Blogparade: Meine Top 10 Obsessionen während der 90er
Diese Liste brodelt schon länger in mir. Seit ich mit meinen Top 10 Obsessionen während der 80er zu einer Art Blogparade für alte Opis und Omis aufgerufen habe, brennt mir bereits das nächste Jahrzehnt unter den Nägeln. Die 90er waren nämlich nicht viel weniger awesome als die 80er, nur eben anders. Und da draußen die Sonne scheint und es viel vernünftiger wäre raus zu gehen, tippe ich lieber einen langen Artikel, um meine vornehme Nerd-Blässe nicht aufs Spiel zu setzen.
Aber was genau erschütterte die Welt eigentlich in den 90ern? In erster Linie erschütterte ein Beben lästiger Akne meine pubertierende Stirn und machte mich für das andere Geschlecht komplett unfickbar. Das und mein zartes Alter vielleicht. Zudem war meine wilde Lockenfrisur, von der heute noch nicht mal mehr eine leise Ahnung vorhanden ist, auch eher das Gespött auf den Schulhöfen. Obwohl ich im Rahmen der um sich greifenden Selbstfindung recht bald zur Metal Fraktion wechselte, war mir ein echtes, langhaariges Metaller-Dasein durch die seltsame Atomstruktur meiner Haare verwehrt. Ließ ich das drahtartige Gestrüpp wachsen, wurde der Turm einfach immer höher, bis ich mit meinem albernen Afro durch keine Tür mehr gepasst hätte. Ich hatte einfach nie den Nerv darauf zu warten, bis die Schwerkraft mir endlich eine schwingende Matte gegönnt hätte. Und dann hätte ich vermutlich trotzdem noch ausgesehen wie ein androgynes Männermodel nach 40 Packungen Volumenshampoo und Conditioner.
Doch ansonsten waren die 90er echt „cool“ und vor allen Dingen „geil“ in all seinen Abwandlungsformen wie „endgeil“, „affengeil“ oder „obertittenaffengeil“. Die Generation Golf versuchte sich mittels kreischender Modems das erste Mal in den digitalen Datenhighway namens Internet einzuwählen. Damals hieß das neue, unbekannte Wesen noch „AltaVista“ für mich und ich konnte es nur über einen Freund benutzen, der es jedoch schon mit revolutionärem „ISDN“ ansteuern konnte. Das war so aufregend! Da gab es zwei Sachen: Cheat Codes für Games und Pornos! Ich hatte aber auch wirklich lange genug zu Beverly Hills, 90210 und Tutti Frutti onanieren müssen.
Zwei Dinge sind in den 90ern jedoch komplett an mir vorbei gerauscht: Tamagotchis und Akte X. Letzteres bereue ich jedoch schon seit ich denken kann und sollte spätestens jetzt, mit dem Wiederaufleben der Serie, endlich mal diese (Nerd-)Wissenslücke schließen. Doch interessanter sind natürlich die 90er Trends, die nicht an mir vorbei gegangen, sondern, im Gegenteil, zu wahren Obsessionen für mich geworden sind.
Nach der unnötigen Vorrede über die schicksalshafte Beschaffenheit meiner Haare jetzt also endlich zu meinen Top 10 Obsessionen während der 90er:
Point & Click Adventures!
Legen Sie jetzt bitte Diskette 14 ein! In den 90ern hatte man noch Zeit. Aber lächerliche Ladezeiten oder Disketten-Wechsel-Orgien haben mich nie davon abgehalten bei Maniac Mansion Hamster zu grillen, bei Indiana Jones Lederjacken zu verkaufen oder bei Monkey Island Piranha Pudel zu füttern. Entweder bei Freunden oder am heimischen Amiga 500 haben wir die Scheiße aus den Lucasarts Adventures heraus generdet. Anders kann ich das nicht beschreiben. Natürlich könnte ich hier ewig von meiner pansexuellen Beziehung mit meinem Amiga 500 und einer durch Raubkopien immer größer werdenden Sammlung von Spielen fabulieren, doch die Point & Click Adventures sind rückblickend der wichtigste Teil dieser Epoche. Damals brauchten Games weder gute Grafik, noch einen Mehrspielermodus, um uns vollkommen zu faszinieren und dafür zu sorgen, dass wir uns auf dem Pausenhof in der Schule über nichts anderes unterhalten haben. Meine alberne Retro-Pixel-Liebe ist ein Relikt dieser Zeit.
Magic: The Gathering!
