Mont Saint Michel: 2 Nächte in Minas Tirith

Ich bin zurück!

Und mein Körper besteht zu 90% aus Bier-getränktem Baguette, Eclairs und Croissants.

Also alles wie immer.

Nur, dass ich mir die Leckereien diesmal auf einem Trip quer durch den Norden Frankreichs hinter die Haube massiert habe – auf einer Rundreise durch die Normandie um genau zu sein.

Doch wie kam es dazu? Schade, dass niemand fragt, aber ich erkläre es trotzdem.

Irgendwann spülte mir dieses Internetz, das sich nicht durchsetzen wird, Bilder aus einem Fantasyfilm in die Timeline:

Und dann meinte ein guter Freund, dass er da schon zigmal gewesen sei. Und ich so: WAT!?

Ja, denn diese rhythmisch vom Meer umspülte gotische Abtei auf einem Berg mit Mittelalterstädtchen drumherum nennt sich Mont Saint Michel und liegt an der Westküste der Normandie.

Zack! War das Ding auf meiner Bucket-List.

Und da mein Sohn mittlerweile 8 und nicht mehr ganz so abhängig von Holland-Strandurlaub ist, beschlossen wir diesen Sommer einen “Ausflug” zum Mont Saint Michel zu unternehmen.

Da die pittoreske Abtei auf dem Berg jedoch nicht gerade um die Ecke ist, hielten wir es für schlau einen Normandie-Trip zu unternehmen, bei dem ein Besuch des heiligen Michael auf dem Berg nur die Krönung darstellen sollte.

Gesagt – getan.

Wichtigstes Learning: Ja, übermäßiges “Langweilig! – Genöle” vom Rücksitz lässt sich durch wohl dosierte Nintendo Switch-Infusionen auf einem erträglichen Niveau halten. ABER: Kurvige Strecken im Real Life können mit denen in Mario Kart 8 konfligieren und bei Junior eine “Papa, mir ist plötzlich so komisch”-Äußerung hervorrufen. Deshalb: Immer eine Plastiktüte hinter den Sitz klemmen, die sich der würgende Nachwuchs zur Not vors Gesicht halten kann.

Jetzt sind wir auch schlauer.

Hach! Es ist ein unnachahmliches Gefühl, wenn man die gerade fahrende Gattin ankeift, sie möge gefälligst SOFORT und in Sekundenbruchteilen das Auto zum Stehen bringen, während man in einer hilflosen Geste Juniors Kotze sprudelnden Mund zuzuhalten versucht.

Was soll man machen? Mitten in der Walachei? Genau: Mit den letzten Wasservorräten den vollgekotzten Arm sauberwaschen, die Kotze aus dem Fußraum schippen und flüssige Essensreste mit Q-Tips aus den Schlitzen der Lüftung pulen. Great Fun. Fix noch ein paar Lufterfrischer ausm nächsten Supermarkt geholt – ET VOILA! Der Normandie-Trip ist trotzdem ständig von einem zarten Kotze-Duft unterlegt. Glücklicherweise habe ich ihn irgendwann gar nicht mehr wahrgenommen. Toll, was das Gehirn alles ausblenden kann, wenn es nur eintönig genug vor sich hin existiert.

Natürlich haben wir uns von Nichts die Laune verderben lassen. Dafür war alles einfach zu malerisch und wunderschön. Euch in diesem Artikel nur den Mont Saint Michel vorzustellen, wäre bei der Schönheit der Alabasterküste ein Verbrechen.

Alabasterküste: Von Le Tréport bis Étretat

In Le Tréport habe ich gleich erstmal diesen Stein mit Augen (neue Quallenart? Außerirdischen?) am Strand gefunden. BÄM – alles gesehen. Bucket-List des Lebens komplett abgehakt. Da hätten wir eigentlich schon wieder nach Hause fahren können. Bin aber froh, dass wir offen für weitere Wunder waren.

Unsere erste Bleibe lag gleich gegenüber einem Meisterwerk der Zwerge, das uns mit kleinen Aufzügen auf die Felsen emporhob. Neben dem Wahnsinns-Ausblick begrüßte mich dort oben auch der erste Mont Saint Michel-Teaser. Vorfreude!

