Nostalgie-Overkill in der Retroverse-Arcade in Ahaus
Für wen oder was fahre ich über 2 Stunden mit dem Auto?
Exakt: für nichts und niemanden. Ich bin einfach zu alt für die Scheiße. Rücken und so.
Es sei denn, man wird so freundlich eingeladen, wie von den sympathischen Retro Nerds der Retroverse-Arcade in Ahaus. Tatsächlich hatte sich der 1. Vorsitzende dieses Vereins von Videospiel-Nostalgikern bei mir gemeldet. Er hätte die Hörbücher meiner M.A.Y.A.-Trilogie gehört, sei darauf hin auch auf meinen Blog gestoßen und hätte mich letztlich als würdigen Nerd-Gast für seine Retro-Arcade eingestuft.
Was für eine Ehre, nichts wie hin da!
Ein wenig plagt mich jedoch das schlechte Gewissen. Ich nehme mir schon seit gefühlt 100 Jahren vor, „demnächst mal” das Flipper- und Arcade-Museum Seligenstadt zu besuchen, das ebenfalls 2 Stunden entfernt liegt (nur in genau der anderen Richtung). Aber, was soll man machen? Ein geschmeicheltes Autoren-Ego kommt eben schneller in die Gänge. Gott, bin ich armselig…
Knapp 2,5 Stunden, einen Stau und ein spinnendes Navi später durfte ich dann die heiligen Hallen der Retro Nerds betreten!
Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sich ein Videospiel-Nerd der ersten Stunde fühlt, wenn er durch so eine geile Sammlung von Flippern und Arcade-Automaten verschiedener Jahrzehnte schlendert.
Spiele wie Hang On, Frogger oder Moon Patrol am originalen Arcade-Automaten zu spielen, lässt mir die Nostalgie aus allen Ritzen spritzen – was für ein Fun!
Die 90er-Geräte mit ihrer besseren Grafik machen natürlich auch Laune. Egal ob Racing-Simulation oder Baller-Orgie – die Dinger sind echt gut gealtert. Besonders das Aliens-Game hat es mir angetan. Dass man an einer „Licht-Knarre“ 3 Knöpfe für Maschinengewehr, Granat- und Flammenwerfer haben kann, hat mich zwar fast überfordert, war aber ultra-spaßig.
Apropos gottloses Geballer: Ihr könnt ohne Bedenken auch mit eurem Nachwuchs in der Arcade des Retroverse anrücken. Alle FSK18-Titel befinden sich brav und züchtig in einem extra abgetrennten Bereich. Hm, diesen Looser kenne ich doch noch irgendwoher…
Total unterschätzt hatte ich übrigens wie absolut OBERAFFENGEIL Flipper sind!
Ich meine, klar, ich habe schon mal einen gespielt. Als ich klein war. Neben meinem Vater in einer verrauchten Kneipe. Später dann auf dem Amiga und PC bei digitalen Varianten wie Pinball Dreams oder Pinball Fantasies.
Doch ich hatte völlig verdrängt und unterschätzt wie geil das rohe, haptische Erlebnis eines guten Flippers ist. Allein die hyper-atmosphärische Optik ist ein Genuss. Klassiker des Action-Kinos, Sword & Sorcery-Babes oder Rockbands zieren die Geräte. Die Spielflächen sind verwirrende, aber brillant-ausgeklügelte 3D-Landschaften aus mechanischer Magie. Dazu saugen Musik, Soundeffekte und blinkende Lichter den Spieler in ein grandioses Erlebnis, das heutzutage völlig in Vergessenheit geraten ist.
Hier mal ein paar Bilder, wie mein derzeit durch Soulfood und Bier zu einem Nerd-Adonis gemeißelter Körper sich an einigen dieser Wundermaschinen versucht. Der Guns N’ Roses-Flipper macht sogar Schnappschüsse vom Spieler. Man kann am Beispiel meines Antlitzes gut erkennen, wie wenig verkrampft und absolut gechilled ich war, als 4-5 Kugeln auf einmal durch den Flipper getitscht sind…
Ein Grund, warum Flipper kaum noch aufgestellt werden, ist sicherlich die Anfälligkeit der Geräte. Doch glücklicherweise gibt es in den Reihen der Retro-Nerds einige sehr fähige Technik-Nerds, die sich ständig um die Funktionstüchtigkeit aller Geräte bemühen. Es war faszinierend den äußerst sympathischen Haufen kennenzulernen und dabei zu beobachten, wie sie in den Staub-, Spinnen- und (Arcade-)Leichen-übersäten Hinterräumen gefrickelt haben.
Doch das Retroverse hat nicht einfach nur Flipper und Arcades zu bieten. Der Verein hat gut sichtbar Schweiß und Blut in den Laden gesteckt, um ihn zu einem Retro-Gesamterlebnis werden zu lassen.
Dazu trägt maßgeblich auch der Museums-Teil bei.
Hier können alte Gaming-PCs, exotische Spielkonsolen und andere Memorabilia angeschmachtet und ausprobiert werden. Besonders die „ehemalige DDR“-Ecke mit echtem Poly-Play war grandios.
Faszinierend fand ich auch die alten „elektro-mechanischen“ Spiele, die wohl als Vorläufer der späteren Arcades gelten dürfen. Auch, wenn der Flipper von 1938 nicht wirklich viele Interaktionsmöglichkeiten bot. Von wegen „früher war alles besser“!
Am liebsten hätte ich in einem typischen 90er-Gaming-Zimmer übernachtet und wäre morgens heimlich mit dem handgemalten Monkey Island 2-Bild verduftet…
Eine Mario-Kart-Wall, wirklich toll geputzte Toiletten (hahaha, insider) und mega-nette Nerds haben das Bild für mich abgerundet.
Wenn ihr in der Nähe des Münsterlands vorbeikommt, kann ich euch nur dringend empfehlen den Retro Nerds in Ahaus einen Besuch abzustatten.
Danke an Markus und Christian für den abgefahrenen Tag! 😉