Filmkritik: Only Lovers Left Alive – Ein Film wie schwerer, vollmundiger Rotwein
8 von 10 Arthouse-Vampiren
Blut verschmierte Vampire fauchen einen dunkel gekleideten Mann in ihrer Mitte an. Dieser lächelt nur und offenbart ein paar blitzende Klingen, die er zuvor in seinem Mantel verborgen hatte. Asche, Blut und Gedärme fliegen durch den Raum und die Zuschauer amüsieren sich prächtig.
Blade mit Daywalker Wesley Snipes funktioniert nur über seine Optik und möchte weiter nichts sein als actiongeladenes Unterhaltungskino mit Coke und Popcorn. Doch dass mit weniger Action und dafür mehr Handlung und Atmosphäre ein noch viel besserer Vampirfilm gedreht werden kann, zeigt Interview mit einem Vampir, an dessen Thron der Vampirfilme auch nach so vielen Jahren noch niemand rütteln konnte.
Only Lovers Left Alive ist ein Arthouse-Film, der vollkommen ohne Gewalt und blutrünstige Szenen auskommt. Das ist sicherlich nicht jedermanns Sache, doch ist zähle dieses Werk von Jim Jarmusch jetzt schon zu meinen Lieblings-Vampirfilmen. Bisher hatte ich von Jarmusch noch nichts gesehen, außer Ghost Dog, in dem Forest Whitaker diesen Tauben-verliebten Rapper-Samurai über den Dächern spielt. Aber an den kann ich mich kaum noch erinnern. Ich weiß nur: Jim Jarmusch macht keine Mainstream Filme.
Und obwohl es keine Actionsequenzen gibt, die Dracula-Jünger und From Dusk Till Dawn-Fans vielleicht sehnlichst erwarten, lohnt sich der Film schon allein wegen der grandiosen Darbietungen von Tom Hiddleston und Tilda Swinton, denen ich jede Sekunde die Schwermut des unsterblichen Lebens abgekauft habe. Es geht hier um die ruhige und äußerst poetisch inszenierte Liebesgeschichte zweier uralter Vampire, die sich darüber unterhalten wie sie über die Jahrhunderte unzähligen Wissenschaftlern und Musikern dabei geholfen haben erfolgreich zu werden. Und es gibt Hinweise dass die Geschichte der beiden sogar bis in die Frühgeschichte der Menschheit zurück reicht, wenn z.B. von Stonehenge die Rede ist. Dass die beiden im Film Adam und Eve heißen, könnte auch damit zu tun haben…
Im Grunde handelt der Film davon, dass Adam mal wieder mit seinem unsterblichen Leben hadert und die seelische Unterstützung seiner Eve braucht, um nicht den Lebenswillen zu verlieren. Tom Hiddleston spielt den melancholischen Adam sehr überzeugend und hat mir mit seinem Zynismus, wenn er z.B. Menschen gemeinhin als Zombies bezeichnet, häufiger mal ein Lächeln entlockt. Ansonsten ist er genialer Komponist von Rock Songs, für die er allerdings keinen Ruhm ernten will. Überhaupt scheint ein wichtiges Thema des Films zu sein, dass Vampire Menschen zu Ruhm und Reichtum verhelfen, selbst aber aus Angst vor Entdeckung ihrer übernatürlichen Natur lieber im Verborgenen bleiben. Dass Adam den zu Lebzeiten verkannten Nikola Tesla persönlich kannte und dessen Wissen scheinbar für Erfindungen und großen Reichtum genutzt hat, versteht sich da von selbst.
Ansonsten möchte ich über die spärliche, aber immer der Atmosphäre dienlichen Handlung gar keine Worte mehr verlieren. Only Lovers Left Alive ist melancholisch, sexy, nachdenklich und für mich der Beweis, dass es im Zeitalter der “Teenysierung” des Vampir-Mythos immer noch möglich ist, einen gehaltvollen und erwachsenen Ansatz bei der Darstellung der Unsterblichen zu finden. In vielerlei Hinsicht ist Only Lovers Left Alive das diametrale Gegenteil von Twilight. Hier gibt es keine oberflächlichen Hipster-Vampire, die Tierblut trinken und versuchen (optisch) Gleichaltrige zu beeindrucken, sondern tragische, alte Seelen, die nach zu vielen Jahrhunderten auf der Erde jede Nacht einen Grund zum Aufstehen suchen. Aber wer auch mal für besinnliches Arthouse-Kino zu haben ist, der wird sich von der düsteren Romantik sicher angenehm berührt fühlen. Das ist ein Film bei dem Coke und Popcorn Fehlanzeige sind. Dieser Film ist wie ein schwerer, trockener Rotwein mit gelegentlich raus zu schmeckender Fruchtnote. Also solltet ihr auch eine ebenso beschaffene Traube dazu genießen.