In Le Tréport hat sich mein Sohn außerdem mit einer sehr aufdringlichen Möwe angefreundet. “Nils Holgersson, flieg mit den Gänsen davon” – Running Gag war nicht mehr aufzuhalten. War gar nicht so einfach ihn davon zu überzeugen, dass an verschiedenen Punkten unserer Reise die jeweilig aufdringlichste Möwe, nicht die EINE mit uns mit gereiste Möwe war. Doch sein Bild des treuen Vogelfreunds geriet ohnehin spätestens auf dem Mont Saint Michel ins Wanken, wo eine Möwe ihm per Sturzflug das Eis aus der Hand klaute. Kein Witz. Tränen und ein neues Eis bei Junior – Unkontrolliertes, empathieloses Wiehern bei den Eltern. Good Times.

Generell lässt sich über die Alabasterküste festhalten, dass sie voller Steine ist. Also die Strände. Ohne wasserfeste Sandalen geht hier fast nichts. Sonst viel Spaß bei Blasen und blutigen Fußspuren. Rund gewaschene Steine soweit das Auge reicht! An jedem Strand Stone Henge nachzubauen ist aber fast genau so lustig wie Sandburgen zu kneten.

Außerdem haben die steinernen Geröllhalden bei heftigem Wellengang einen atemberaubenden Effekt: Den Krach der purzelnden Steine in der Brandung muss man mal erlebt haben. An diesem Leuchtturm war der Effekt krass.

Hin und wieder findet man auch noch andere interessante Gesteinsformationen am Strand. Wie dieses abgestürzte und petrifizierte UFO im Wasser gleich neben den Goblin-Höhlen von Warzenfurz.

Wenn man mal gerade nicht am Strand ist und den Nachwuchs anbellt, dass er nicht JEDEN VERF****** Stein mit nach Hause nehmen kann, wissen die kleinen Dörfchen in der Normandie zu begeistern. Sie sind allesamt malerisch durch ihren variierend großen Bestand an originalen Mittelalter-Fachwerkhäusern. Hindurchfließende Bäche, wie hier in Veules-les-Roses, und – STANDARD – Armeen von Stockrosen machen manche geradezu verwunschen und märchenhaft.

Gewohnt haben wir, dank des Organisationstalents von Miss Wiki, in einer perfekten Mischung aus Ferienwohnungen, Bed & Breakfasts und Hotels. Wobei mich in Honfleur die eine Nacht in Les Maisons de Lea am meisten beeindruckt hat (nach dem Hotel auf dem Mont Saint Michel natürlich). Geniales Zimmer mit Blick auf das Mittelalterstädtchen, inklusive der größten Holzkirche Frankreichs, die mich eher an eine Wikinger-Met-Halle erinnert hat. Auf dem Foto des Hotels rechts ist lediglich der outgesourcte Glockenturm zu sehen.

Achso, und am Hafen von Honfleur gab es übrigens auch das beste Eis der Welt. Das hat das geniale Eis des legendären Ladens in Rom einfach mal locker vom Thron geohrfeigt. Geschmacksexplosion +5, Artefakt-Level, besonders die Sorbets! Falls ihr mal in Honfleur seid… es lohnt sich schon fast nur dafür nach Frankreich zu fahren. Es heißt wohl nicht umsonst: (Eis) essen wie Gott in Frankreich.

Bei den beeindruckenden Felsklippen von Étretat angekommen, haben wir die tägliche 15.00 Uhr-Opferung der Jungfrau an den Kraken leider verpasst.

Dafür sind wir noch zum Mittelpunkt der Erde gereist. Wusstet ihr, dass im Erdinnern ein eigenes Meer mit Himmel ist?

Kurz vor dem Mont Saint Michel haben wir dann noch für Junior einen Zwischenstopp in Caen gemacht, um dem Festyland einen Besuch abzustatten. Ironischer Weise kurz nach dem “Kotze-Zwischenfall”. Und jap, das Festyland ist so crappy, wie es klingt.

Ok, crappy ist vielleicht etwas unfair. Besser ausgedrückt: In den 80ern stehengeblieben.

