Buchempfehlung: Am Ende aller Zeiten von Adrian J. Walker
Ich war selbst überrascht, als mir klar wurde, dass Am Ende aller Zeiten von Adrian J. Walker mein erster dystopischer Roman ist. Doch wieso ich bisher jungfräulich durch die Welt der Endzeit-Literatur gestolpert bin, ist mir ein Rätsel. Besonders, da mich die verschiedenen Szenarien einer möglichen Postapokalypse doch eigentlich sehr faszinieren.
The End of the World Running Club, wie der etwas passendere, aber auch leicht spoilerische, englische Originaltitel lautet, hat mich nun aus dieser ignoranten Haltung aufwachen und zu einem glühenden Fan des Genres werden lassen. Und zu einem treuen Jünger von Adrian J. Walker.
Der Roman ist ein spannendes Endzeit-Roadmovie mit liebenswerten und glaubwürdigen Charakteren. Die Geschichte der Asteroideneinschläge, die die Welt ins Chaos stürzen, ist eigentlich eher zweitrangig für die Faszination, die von diesem Roman ausgeht. Es sind eher die Charakterkonstellationen, die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Abgründe der menschlichen Seele, die Am Ende aller Zeiten zu einem „Page Turner“ machen. Stephen King müsste eigentlich ein großer Fan sein.
Als treuer Angestellter und Familienvater in handfester Midlife Crisis begibt sich Edgar Hill auf eine abenteuerliche Reise durch ein zerstörtes England, um seine Familie wiederzufinden und dabei körperlich und mental ein neuer Mensch zu werden. Dabei erleben wir die Handlung größtenteils in einzelnen Episoden und Situationen, die teilweise so eindringlich, grauenvoll und grotesk sind, dass sie an einen Tarantino-Film erinnern.
Doch der wahre Wert des Buches schimmert unter der Oberfläche wie ein Diamant im dreckigen Abwasser der Postapokalypse und wird erst im Verlauf des Buches immer greifbarer. Natürlich bieten sich die abendlichen Lagerfeuer inmitten der Ruinen menschlicher Zivilisation ohnehin für philosophische Exkurse an, die uns den Sinn unserer Hamsterräder hinterfragen lassen. Doch das Buch endet mit einer derart profunden spirituellen Packung, dass die fernöstliche Lehre dahinter, mit Verlaub, am Mainstream-Leser vorbei gehen wird; nicht jedoch ohne diesen ebenfalls den einen oder anderen Moment des „Erwachens“ zu bescheren.
Für mich persönlich ist dieser Roman sogar eine Art Offenbarung, denn seine Prämisse beschreibt verblüffend akkurat meine eigene Lebenssituation und hätte fast von mir geschrieben werden müssen.
Auf Fischer Tor hat Adrian Walker erzählt, wie es dazu kam, dass er diesen Roman über das Laufen, Vaterschaft und die Postapokalypse geschrieben hat. Bei derart vielen autobiografischen Zügen wundert es nicht, dass Am Ende aller Zeiten aus der Ich-Perspektive geschrieben ist. Edgar Hill IST Adrian J. Walker.
Und ich bin beide.
Als junger Familienvater in ähnlichem Alter, kämpfe ich ebenfalls schon länger mit meiner körperlichen und geistigen Faulheit. Genau wie Adrian J. Walker versuche ich durch „Laufen“, sowohl körperlich, als auch spirituell, irgendeinen „Sinn“ aus dieser Welt zu extrahieren. Dabei bin ich schon vor längerer Zeit an einem hellen Punkt angekommen, der mich inmitten der Matrix menschlicher Illusionen die wichtigen Dinge erkennen lässt. Vermutlich habe ich auch deswegen vor kurzem meinen Job gewechselt, um, wie Adrian, endlich auf die hoffentlich richtige Stimme zu hören.
Trotzdem war es erfrischend und spannend mit Mister Walker noch einmal durch das dunkle Tal einer scheinbar zerstörten Welt zu wandeln, um gemeinsam mit ihm und unter seinen Bedingungen das Licht wieder zu finden. Meine eigene Weltanschauung durch ihn bestätigt und in interessante Worte eines dystopischen Romans gekleidet zu sehen, hat mich mit einem Gefühl der Liebe und der Verbundenheit zurück gelassen. Nicht nur mit ihm, sondern auch mit dem, was wir als Menschheit sind.
Danke dafür!
Klare Leseempfehlung und sei es neben aller Tiefgründigkeit auch nur, um an einem apokalyptisch-verregneten Nachmittag die Zeit mit einem witzigen und gleichzeitig dramatischen Spannungs-Roman zu verbringen.
Und das sage ich als fanatischer Anglist über eine Übersetzung! Da haben die Übersetzerinnen Nadine Püschel & Gesine Schröder einen wirklich guten Job gemacht.