Für ein einziges Kartenspiel ein paar tausend DM (damals noch) ausgeben? Mit Magic the Sammelwahnsinn, kein Thema. Junge, was haben wir uns im Bonner Comicladen damals die Zeit um die Ohren geschlagen. Anfänglich noch mit turnierfähigen 40 oder 60 Karten-Decks gut unterwegs, musste es natürlich irgendwann das mehrere hundert Karten starke Highlander-Deck sein, in dem jede Karte, zwecks maximaler Abwechslung, nur einmal vorkommen durfte. Und natürlich waren Decks nur dann richtig schick, wenn die meisten Karten schwarzrandig, sprich keine hässlichen Reprints mit weißen Rändern, waren, was besonders bei den 40 Doppelländern eine Herausforderung darstellte. Da wir leider Alpha, Beta, Arabian Nights und Legends verpasst und erst zu 4th-Edition und The Dark eingestiegen waren, mussten wir uns Highlander-Must Haves wie die Library of Alexandria und andere mächtige Karten mit Blut und Schweiß ertauschen oder zur Not kaufen. Mein Herz blieb damals fast stehen, als ich meinen Rucksack, inklusive weit über 1000 DM-werten Highlander-Deck, in der Stadt an einem Fahrrad baumelnd hängen ließ und sorglos mit meinem Roller nach Hause knatterte. Doch es gab einen Gott: Meinen Kumpel Roland, der mir den vergessenen Rucksack hinter brachte. Puh.
Baywatch!
Ok, Baywatch ging mir am Arsch vorbei. Aber da gab es diese eine Rettungsschwimmerin, gespielt von Erika Eleniak, für die ich brav keine Folge verpasste. In meiner pubertierenden Fantasie lebten wir zusammen in einem dieser Holzhäuschen für Rettungsschwimmer am Malibu Beach, in dem mich die blonde Göttin rund um die Uhr um den Verstand ritt. Wahrscheinlich hätte dieser Punkt statt „Baywatch“ auch „pubertierende Überdruck-Fantasie *insert hot 90s lady here*“ heißen können. Denn im Grunde vergötterte ich auch Sophie Marceau, Shannen Doherty und vermutlich noch eine Handvoll anderer Hotties, die mir jetzt nicht mehr einfallen. Erika hatte einfach den Vorteil, dass sie berufsbedingt immer im Badeanzug rumlaufen musste…
Basketball!
Die Chicago Bulls, Michael Jordan und Basketballkarten sammeln. Unglaublich, dass das mal ein wichtiger Teil meines Lebens war. Doch neben Kendo, später in der Uni, ist Basketball der einzige Sport, den ich mal richtig gut konnte. Da ich allerdings mit 1,83 zwar kein Winzling war, jedoch auch nicht die typische Basketballer-Größe von 1,90-3,20 hatte, war ich auf gute Distanzschüsse, Korbleger und Dribbling angewiesen. Deshalb konnte ich nach einigen Jahren Street Ball den Ball beim vorwärts oder rückwärts gehen flüssig durch meine Beine titschen lassen, um es meinen Gegnern nahezu unmöglich zu machen, den Ball zu stehlen. Als ich das neulich noch mal draußen auf der Straße versucht habe, hätte ich fast einen Verkehrsunfall verursacht. Man wird alt und steif.
Herr der Ringe!
Als ich Herr der Ringe das erste Mal las, fiel dies mit vielen anderen mystischen ersten Malen zusammen. In der Schule verschaffte ich mir die ersten zarten Englischkenntnisse, so dass ich den Lord of the Rings sofort so lesen konnte, wie Gott es gewollt hatte: Im elbischen… äh, englischen Original. Durch die erst langsam bröckelnde Sprachbarriere wurde jede Zeile in meiner neuen Bibel noch mal mystischer, verwunschener und Pathos-geladener als sie ohnehin schon war. Zur selben Zeit wurden regelmäßige Kneipenbesuche nach der Schule mit dem obligatorischen Philosophieren über die Welt bei einem irischen Bier zur liebgewonnen Gewohnheit. Stundenlang vertieften wir uns in Mittelerde und Kilkenny und beteuerten nach 5 Pints immer wieder gerne, dass es sich für die epische Sache auf dem Schlachtfeld zu sterben lohne. Damals entstand auch der innige Wunsch sich den einen Ring aus Gold schmieden zu lassen und mit wenigen Auserwählten einen exklusiven Nerd-Klub zu gründen. Nur leider wurde unser Ansinnen einige Jahre später, als wir endlich die nötige Kohle dafür gehabt hätten, durch eine Massenproduktion im Rahmen von Jacksons Fellowship seines Reizes beraubt.
Dungeons & Dragons!
Bier trinken und Fantasy Bücher wie Herr der Ringe lesen ging natürlich noch mit einem anderen Hobby Hand in Hand: Pen & Paper-Rollenspiel. Eigentlich müsste dieser Punkt Das Schwarze Auge heißen, denn damit hatte alles bei mir angefangen. Fulminictus Donnerkeil, schlage drein wie Axt und Beil! Doch das „deutsche D&D“ wurde schnell abgelöst durch das damals angesagte Original Advanced Dungeons & Dragons, welches sich zu einer Obsession mauserte. Mit guten Freunden, Pizza und Snacks auf den Spuren von Drizzt, Elminster und Jander Sunstar zu wandeln war einfach das Größte für uns. Rollenspiel ist auch das einzige Hobby der 90er, welches sich bis heute in meinem Leben gehalten hat. Und das spricht schon sehr deutlich für die Zeitlosigkeit dieser wunderschönen Art von „Geschichten erzählen und Würfeln“.
Blind Guardian!