Überhaupt scheinen alle kleineren französischen Freizeitparks (und wir sind an VIELEN vorbeigekommen!), die nicht Disneyland Paris heißen, nach derselben Blaupause gebaut worden zu sein:

  1. Möglichst viele simple Kotzschleudern, die sich einfach nur im Kreis drehen. Bonuspunkte für Höhenangstfaktor und Überkopf-Rotationen.
  2. Eine Achterbahn auf 80er-Jahre Phantasialand-Level, nur schlechter. Schmerzhafte Prellungen nach den vollkommen unrunden Streckenverläufen sind ein MUSS.
  3. Plastik-Dinosaurier. Möglichst viele und albern.

Ernsthaft, die Achterbahn-Konstrukteure dieser Parks sollten mal das Phantasialand besuchen und dann nach Taron oder Fly vor Ehrfurcht auf die Knie fallen… nach der hier hat mir alles wehgetan. Mimimiiiii.

Anyhoooo, dann war es endlich soweit! Mit dem Shuttlebus ging es für zwei Nächte rüber zum…

Mont Saint Michel

Mein Kumpel Cirdan hatte im Vorfeld davon geschwärmt, dass sich der Aufenthalt auf dem Mont Saint Michel so anfühle, als ob man durch Minas Tirith liefe.

Was soll ich sagen? Recht hat er! Als HdR- oder auch einfach nur als Mittelalter- und Fantasy-Fan wird man gerade zu süchtig danach über die Wehrgänge, durch die schmalen Gassen und überhaupt jeden Winkel der Stadt zu streifen. Das fühlt sich wahrlich so an, als liefe man in einer Filmkulisse herum.

Was aber eigentlich auch nicht weiter verwunderlich ist: Für Peter Jacksons Herr-der-Ringe-Verfilmung haben sich die Produktionsdesigner für die Konstruktion der Minas Tirith-Modelle von Mont Saint Michel inspirieren lassen.

Ein wenig anders vorgestellt hatte ich mir den Mont trotzdem. Irgendwie dachte ich, dass es sich dabei um ein richtiges Dorf mit Einwohnern handeln würde. Doch dem ist nicht so. Niemand wohnt wirklich auf dem Mont Saint Michel, weil jedes Gebäude entweder Restaurant, Hotel oder Gift-Shop ist. Klar: Wenn jeden Tag Massen von Touristen durch die Straßen strömen, wäre ruhiges Wohnen hier eher schwierig. Da würde man vermutlich schnell zum höchsten Punkt der Abtei kraxeln und den brennenden Denethor machen…

Neben einem Überangebot an Fantasy-Bier und Pappschwertern…

…verschandelt dann leider auch sowas den Gang durch die Gassen:

Ich meine: REALLY? WTF? Als ob sich jemand beim Besuch des Mont eine Pizza am Automaten zieht, wie so ein betrunkener Japaner nach einer Nacht Karaoke.

Nein, ich habe mir da lieber Fish and Chips und das örtliche Klosterbier gegönnt.

Apropos Kloster: Ich habe 2 Tipps für euch, falls ihr den Mont Saint Michel auch mal besuchen wollt.

Tipp 1: Mindestens einmal da übernachten. So lassen sich entweder spät abends oder früh morgens, bevor die ersten Busse kommen, die Besucherströme vermeiden und ihr habt die wunderschönen, weil gähnend leeren Straßen, für euch alleine.

Wir haben im “La Croix Blanche” übernachtet, was einfach perfekt war.

Hier meine kleine Zimmer-Tour:

Mont Saint Michel La Croix Blanche Dachzimmer

Und hier noch ein Eindruck, wie es ist, dort aufzuwachen:

Mont Saint Michel Vogelkonzert am Morgen

Tipp 2: Die Abtei besuchen. Das versteht sich natürlich von selbst, muss aber im Vorfeld gebucht werden. Dann könnt ihr die gigantische Abtei durchstreifen und den herrlichen Ausblick genießen. Bemerkenswert ist, wie furchtlos die allgegenwärtigen Möwen sind. Die Biester gehen auch nicht weg, wenn man mit der Hand näherkommt und sie von der Mauer zu stoßen droht. Was ich natürlich nicht vorhatte. Lustig auch, wenn sie schwerelos vor mir in der Luft hingen, weil der Mont Saint Michel einfach so lächerlich hoch ist.

