PLAY TO LIVE von Dmitry Rus wird Eure WoW-Sucht triggern

Dmitry Rus ist in Russland so eine Art Rockstar unter den Autoren. Mit seinem Roman AlterWorld – Play to Live wurde er 2013 über Nacht zum Bestselling Author und gleichzeitig zum Gründer eines neues Science Fiction Genres, dem “LitRPG”.

Ja, Kopfkratzen ist an der Stelle durchaus erlaubt. Ich hatte vorher auch noch nie davon gehört.

So ein Literary Role Playing Game wirft stets Menschen mittels Virtual Reality in ein MMORPG (Massively Multiplayer Online Role-Playing Game) wie World of Warcraft, wo sie sich dann ihrer digitalen Haut erwehren müssen.

Jetzt könnte jemand einwerfen, dass seit Tad Williams’ Otherland Trilogie (1996 – 2004) und Ernest Clines Ready Player One (2010) solche Ausflüge in Spielwelten nichts Besonderes mehr sind.

Doch ich kann euch nach der Lektüre versichern, dass dieses Genre tatsächlich eine Nische in der Nische bildet und eine Art Fetisch für Puristen ist. Denn der Mix aus Science Fiction, Fantasy und Online Rollenspielen beinhaltet tatsächlich richtige Game Mechanics, wie ihr sie auch in einem MMORPG erwarten würdet: Der Charakter levelt, findet Loot, steigert seine Stats und hin und wieder poppt eine „Systemnachricht“ auf:

Ob er mit dieser „Technik“ wirklich der erste ist, darf jedoch bezweifelt werden, da er – wie es sogar auf der Amazon Verkaufsseite heißt – in der Tradition von Nam Heesungs Legendary Moonlight Sculptor schreibt, der die selbe Technik und Thematik immerhin schon über 50 Bände lang beackert hat. Da Legendary Moonlight Sculptor jedoch auf Koreanisch geschrieben und in hiesigen Breiten (und in Russland) kaum bis gar nicht bekannt ist, hat sich scheinbar der gute Dmitry vorläufig die Krone des Genres aufgesetzt. Läuft für ihn.

Aber worum geht es überhaupt in PLAY TO LIVE?

Max hat Krebs im Endstadium. Nichts kann ihm mehr helfen. Doch glücklicherweise gibt es im Russland der nahen Zukunft eine unerwartete Lösung: Das MMORPG AlterWorld. Durch den sogenannten „Perma-Effekt“, der Wissenschaftlern und den Entwicklern des Spiels selbst, Rätsel aufgibt, können Spieler ihr Bewusstsein digitalisieren und so unsterblich werden. Was anfänglich nur als Unfall bei „Full Immersion“-Dauerzocker-Spielern passieren konnte, versuchten bald auch Kranke, Arme oder Behinderte gezielt herbei zu führen, um ihrem Schicksal zu entgehen.  

Diese Story hat mich sehr an die Black Mirror-Folge San Junipero erinnert, die sich genau um dieses Thema dreht. Allerdings ist Dmitry Rus’ Buch 2 Jahre vorher erschienen und damit kein geschickter “Klau”.

Erstaunlicherweise, ist es von Anfang an sehr unterhaltsam, aber auch seltsam, WoW zu „lesen“, anstatt es selbst zu zocken. Ich war wirklich überrascht, dass es mir nicht langweilig wurde Max‘ Charakter dabei zu begleiten, wie er „Mobs pullt“, Skills levelt und beim Looten seinen „inneren Gierschlund“ befriedigt (ich glaube „Mein innerer Gierschlund“ oder im Englischen “my inner greedy pig“ kommt gefühlt 1000 Mal im Buch vor.)

Ich nehme mal an, das ist ein ähnlicher Voyeur-Effekt, wie er beim Zuschauen von Gaming Streams zum Tragen kommt. Eine Art Fantasy-Fremdfreu-Masturbation.

Da Dmitry Rus in PLAY TO LIVE sein AlterWorld im Prinzip 1:1 bei WoW abkupfert, dürfte dieses Buch besonders Leute triggern, die große Teile ihres Lebens in Blizzards erfolgreichstes MMO investiert haben.

Aber auch nicht WoW Nerds müssten den Roman spannend finden, weil er natürlich sehr viele Fragen zu den Themen Bewusstsein, Menschlichkeit und Künstliche Intelligenz aufwirft. Da gibt es, gerade gegen Ende, sehr viele WTF-Horror-Momente, die sich auch wie ein roter Faden durch Black Mirror ziehen.

Besonders spannend wird es, wenn für Max im Verlauf des Romans aus Spiel Ernst wird, weil die Grenzen zwischen seiner ehemaligen Welt und AlterWorld langsam verschwimmen. Digitale „Permas“ und normale Spieler werden unterschiedlich behandelt, Konzerne und Ganoven erkennen die Möglichkeiten in AlterWorld auch reales Geld zu verdienen und korrupte Regierungen wollen sich die magischen Technologien und unlimitierten Ressourcen des Spiels zu Nutze machen.

Überhaupt hat es mich im Roman gewundert, dass die Unsterblichkeit, die damit ja für jeden Menschen realisierbar ist, nicht ständig in aller Munde war.

Aber es muss natürlich auch noch Stoff für alle 7 Romane geben, die Dmitry Rus bereits von Play to Live veröffentlicht hat. Ich habe das Buch auf Deutsch gelesen (Gefangen im Perma-Effekt) und Ende des Jahres erscheint erst der zweite Band Der Cyber-Clan. Doch auf Englisch sind bereits alle 7 Bände erhältlich.

Das Ende, das mit einem großartigen „Mensch und KI“-Moment endet, hat mir auf jeden Fall Lust gemacht Max noch ein wenig beim Questen über die Schulter zu schauen.

Wenn ihr jetzt auch Bock bekommen habt und euch meine Rezension hilfreich vorkam, dann gerne

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Sonst gibt’s einen fiesen DoT von mir!

Über Thilo (1214 Artikel)
Hi, ich bin der Gründer dieses bekloppten Blogs. Außerdem Realitätsflüchter, Romantiker, Rollenspieler, Gamer, Fantasynerd, Kneipenphilosoph und hochstufiger Spinner. Manchmal jogge oder schwimme ich, doch meistens trinke ich Bier.