CCXP 2019: Gute ComicCon – Schlechte RPC
Ich glaube, ich habe noch nie eine so treffende Überschrift verfasst. Eigentlich müsste sonst nicht viel dazu gesagt werden, doch ein paar bebilderte Gründe für meine Behauptung möchte ich natürlich schon liefern.
Zunächst fuhr ich am Samstag noch bester Dinge mit dem letzten mittelalterlichen Fortbewegungsmittel, der deutschen Bahn, von Bonn nach Köln zur Messe. Im Zug verriet mir der Anblick einiger Cosplayer, dass ich auf dem richtigen Gleis in den Zug gestiegen war. Schon mal gut gelaufen. Außerdem konnte ich sehr nette Pen & Paper-Gespräche mit Olaf führen (und seiner Begleitung), der in diesem T-Shirt steckte:
Wir hatten gegenseitig unsere Nerd-Shirts für „knorke“ befunden und damit den Grundstein für alles weitere gelegt. Das war eine schöne Einleitung für das familiäre und nerdige Miteinander, auf das wir zufuhren. Doch nachdem wir angekommen und mit dem Shuttlebus zum Nordeingang kutschiert worden waren, bekam meine Euphorie erst mal einen kleinen Dämpfer.
Habe ich letztes Jahr noch von der geilsten Fantasy-Messe Deutschlands gesprochen, so muss ich dieses Jahr leider feststellen, dass sich meine Herzens-Messe in etwas anderes verwandelt hat. Die Organisatoren hatten doch versprochen, dass die RPC erhalten bliebe und nur um den „ComicCon“-Teil erweitert würde! Es sollte sowas wie eine Fusion sein. Doch leider ist mein Lieblingsteil dabei etwas auf der Strecke geblieben; geradezu verkümmert.
Zunächst muss ich aber verteidigend sagen, dass es lange nicht so schlimm war, wie ich durch einige Aussagen zu fürchten begann. Da flogen jede Menge faule Äpfel und Eier durch die sozialen Netzwerke und emotionale Reaktionen verfestigten sich zu einer immer größeren Gewitterwolke des Unmuts. Der Neon Zombie schrieb auf FB sogar „Die Role Play Convention ist aber tot“ und postete dazu ein Foto, dass nur eine Handvoll Buden des Mittelaltermarktes zeigte. Da ich da war, kann ich sagen, dass im Rücken des Fotografen noch ca. 10 weitere Buden zu finden waren.
Trotzdem kann ich diese Darstellung und emotionale Reaktion durchaus verstehen. Denn auch ich fragte mich:
Wo ist die RPC, wie ich sie in Erinnerung habe?
Philippe, wie ich ein Urgestein auf der RPC, erklärte mir irgendwas von Löschzügen, die alle Buden gut erreichen können müssten. Und warum das „unter der Brücke“, dem angestammten Platz des Mittelaltermarkts, besser ging. Ich habe es nur halb verstanden. Trotzdem hätte man die Hallen sicher anders planen und belegen können. Denn die deutlich weniger Buden standen auf dem großen Platz zwischen zwei Hallen so weit auseinander, dass kaum dreckig-kuschelige Mittelalter-Atmosphäre aufkommen wollte. Da konnte einem der einsam hämmernde Schmied in seinem Zelt schon leidtun.
Wenigstens hatte es eine gemütliche Taverne mit Blick auf den einzigen Fleischverkäufer. Und als ich erst mal das heilige Schild des Odin erspäht und mir ein Honigbier in den Balg geschüttet hatte, sah die Welt gleich ganz anders aus.
Trotzdem schmerzte gerade das Fehlen der Bühne. Keine Dudelsack- und Klampfen-Laute zum Mümmeln meiner Nackensteaks? Kein Jan Hegenberg? Keine besoffen grölende Menge im Feuerschein? Undenkbar eigentlich. Aber leider passiert.
Hinzu kommt, dass auch in den Hallen die Themen Pen & Paper, LARP und Tabletop deutlich weniger Beachtung fanden. Stattdessen diente eine der beiden Hallen fast komplett Ausstellung, Werbung und Merchandise, wie ich es auf deutschen ComicCons erlebt habe. Nicht, dass das schlecht gewesen wäre. Es waren sehr nette Ausstellungsstücke zu begutachten und alles war sehr gut organisiert.
Aber für mich gehen Fantasy, Rollenspiel und Mittelalter Hand in Hand… in Hand. Diese Kombination hat für mich den unverwechselbaren und immer weiter gereiften Reiz der RPC ausgemacht. Doch leider wurden diese Komponenten zu Gunsten der typischen ComicCon-Elemente deutlich zurückgefahren. Wo waren die ganzen Tabletop-Bauten? Wo waren die Jugger? Wo mein geliebter Predator Clan? Und welcher Riese hat über die Hälfte der Hütten des Mittelaltermarkts zerstampft?
Aber ja, ich gestehe, dass dies meine persönliche Präferenz ist, und für nicht-Rollenspieler und Fantasy Freaks dieser Couleur, die Messe natürlich trotzdem einiges zu bieten hatte. Es ist nicht so, dass ich mich in die Ecke gesetzt und geheult hätte. Ich hatte meinen Spaß. Deswegen möchte ich fairer Weise den Artikel auch mit der positiven Seite der CCXP beschließen und ein paar Fotos vom Stapel lassen.