Hier aber noch ein Bonus-Tipp. Wo so viele Vögel allgegenwärtig sind, ist auch die Vogelscheiße nicht weit. Um es mit Yoda zu sagen: DU WIRST ANGST HABEN. Also jeder von uns hat mindestens einmal versehentlich in Vogelscheiße gepackt. Deshalb meine Empfehlung: Reibt euch vor dem Besuch der Abtei einfach komplett damit ein! So seid ihr immun und könnt die anderen Besucher auslachen, wenn sie damit das erste Mal in Kontakt kommen.

Nach der Artussage soll übrigens ein Riese auf dem Mont Saint Michel gelebt haben, der dann von Artus erschlagen wurde. Außerdem wird immer wieder der heilige Gral mit Mont Saint Michel in Verbindung gebracht. Nach Sichtung der Artefakt-Kammer kann ich aber sagen: Eure Wahl war schlecht.

Nice auch die Waffen des Erzengels Michael, der hier dem Bischof Aubert von Avranches erschienen sein soll: Ein Holy Defender +5 und ein Shield +5 of Bird Shit Deflection.

Kurz vor unserer Abreise lief mir auch dieser Herr über den Weg. Ganz schön weit weg von zu Hause, was? Verlaufen?

Ich habe das Imperium-Schwein dann erwischt, als er den Mont durch das Haupttor verlassen wollte. Sauber.

Hell dunkel hell dunkel und schon war der Abschied gekommen. Aber es hat sich gelohnt!

Rückreise über Dinan und Ewok-Dorf

Am Ende von Woche 2 ging es dann zurück Richtung Heimat.

Einen Abstecher machten wir noch in das märchenhafte Mittelalterstädtchen Dinan (Danke an Cirdan für den Tipp!).

Hier fand ich auch den kuriosesten Kuriositäten-Laden, den ich jemals gesehen habe. Allein die Anzahl an ausgestopften, dreiköpfigen Tieren war beachtlich. Natürlich musste ich mir im L’Antre de Dagda auch mit Gewalt irgendwas kaufen. Einfach ein Traum der Laden für LARPer, Fantasy-Nerds oder Sekten-Gründer.

Ach ja, und dann war da noch die Übernachtung im Dorf der Ewoks. Furchtlose ohne Höhenangst konnten in den Cabanes de la Grande Noe auf Baumhäusern übernachten und ihr Essen mittels Korb und Flaschenzug entgegennehmen.

Das höchste Baumhaus mit 16 Metern konnte man vom Boden aus gar nicht sehen, weil die Leiter einfach so in den Blätterkronen verschwand. :-O

Bei Anreise musste man erstmal unterschreiben, dass man kein Schlafwandler ist. Lol, ja, besser ist das.

Wir waren aber ohnehin Schisser und haben die einzige Holzhütte am See gewählt.

Mein Sohn ist aber recht furchtlos über die Netze der Kinderbaumhäuser geturnt, die auch in ca. 10 Metern Höhe gespannt waren. Als ich ihm folgte, musste ich meine Höhenangst auch erstmal wegmeditieren…

So, das war sie, unsere Normandie-Rundreise. Ich hoffe, du hattest etwas Amüsement, fremdes Augenpaar.

Ich verbleibe mit einem Bild dieser Blechdose, die mich im Frühstücksraum unserer letzten Bleibe mit Blick auf eine Burgruine von Richard Löwenherz anstarrte. Ich glaube, der hat aufgepasst, dass man nicht mehr als 2 Croissants genommen hat. Da war ich mal lieber fügsam. Denn ihr wisst ja: Der schwarze Ritter gewinnt immer!

Über Thilo (1210 Artikel)
Hi, ich bin der Gründer dieses bekloppten Blogs. Außerdem Realitätsflüchter, Romantiker, Rollenspieler, Gamer, Fantasynerd, Kneipenphilosoph und hochstufiger Spinner. Manchmal jogge oder schwimme ich, doch meistens trinke ich Bier.