Dr. Strange ist eine Dimension für sich (Keine Spoiler)

Bild: Marvel

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10 von 10 Wunderkerzen

Ich verneige mich in Ehrfurcht vor Marvel und schaue mit einem flehentlich aufgerissenen Auge zu DC rüber. Ich habe gestern das Kino verlassen mit dem Gedanken „Wow, ich habe bei Dr. Strange dasselbe abenteuerliche Gefühl in der Magengrube wie nach Guardians of the Galaxy oder Deadpool“.

Marvel hat es mal wieder geschafft sich weit aus dem Fenster in fremde Dimensionen zu lehnen, ohne den Halt oder die Verbindung zum Rest seines Universums zu verlieren. Und trotz all meiner anfänglichen Bedenken bzgl. der Wahl der Schauspieler oder der Darstellung der Magie, kann ich Entwarnung geben. Marvel hat mal wieder einiges, wenn nicht alles, richtig gemacht. Doch in erster Linie hat Marvel etwas geschafft, was ich nicht für möglich gehalten hätte: Sie haben aus mir einen Benedict Cumberbatch Fan gemacht. Die Rolle des Sorcerer Supreme ist dem Mann wirklich auf den Leib geschrieben. Nicht nur äußerlich könnte ich mir niemand anderen in der Rolle vorstellen, auch seine Bandbreite an Charakterdarstellung war absolut überzeugend. Egal, ob er als arroganter Starchirurg, als gebrochener Mann und verlorene Seele oder als erwachter Magier agierte – er hat mich immer mitgerissen.

Die Handlung des Films ist eine Origin Story, die im Fall von Dr. Strange jedoch auch dringend nötig ist, um in den Charakter und die Welt einzuführen. Häufig empfinde ich Origin Stories als langatmig und teilweise fast überflüssig, da sie mich unnötig auf die Folter spannen. Doch durch die guten schauspielerischen Leistungen, nicht nur von Cumberbatch, ist der Film nie langweilig und erreicht eine angebrachte, dramatische Tiefe.

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Ansonsten ist Dr. Strange einfach eine geniale Mischung aus Action, Mystik und perfekten Special Effects, die an den richtigen Stellen mit dem typischen Marvel-Humor gewürzt ist. Wirklich großes Kino! Der Film spielt hingebungsvoll mit den aktuellen Erkenntnissen der Quantenphysik, dass sich die Welt in erster Linie in unseren Köpfen befindet, was zu den „Matrix-Inception-artigen“ Szenen führt. Diese machen jedoch im Erklärungsmodell der Magie absolut Sinn und verleihen dem Film seine ganz eigene, dimensionssprengende Optik. Parallel dazu gibt es noch glühende Runen und Licht-Gebilde, die mich mit ihrer Funkenflug-Optik ein wenig an verkettete Wunderkerzen erinnert haben. Und nicht zu vergessen sind die Trips in fremde Dimensionen, die wunderbar psychedelisch in Szene gesetzt sind und auf die ganze Drogenthematik zur Sinnenserweiterung anspielen. Oder anders: Wer sein drittes Auge geöffnet hat, kann ziemlich kranken Scheiss sehen…

Ich war verblüfft wie liebevoll und ehrfurchtsvoll Lehren, sowohl aus Buddhismus, als auch Hinduismus eingeflochten und von Tilda Swinton wunderbar erleuchtet zum Besten gegeben wurden. Ich für meinen Teil habe, trotz aller White Washing-Vorwürfe keinen alten Shaolin-Mönch mit Schnäuzer als Ancient One vermisst. Im Gegenteil: Im Sinne der Erleuchtung und der Loslösung von Konzepten wie Rasse und Geschlecht, war die Wahl der androgynen Tilda Swinton für den Film und seine Thematik die beste Wahl.

Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass Leute, die sich mit Erleuchtung und den östlichen Lehren beschäftigen, für sich persönlich nochmal eine ganz eigene Ebene am Film entdecken werden. Für alle anderen tragen die vielen Lehren und Anspielungen trotzdem perfekt zur mystischen Atmosphäre bei und sorgen für den einen oder anderen Denkanstoß.

Was bleibt noch zu sagen? Für mich hat einfach alles gestimmt, vom Werden des Sorcerer Supreme bis zu einem epischen Showdown, der eines Films über Magie und Selbstfindung würdig ist. Allerdings hat der Film natürlich auch den Vorteil, sich im Marvel-Filme-Universum noch mit keinem anderen Werk vergleichen lassen zu müssen. Meister Wong macht diesbezüglich die erhabene Sonderstellung von Dr. Strange deutlich: “Die Avengers kämpfen gegen physische Bedrohungen, wir beschützen die Welt vor etwas mystischeren Gefahren.”

Äußerst vergnüglich war für mich am Ende noch die erste der beiden Abspannszenen, die augenscheinlich belegte, dass ich ebenfalls ein perfekter Sorcerer Supreme wäre, weil ich meine Magie wirklich gewinnbringend einzusetzen wüsste. Wer wissen möchte, was ich damit meine, sollte sich mal meinen Artikel in der Dr. Strange-Ausgabe der Geek durchlesen und danach an meinem Verstand zweifeln.

Über Thilo (1200 Artikel)
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