben Grundprinzip basiert, jedoch einige riesenhafte metaphysische Schritte weiter geht. Ich erinnere mich noch genau daran, dass sich im „Freizeitpark“ der Film-Westworld schießwütige Revolverhelden ausleben konnten, indem sie auf lebensechte, aber harmlose Roboter-Cowboys schossen. Doch natürlich gab es irgendwann die zu erwartende Fehlfunktion in verschiedenen Schaltkreisen, die dafür sorgte, dass Haupt-Roboter Yul Brynner Amok lief und mit scharfer Munition schoss. Ab dieser Filmminute erhielt der alte Westworld eine dedizierte Terminator-Note, die nach Zer-Ätzung des Robotergesichts von Yul und resultierender Wärmesicht auch noch einen netten Schuss Predator erhielt.

Doch dermaßen plump, möchte ich im Vergleich fast sagen, kommt die HBO-Serie nicht daher. In 10 langen Episoden erleben wir, wie zahlende Gäste per Eisenbahn in ein „Spiel-Areal“ der realistischen Extraklasse gefahren werden. Hier können gestresste Manager kurz vor dem Burnout und andere Adrenalin-Junkies mal so richtig den Kasper aus dem Sack lassen. Alles ist erlaubt. Töten, vergewaltigen, saufen und brandschatzen – völlig Latte, sind ja nur Roboter. Westworld zeigt seinen Besuchern ihr wahres „ich“. Und schon bald wird dabei klar, dass nicht nur Robotern die Schaltkreise durchbrennen können.

Dementsprechend ist der wahre Schrecken des Geländes, nicht wie beim alten Westworld ein durchgeknallter Yul Brynner mit schwerem Ausnahmefehler, sondern ein schwarzgekleideter, menschlicher Bandit, gespielt von Ed Harris. In der Serie verschwimmen die Grenzen von Tugend und Moral schneller als ihr einen Revolver abfeuern könnt. Und das alles unter der Aufsicht eines weißhaarigen Dr. Robert Ford (Anthony Hopkins), dem als Gründer und „Regisseur“ von Westworld schon lange die Hauptsicherung rausgeflogen ist. Er zieht subtil die Fäden der verschiedenen Handlungsstränge und lebt dabei seinen Gottkomplex mit Wonne aus.

Die typischen Schießereien und Schlägereien des gewollt klischeehaften Wild West Settings machen eigentlich schon Laune genug, doch die philosophischen Tiefen der Serie, die mir teilweise wie Elektroschocks den Rücken hinunter getanzt sind, reihen Westworld für mich jetzt schon in die Top 5 der besten Serien aller Zeiten ein.

Als Dolores, gespielt von der zauberhaften Evan Rachel Wood, zu Beginn einer Folge im Bett die folgenden Zeilen sinnierte, hätte ich schon fast vor Ergriffenheit angefangen zu heulen:

“Some people choose to see the ugliness in this world, the disarray. I choose to see the Beauty. To believe there is an order to our days. A purpose. I know things will work out the way they’re meant to.”

Und ab da geht es nur noch mit wehenden Haaren bergab, immer tiefer ins Kaninchenloch. Dabei werdet ihr noch einmal Gänsehaut-Momente aus Bladerunner, Matrix oder Inception durchleben.

Einmal fragt ein neuer Gast des Parks in der Umkleide eine Bedienstete: Sind sie auch ein Roboter? Worauf hin sie nur antwortet: Spielt das eine Rolle? Dies ist ein weiterer der ersten Vorstöße in die noch viel profunderen philosophischen Abgründe, die Westworld für uns bereithält. Ihr werdet euch mit Fragen konfrontiert sehen, die so grundlegend sind und so relevant für euer eigenes Leben, dass ihr euch vielleicht ab und an überlegen werdet – so ging es zumindest mir -, ob ihr die Serie kurz stoppen wollt, um über das gerade Gesagte zu reflektieren.

Was ist Bewusstsein? Wo kann ich es finden?

Leben wir in einer Art Traum?

Was ist „Jetzt“? Kann man die Gegenwart überhaupt wahrnehmen? Denn wir können doch Dinge nur dadurch „sehen“, dass wir ein Bild aus unserer Erinnerung kramen. Ohne Erinnerungen könnten wir gar nichts einordnen oder „sehen“. Sind wir alle also nur die Summe unserer Erinnerungen?

Haben wir die Welt schon einmal so gesehen wie sie WIRKLICH ist?

Westworld ist ein Spiel. Was unterscheidet es grundlegend von der „realen Welt“? Ist die Welt draußen nicht im Grunde genau dasselbe Spiel?

Ich könnte jetzt immer weiter fortfahren. Schaut euch Westworld einfach an. Auch, wenn ihr keine Western-Fans seid. Leider spielt die erste Staffel wirklich nur im wilden Westen (Der Film hatte noch Römerzeit und Mittelalter zu bieten), was sich natürlich in der bereits für Anfang 2018 angekündigten 2. Staffel ändern könnte.

Doch die Komposition aus passender Musik, tollen Darstellern und den unzähligen Mindfucks macht Westworld einfach zu verdammt geilem Freitag-Abend-Rotwein-Material. Außerdem wird die Serie von Folge zu Folge immer besser und entlädt sich in den letzten beiden Folgen in einem absolut befriedigenden Finale aus KI-Katastrophe, Gewalt und noch mehr Mindfuck. Achso, und die Standard-HBO-Komponenten Sex und Gewalt bekommt ihr in jeder Folge kostenlos dazu.

Also ich schwärme gerade intensiv von Westworld und könnte mir die erste Staffel jetzt fast sofort noch mal reinziehen. Und vielleicht habe ich mich auch ein bisschen in Dolores verknallt. Shit, die ist doch ein Roboter. Aber spielt das eine Rolle, wenn ich sie nicht von einem Menschen unterscheiden kann? … und sie … gefühlsecht ist? *hust*

Über Thilo (1210 Artikel)
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