Was die CCXP gut gemacht hat
Für mich machte die gesamte Messe einen aufgeräumteren und professionelleren Eindruck als die RPC. Es gab viel Platz, um zwischen den Ständen zu schlendern, und das pompöse Thunder Theater ist sicherlich ein Highlight der CCXP.
Als junger Vater fand ich auch verschiedene Möglichkeiten Kleinkinder zu bespaßen nicht schlecht.
Die verschieden Ausstellungen zu Superhelden, Harry Potter, Transformers oder Star Wars waren ebenfalls allesamt sehenswert, jedoch für mich schnell angehakt. Als RPC-Nerd kann ich einfach solchen ComicCon-Haltestellen weniger abgewinnen, als kleinen Händlern, Rollenspielverlagen oder Tabeltop-Bastlern, mit denen man wunderbar in Gesprächen versinken kann.
Wenigstens gab es an einem gigantischen Ulisses-Stand, beim Probespielen von Truants deutschem Witcher-Rollenspiel und in der Künstler- bzw. Autoren-Meile einige Gelegenheiten für befriedigenden Nerd-Plausch.
Auch die Cosplayer waren wieder göttlich, wenn auch, gefühlt zumindest, deutlich weniger zahlreich als auf den RPCs der vergangenen Jahre.
Beachtlich fand ich die intensive Ghostbusters-Präsenz auf der Messe. So viele Jahrzehnte nach der Veröffentlichung von Ghostbusters (1984) gibt es immer noch so viel Spielzeug, Cosplayer und Fan-Gruppen zu den Filmen.
Doch mein absolutes Highlight der CCXP: Rotten Raptor
Während auf einem der zwei Außenbereiche ein schlecht sortierter Mittelaltermarkt in der Hitze vor sich hin flimmerte, wurde man auf dem anderen direkt in eine Post-Apokalypse der Marke Mad Max: Fury Road gebeamt.
Was die Endzeittruppe Rotten Raptor da an Fahrzeugen, Kostümen und Equipment aufgefahren hatte, war wirklich beindruckend und sorgte für eine geile Endzeit-Atmosphäre.
Mein Fazit zur CCXP
Da geht noch was.
Das, was geboten wurde, konnte sich sehen lassen. Aber da sich in den letzten Jahren ein RPC-Publikum aus Mittelalter und Rollenspiel-Nerds etabliert hat, war es nicht unbedingt weise, an genau der Stelle mit der großen Heckenschere zu beschneiden.
Und es schien ganz so, als hätten die meisten RPC-Veteranen dem neuen Konzept der CCXP gar nicht erst eine Chance gegeben. Dass am Donnerstag tote Hose auf dem Gelände war, wundert mich nicht sonderlich. Bin mir nicht sicher, was die Organisatoren mit einem derart frühen Starttermin, mitten in der Woche, wo die meisten noch arbeiten gehen müssen, bezwecken wollten. Selbst die GamesCom benutzt den Donnerstag nur als Fachbesuchertag.
Aber selbst am goldenen Samstag, als ich zugegen war, kamen mir die Gänge der Messe häufig sehr leer vor. Gut erkennbar an den verschiedenfarbigen Umhänge-Kärtchen hatte ich das Gefühl mich fast nur mit den Publikumsarten „Creator“ (z.B. Youtuber und prätentiöse Blogs wie ich), „Press“ oder „Staff“ zu unterhalten. Also mit Leuten, die kostenlos auf der CCXP sein durften. Wage ich zu fragen, wieviel die CCXP eingenommen hat?
Hinzu kommt, dass ein deutlich höherer Eintrittspreis sicherlich die RPC-Liebhaber verschreckt hat, nachdem auf Social Media so viel Negatives über Mittelaltermarkt und Co gesagt wurde.
Außerdem wurde ja faktisch nicht immer dasselbe für den Eintrittspreis geboten. Natürlich waren Jason Statham und Idris Elba der absolute Knaller im Thunder Theater, doch eben nur an einem der 4 Tage. Da musste man schon sehr genau gucken, was man für sein Geld bekam.
Für die CCXP20, die anscheinend schon fest steht, würde ich als Veranstalter definitiv Konsequenzen ziehen. Gerade, wenn man neben einer zeitgleich stattfindenden Stuttgarter ComicCon bestehen möchte. Entweder man haut voll in die ComicCon-Kerbe und trennt sich von allen Altlasten. Was ich natürlich sehr schade fände. Oder man reaktiviert die RPC vollständig, mit allem, was sie ausgemacht hat.
Um dabei auch preislich erschwingbar zu bleiben, wäre eine Art Ticketschranke denkbar. Alle Käufer eines Tickets könnten die gute alte RPC besuchen und gegen Aufpreis gäbe es ein „Goldticket“, was zum Betreten von weiteren „ComicCon-Hallen“ mit Thunder Theater, Stars und Sternchen berechtigt. Keine Ahnung, wie gut sowas umsetzbar ist. Bin ja kein Messe-Event-Planer.
Aber die Jungs von der CCXP kriegen das bestimmt hin, da bin ich mir sicher. Zur Not sollen sie einfach ihr eigenes Buff Food löffeln:
Letztlich hatte ich meinen Spaß auf der CCXP, aber die gute alte RPC war es natürlich nicht mehr. Und wenn ich ganz ehrlich bin, wüsste ich auch nicht, ob ich nochmal wiederkäme, wenn die RPC so rudimentär bleibt oder sogar ganz verschwindet. Aber das ist mein persönlicher Geschmack als Vollblut-Rollenspiel-Nerd.