AUF DIE KNIE und Preacher schauen!

© AMC

Manchmal, wenn die Leute nicht spuren, packe ich meine böse Heavy Metal-Stimme aus und wiederhole meine Wünsche noch einmal in infernalem Kommando-Ton.

Leider hat das nicht denselben Effekt wie bei Jesse Custer, der damit jedes Wesen im Universum nach seiner Pfeife tanzen lassen kann. Sprichwörtlich. Nackt und mit Pudding beschmiert, wenn er es möchte. Denn genau das ist die Story des Vertigo-Comics von Garth Ennis und Steve Dillon, die Seth Rogen so nett war für den Sender AMC in Serienform zu gießen:

Jesse Custer (Dominic Cooper) ist ein kettenrauchender Alkoholiker, der versucht als Prediger durchzustarten, um seine eigenen Sünden und die seiner Mitmenschen zu läutern. Praktischer Weise nutzt das übernatürliche Wesen „Genesis“, ein Produkt heißen Engel-Teufel-Kopulierens, Jesse als neuen Wirt und verleiht ihm dadurch gottgleiche Kräfte. Fortan kann er jedem Wesen, ganz gleich ob sterblich oder unsterblich, befehlen, was auch immer er möchte. Dabei klingt seine Stimme dann ein bisschen wie die eines verzogenen Kindes, welches das Echo-Mikrofon von Snake Mountain aus den 80ern benutzt.

Während er versucht nur die richtigen Leute zur Selbstverstümmelung zu zwingen, stehen ihm für moralische Fragen seine Ex-Gangster-Freundin Tulip (Ruth Negga) und der drogensüchtige Vampir Cassidy (Joseph Gilgun) zur Seite.

Und damit ahnt ihr dann spätestens, was der ironische, oft sarkastische Grundton der Serie ist. Die Charaktere, die hier so action- und temporeich Abenteuer zwischen Himmel und Hölle erleben, könnten so auch, mit einem Schwall Blut, aus der Feder von Quentin Tarantino gespritzt sein. Zwar hebt Preacher nicht ganz so brachial das Multiversum aus den Angeln wie Rick & Morty, aber ich habe die comicartige Überzeichnung von allem und jedem sehr genossen.

Herr Star (rechts) von der gestörten Geheimorganisation “Gral”. © AMC

Allerdings muss man sich darauf auch einlassen können. Dass, der Vorlage entsprechend, alles auf seine rudimentärsten, kleinsten Nenner reduziert wird, erlaubt es den Machern wunderbar mit Bildern und Klischees zu spielen: Gott ist der sprichwörtliche alte, weiße Mann mit Bart, der Teufel der sadistische Seelen-Auspeitscher mit roter Haut und Hörnern und die Hölle ein „unterirdischer“ Riesenknast, in dem sich Hitler und andere böse Seelen in erster Linie totlangweilen.

Doch wer das als Grundprämisse stehen lassen kann, wird einen herrlich kranken Road Trip mit religiösem Terror, Johnny Cash und überraschend viel positivem Feminismus erleben, der eigentlich jede Staffel besser wird. Wenn ich die drei Seasons kurz zusammenfassen müsste, wären das wohl die Überschriften:

Staffel 1: Der Prediger „versucht“ seine Macht für das Gute zu nutzen.

Staffel 2: Gott ist abgehauen – Road Trip, um ihn zu wieder zu finden.

Staffel 3: Crazy Voodoo Shit.

Dabei lebt Preacher in 33 Folgen in erster Linie von seinen wirklich abgedrehten Charakteren.

Überraschender Weise hat es bei mir recht lange gedauert, bis ich mit dem Hauptcharakter warm geworden bin. Preacher Jesse macht teilweise derart stoffelig von Genesis Gebrauch, dass ich ihn am liebsten geohrfeigt hätte. Aber er wird besser und auch irgendwie sympathischer.

Dafür ist seine Ex-Schnalle Tulip wirklich eine Wucht. Sprichwörtlich! Denn diese Wucht bekommt jeder Mann schneller in Bauch, Gesicht oder Weichteile, als er „nö“ sagen kann. Sie ist so eine Art Bonny, die keinen Clyde braucht. Wer auf starke Frauen steht, wie ich, wird seine helle Freude an der kompromisslosen und schießwütigen Gangsterbraut haben.

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Doch der beste Charakter, der die Serie von Anfang an trägt, ist natürlich der irische Vampir Cassidy. Seine gechillte Art mit allem umzugehen, ist dabei zur Hälfte der Langweile seines 119-jährigen Lebens und zur Hälfte seines ausufernden Drogenkonsums geschuldet. „Wenn Du so lange lebst, säufst Du auch Kühlmittel, um mal was Neues zu erleben“, wäre ein passendes Zitat von ihm. Die Langeweile scheint allerdings auch schon sein Hauptnachteil als Vampir zu sein. Denn Bluttrinken ist für ihn eher optional und hilft ihm in erster Linie beim schnellen Heilen, wenn er sich mal wieder zerlegt hat. Viel lieber trinkt er alkoholische Getränke oder andere flüssige Drogen. Tageslicht ist auch kein Problem, so lange er direktes Sonnenlicht mit einem Schirm meidet.

Das Beste an Preacher war für mich Cassidys Zusammentreffen mit dem Vampir Eccarius und seinen Groupies „Les Enfants du Sang“. Hier hat Seth Rogen die Comicvorlage verlassen und etwas mit Interview mit einem Vampir-Anleihen aufgepeppt. Also, wen Eccarius nicht neumondklar an Antonio Banderas‘ Armand erinnert hat, wird sich jetzt vermutlich gerade vor die Stirn schlagen. Einige der witzigsten Szenen, die ich nicht spoilern möchte, drehen sich darum, wie der ältere Eccarius dem jüngeren Cassidy seine besonderen Kräfte zeigt. Ich konnte nicht mehr.

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Also, wer Preacher, wie ich, bisher nicht gesehen hat, dem kann ich nur raten die drei kurzen Staffeln nachzuholen. Leider hat, soweit ich weiß, die 4. Staffel immer noch kein grünes Licht vom Sender bekommen. Doch wenn die 3 Bekloppten noch mal durch Bars, Hexenhütten und Sektenhauptquartiere zögen, wäre ich wohl wieder auf dem Rücksitz; dort, wo mich die Gedärme nicht so schnell treffen.

Über Thilo (1200 Artikel)
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