Solo: A Star Wars Story – Ein 0815-Disneyland Ride?

Alle Bildrechte @ Disney

6 von 10 Revolverhelden

Solo: A Star Wars Story ist wie dieses eine Stück Kuchen, auf das man nach einem reichhaltigen Essen lieber verzichtet hätte. Eigentlich war man schon satt. Es gab Braten, Kroketten und Gemüse, alles in einem See aus dunkler Soße. Und dann geht man rülpsend zur Kuchentheke auf der Suche nach einem adäquaten Nachtisch. Nicht, weil man noch Hunger hätte, sondern aus Prinzip, einfach weil die Kuchentheke da ist. Wäre doch schade was verkommen zu lassen. Doch anstatt es dann mit einem zarten Baiser oder einem kleinen Stück Obstkuchen bewenden zu lassen, schiebt man sich noch das große Stück Schokosahnetorte rein.

Und schon bald bereut man es. Völlegefühl löst das wohlige Gefühl der Sättigung ab und man muss sich eingestehen, dass die Torte noch nicht mal außergewöhnlich lecker war. Es war die Vorstellung von der Torte, die so verlockend war, nicht das eigentliche Essen selbst. Und man fragt sich, ob es dieses Stück Torte wirklich gebraucht hätte…

Also, da mir jetzt vermutlich niemand so wirklich folgen kann, werde ich mal konkreter. Dabei werden sich SPOILER nicht vermeiden lassen.

Bitte erst wiederkommen, wenn ihr den Film gesehen habt.

Solo: A Star Wars Story war echt „ok“. Das war ein wirklich nett anzusehender Space Western mit allem was es braucht, um ins Genre zu passen: Revolverhelden, dem obligatorischen Zugüberfall und Glücksspiel mit Karten im Ärmel.

Doch für einen Star Wars-Film ist „ok“ einfach nicht „ok“. Rogue One wollte ich sofort nochmal sehen, als ich aus dem Kino kam. So und nicht anders muss sich ein SW-Film ins Hirn brennen. Doch bei Solo hat nichts gebrannt. Mein Fan-Herz glimmte hin und wieder scheu auf, aber nichts konnte es auflodern lassen. Doch woran lag das?

An einer Menge verpasster Chancen würde ich jetzt mal kryptisch zusammenfassen.

Der Film beginnt mit rasanter Action und gönnt sich nur wenige Pausen. Doch obwohl die haarsträubenden Actionszenen einander jagen, kommen mir viele Szenen fast langatmig vor. Es fehlt einfach das Besondere, die Inspiration, die Magie…

Und das lässt sich leider für fast alle Aspekte des Films sagen.

Solo: A Star Wars Story ist bei weitem kein schlechter Film. Aber er hat mich einfach nicht sonderlich berührt.

Bis auf einen wirklich geil gecasteten Lando konnte mich keiner der Charaktere grundlegend faszinieren. Was leider auch sehr am Hauptdarsteller liegt, der seine Sache zwar gut macht, aber einfach kein Han Solo ist. Er ist ein charmanter Glückritter, der lächeln und schießen kann, aber ohne das Charisma eines Harrison Ford komplett austauschbar ist. Irgendwann gegen Ende des Films gab es ein paar Momente, in denen sowas wie die Essenz von Han Solo durchschimmerte. Doch als sich Alden Ehrenreich endlich eingegroovt hatte, war der Film vorbei. Hinzu kommt, dass er in einem Film, in dem er der Hauptdarsteller ist, wie ein Sidekick neben Chewie, Qi-ra, