G-Kräfte für die ich zu alt werde: Taron im Phantasialand
Starość nie radość sagen die Polen manchmal: “Das Alter ist keine Freude” (oder so ähnlich).
Auch, wenn ich das nicht pauschal unterschreiben würde, so ist da auf körperlicher Ebene natürlich was dran.
Das merke ich 45 Lenze-messender Nerd schließlich an allen Ecken und Enden. Und wenn es nur beim Anmalen von D&D Minis ist.
Doch dass nun die letzte Bastion meines früheren Selbst langsam ins Bröckeln kommen soll, ist schon ein wenig deprimierend: Meine Resistenz gegenüber bestimmten G-Kräften.
Früher bin ich Motorräder gefahren, die wie Düsenjäger beschleunigten, konnte von Achterbahnen nie genug bekommen und war eigentlich immer als Speed Devil bekannt.
Doch nun muss ich mir wohl eingestehen, dass ich langsam zu alt werde (für die Scheiße).
Kurz zur Vorgeschichte:
Ein Kumpel wird bald Vater. Deshalb hatte seine bessere Hälfte eine Art Junggesellenabschied für ihn organisiert. Im Phantasialand sollte er noch mal richtig seinem eigenen Leben zeigen wo der Ziegenbock den Honig hat. Und ich gehörte zur Gruppe der ausgewählten alten Männer, die das mit ihm durchstehen durften.
Im saukalten Wintertraum-Phantasialand angekommen, hieß es gleich erstmal Abstürzen mit Ansage. Früher habe ich das Mystery Castle mit seinem Drop Tower im Dunkeln geliebt. Nun, nach einem Luftloch-Nahtodeserlebnis im Flugzeug auf dem Weg nach Neuseeland habe ich einfach keinen Bock mehr darauf plötzlich fallengelassen zu werden.
Da ich niemandem etwas beweisen musste, bewachte ich mutig die Schwangere und ließ die anderen allein in den Genuss kommen. Snacks mampfend und Kaffee in mich hineinschüttend klopfte ich mir selbst für meine reife und weise Entscheidung auf die Schulter.
Nur um dann den Supergau zu bringen. Classic Me.
In Klugheim, einer Art Wikingerdorf mit schwarzem Gras und schroffen Felsen, angekommen, lächelte uns das erste Schild einer Achterbahn entgegen: TARON.
Wie sich herausstellen sollte, eine Achterbahn, die perfekt zum unwirtlichen und rauen Leben der Wikinger passt.
Und ich so: “Jau, was ist das denn für ein Gerät? OHNE Loopings und so? LÄCHERLICH!!! Ich denk mal, das wird sowas wie früher die Bobbahn sein. Auf geht’s!”
Berühmte letzte Worte.
Etwas in mir starb auf dieser Achterbahn.
Meine Würde.
Meine Fähigkeit Urin zu halten.
Mein Glaube “SO ALT ja noch gar nicht zu sein”.
Was ich nicht wusste und erst hinterher schwankend und würgend ergoogelte:
Taron ist der längste und schnellste Multi-Launch-Coaster der Welt. Mit zwei sogenannten Katapultstarts beschleunigen Supermagnete die Bahn auf bis zu 117 Km/h, während bei den schnellen Richtungswechseln immerhin 1,8G auf den Körper wirken.
Als mich die nette Dame nach dem Einsteigen aufforderte meine engsitzende Mütze abzugeben, damit diese nicht “sofort davonflöge”, hätte ich vielleicht was merken können.
Alter Schwede.
Man war noch nicht mal mit Schulterbügeln angeschnallt. Deswegen dachte ich, dass der Ritt so wild ja nicht werden könne… Odin sei Dank, saß ich nicht ganz vorne und konnte mich zumindest noch mit den Füßen in den Vordersitzen festkeilen.
Und dann rollte der widderköpfige Zug des Wahnsinns los.
Schon nach der ersten Beschleunigung glaube ich versehentlich an einem Astronautenprogramm teilgenommen zu haben. Die Bahn fetzt so hart zwischen Freude und Furcht, dass ich nicht weiß in welcher Tonlage ich jauchzen soll. Doch eins steht schnell fest: Mein Körper möchte das nicht. Und er findet uncool, dass ich mich kurz vorher vollgefressen habe. Anfängerfehler. So dumm. Schon nach den ersten schnellen Richtungswechseln frage ich mich, ob das alles eine so gute Idee war. Und dann kommt der zweite Katapultstart. Diesmal fliegend. Nach der Einfahrt in eine Art Canyon informiert mich ein ohrenbetäubendes Dröhnen, dass die Supermagnete uns nun ins All zu schießen gedenken. Meine Eingeweide werden wieder zu einer flachen Scheibe an meinem Rückgrat zusammengepresst, während ich die Augen schließe und leise “Auf Wiedersehen” sage.
Doch dann ist es plötzlich vorbei und ich steige wankend aus. Das meine ich wörtlich. Ich konnte mich nur schwer auf den Beinen und mein Essen im Magen halten.
Aber, damit jetzt hier kein gänzlich falsches Bild entsteht: TARON ist GEIL.
Früher hätte ich diese Bahn geliebt. Es ist einzig und allein meiner Lappenhaftigkeit zu verdanken, dass dies ein unerwarteter Trip an den Rand meiner körperlichen Belastbarkeit wurde.
Ich glaube, ich habe ein ähnliches Gesicht gemacht wie der Herr Ulmen:
Notiz an mich selbst: Taron beim nächsten Mal auslassen oder als LETZTE Attraktion des Tages fahren – erst wenn ich danach in ein Sauerstoffzelt mit sanfter Musik und Bier gelegt werden kann.
Denn eigentlich wollte ich noch die Black Mamba aus dem Afrika-Bereich und, vor allem, die neue F.L.Y.-Achterbahn aus Rookburgh, dem genialen Steampunk-Setting, ausprobieren.
Doch an schnelle Fahrten mit Überschlägen und G-Kräften war leider nicht mehr zu denken. Meine Übelkeit ließ erst nach gefühlt Stunden wieder von mir ab. Schade.
Wirklich schade, denn was das Phantasialand mittlerweile geworden ist, kann sich wirklich sehen lassen.
Ich glaube ich bin vor ca. 20 Jahren das letzte Mal durch diesen Park gegangen. Damals gabs noch die Westernstadt, die nun inklusive Bobbahn abgerissen wurde. Klar: Alles viel zu LAME und langweilig für die neue Generation von Adrenalin-Junkies.
Gerade im Sektor Adrenalin hat sich das Phantasialand nicht lumpen lassen und hält auf verschiedenen Fahrgeschäften Weltrekorde. Allein Taron hält 3.
Wobei mir einige Adrenalin-saugende Kotzschleudern auch früher schon zu heftig gewesen wären. Gutes Beispiel: Der Talocan aus der Themenwelt der aztekischen Mythologie.
Wolltet ihr euch schon immer mal in luftiger Höhe wild rückwärts überschlagen, während sich eine sadistische Stimme darüber halb totlacht?
Dann ist Talocan bestimmt genau euer Ding.
Zugegebener Maßen sehen die Wasser- und Feuerfontänen während der Fahrt ziemlich cool aus. Von außen zumindest. Doch ich wette, selbst Indiana Jones geht lieber noch mal in den Tempel des Todes zurück, bevor er sich freiwillig auf dieses Folterinstrument setzt…
Ansonsten hat mich überrascht, wie viele Leute bei gefühlten 0 Grad und mitten in der Woche ins Phantasialand strömen. Der “Winterzauber” hat sicher dazu beigetragen. Besonders abends verwandelt sich der Park in ein betörendes Lichtermeer.
Aber am geilsten ist wirklich der neue Steampunk-Abschnitt. Mit seinen Dampfmaschinen, dem Flying Launch Coaster und dem allgegenwärtigen Qualm. Da kam wirklich eine geile Atmosphäre auf. Paar Fotos, die ich verzückt geschossen habe:
Tja, schade, dass ich F.L.Y. übelkeitsbedingt nicht mehr testen konnte. Das wird wohl beim nächsten Mal als erstes in Angriff genommen. Spätestens wenn Junior so weit ist. OMG, dann bin ich ja URALT. Seufz.