Blogparade: Antiheld – Von Gothic Villain über Byronic Hero zum modernen Antiheld
Bei Frau Margarete habe ich gesehen, dass eine gewisse Miss Booleana im Rahmen einer Blogparade gerne ein paar Antihelden um die Ohren geschlagen hätte. Warum nicht, da kenne ich mich sogar ein bisschen aus. Und Zeit bis zur „Abgabe“ ist auch noch: 23.07.2016. Aber ich hätte es auch geschafft, wenn es morgen wäre – Alles eine Frage der Reflexe. Aber dazu später mehr.
Eigentlich juckt es mir ja in den Fingern ein wenig zu klugscheißen und etwas zur Herkunft der Antihelden in der Literatur zu erzählen. Denn in meiner Abschlussarbeit Gothic Villains und ihre Funktion in ausgewählten Schauerromanen 1764-1820 habe ich damals unweigerlich die frühe Genese und Grundsteinlegung der Antihelden durch die Gothic Villains mitverfolgen können. Diese „gotischen Bösewichter“ haben auch nach ihrer Blütezeit die Darstellung von Schurkenfiguren in Literatur und Popkultur nachhaltig beeinflusst. Viele ihrer amoralischen Charakterzüge und selbst ihr teilweise dämonisches Aussehen haben sie im 19. Jahrhundert an den „Byronic hero“ weitervererbt. Ein gutes Beispiel dafür ist Emily Brontes Heathcliff aus Wuthering Heights, dessen wölfische Züge und trotzige Haltung zu Gott und der Welt ihn nicht gerade zu einem strahlenden Paladin für das Gute machen.
Und obwohl sie nicht perfekt sind, ganz im Gegenteil, sogar einige „Leichen“ im Keller verstecken, sympathisieren wir mit ihnen. Eben weil sie nicht perfekt sind. Eben weil sie manchmal morgens aufstehen und der Welt geradeaus in die Fresse schlagen könnten. Sowas ist menschlich und in sowas kann sich jeder reinversetzen.
Betrachten wir, wie sich das Erbe der gotischen und byronischen Helden in der heutigen Popkultur personifiziert, dann finden wir z.B. einen bekannten Fledermausmann, der durch seine düstere und unbewältigte Vergangenheit zu einem klassischen Antihelden wird. Batman möchte eigentlich das Gute für seine Stadt Gotham, wandelt jedoch trotzdem als Außenseiter in ihren Schatten und bedient sich bei der Verbrecherjagd Methoden, die moralisch bestenfalls fragwürdig sind. Und doch fiebern wir mit dem dunklen Ritter mit, weil er einfach interessanter ist, als der strahlende Paladin-Held mit blütenreiner Weste.
Doch warum müssen Antihelden so häufig innerlich zerrissen, von ihren eigenen Dämonen geplagt und als Kinder gehänselt worden sein? Zeit für etwas Heiterkeit unter den Antihelden!
Deshalb möchte ich zur Sammlung von Miss Booleana einen ulkigen und humorvollen Antihelden beisteuern, der sich in seinen Abenteuern nicht einer dunklen Gabe oder seines blanken Zorns bedient, um seine Widersacher auszuschalten, sondern lediglich durch gute Freunde und eine anständige Portion Glück über die Runden kommt. Please welcome:
Jack Burton (Kurt Russell in Big Trouble in Little China, Film)
Also, wer Big Trouble in Little China, diese trashige Persiflage auf Fantasy-, Eastern- und Abenteuerfilme allgemein von 1986 nicht kennt, sollte diese Nerd-Wissenslücke schließen und sich den Film sofort für einen Apfel und ein Ei bestellen.
Wenn ich mich noch richtig an das Bonusmaterial erinnere, wurde John Carpenter zu diesem scheußlich schönen Werk mit popkulturellem Einfluss ganz banal bei einem Spaziergang durch China Town inspiriert. So einen plötzlichen Inspirations-Flash kann ich jedoch nur allzu gut verstehen, denn wenn ich irgendwo – und sei es auch nur in einem japanischen Garten – asiatische Architektur sehe, dann drehen da in meiner Fantasie sofort irgendwelche Ninjas ihre Saltos auf den Dächern. Ich denke mal, das geht jedem so, der damals mit Ninja-Filmen und anderen mystischen Eastern aufgewachsen ist.
Doch neben Kung Fu, blitzezüngelnden Special Effects und Gummimonstern hat Big Trouble in Little China besonders den Fernfahrer und Antihelden Jack Burton zu bieten – Ein vermutlich ungewollter Geniestreich Carpenters Kurt Russell mit dieser Hauptrolle auszustatten.
Wie sich Jack mit himmelschreiender Inkompetenz und flachen Sprüchen von einer haarsträubenden Situation in die nächste rettet, ist… ja, genau das, haarsträubend! Und doch hat er im richtigen Moment einen lichten, geradezu kristallklaren Moment. Den untoten, aber kurzzeitig Fleisch gewordenen Obergeist mit einer zackigen Bewegung des Handgelenks auszuschalten ist eben einfach eine Frage der Reflexe. Aber ich möchte gar nicht mehr zu viele Worte über Jack verlieren, denn dieser Artikel ist schon viel länger geworden, als ihm gut tut.