Und dann gab es für Saufen und Fantasy natürlich noch die passende akustische Untermalung von Bands der Stilrichtungen Fantasy Metal, Epic Metal, Black Metal, Viking Metal, Speed Metal, Power Metal und was sich sonst noch so an Poser Metal finden ließ und gut zum Spalten von Ork-Köpfen passte. Iron Maiden, Running Wild, Halloween, Manowar, Black Sabbath und wie sie alle hießen, waren unsere ständige Beschallung und Inspiration für das tägliche Leben. Doch von keiner Gruppe hatte ich so schnell alle CDs wie von Blind Guardian. Das lag einerseits natürlich an den melodisch gezupften E-Klampfen, doch besonders auch an den Fantasy Themen mit starkem Tolkien-Einschlag. Im Bereich Metal konnte uns einfach niemand so schön nach Mittelerde oder Walhalla kreischen wie Hansi und seine blinden Wächter. Folgerichtig war Blind Guardian auch mein erstes Rockkonzert, damals im Kölner E-Werk.
Jurassic Park!
Die 90er waren auch filmtechnisch für mich eine magische Zeit. Deswegen haben es sogar gleich 3 Filme auf die letzten Plätze meiner 90er Obsessionen-Liste geschafft. Den Anfang macht Jurassic Park, der für mich als Dino-Lover seit Kindheitstagen eine Offenbarung darstellte. Noch nie waren Computereffekte so realistisch und ließen mich glauben, dass es tatsächlich einen Park mit echten Dinosauriern gibt! Wenn ich mich recht entsinne, war ich sogar mit meiner ersten Freundin im Kino und durfte Händchen-haltend dabei zuschauen wie Kinder, von Raptoren gejagt, um ihr Leben rannten. Wunderschön. Doch anstatt rumzuknutschen, war ich zu gebannt von den Riesenechsen aus einem Land vor unserer Zeit. Und wenn ein Pubertierender über einen Film seine erste Möglichkeit zum Koitus aus den Augen verliert, dann will das schon was heißen. Forever alone.
The Crow!
Oh mein Gott, habe ich diesen Film oft geschaut. Ich weiß eigentlich gar nicht mehr genau warum. Denn obwohl ich stark mit der schwarzen Romantik und den Goths sympathisierte, war ich immer Lichtjahre davon entfernt mir das Gesicht zu einem Totenschädel zu schminken. Dafür war ich dann wohl doch zu lebensbejahend und albern. Doch dieser Dark Fantasy Film mit seinem tragischen Antihelden auf klassischem Rachefeldzug hatte es mir einfach mördermäßig angetan. Wahrscheinlich war es eine Kombination aus meiner eigenen rebellischen Phase, dem Sympathisieren mit dem Einzelgängertum, diesem mega geilen Burn Song von The Cure und den atmosphärischen, düsteren Bildern. Und es hat auch einfach ganz banal Spaß gemacht und mich mit einer diabolischen Freude erfüllt Eric Draven dabei zuzuschauen, wie er als untoter Henker die Mörder seiner Frau massakriert. Und die Tatsache, dass er nur durch diese magische Krähe unsterblich war, bescherte einem D&D Freak wie mir natürlich einen Nerdgasm nach dem nächsten. Eigentlich würde ich mir den Film gerne noch mal anschauen, doch ich befürchte, dass er mir aus heutiger Sicht überhaupt nicht mehr düster und im schlimmsten Fall schlecht und albern vorkommen könnte. Vielleicht ist es besser, wenn die Krähe diesen Toten nicht ausbuddelt…
The Matrix!
Es gibt keinen Löffel! Kein Film hat, nicht nur die 90er, sondern mein ganzes Leben so verändert wie “The Matrix”. Plötzlich war unser Lieblingsthema im Irish Pub nicht mehr Herr der Ringe oder Titten, sondern ob das beides überhaupt real ist. Damals wusste ich noch nichts von Simulation Theory, Quantenmechanik oder Daoismus. Vielleicht war es deswegen auch so spannend sich Matrix zum gefühlt tausendsten Mal anzuschauen und dann einen ganzen Nachmittag über alle möglichen Implikationen zu sinnieren. Doch ich werde nie mein erstes Mal Matrix im Kino vergessen. Ich hatte im Vorfeld nichts über den Film mit Neo, Trinity und Morpheus gehört und mümmelte mein Popcorn in der naiven Erwartung vor mich hin nur irgendeinen Scifi-Thriller mit Keanu Reeves vor mir zu haben. Doch als Neo auf den Feldern der Maschinen erwachte, durchfuhr mich ein nie gekannter Schauer des Entsetzens und es war, als wäre ich gleichzeitig mit ihm aus dieser Realität erwacht. Ich wusste, dass ich die Welt und die Realität nie mehr mit unschuldigen Augen betrachten können würde. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Was ist Realität? Glaubt ihr, dass das Luft ist, die ihr da gerade atmet?
So, dass waren meine Top 10 Obsessionen während der 90er.
Jetzt seid ihr dran!
Was waren eure brennendsten Leidenschaften in den 90ern?
Ich bin mehr als gespannt und erhoffe mir eine ähnlich rege Teilnahme wie bei der 80er Blogparade. Schickt euer Hirn für mich in die Vergangenheit! 🙂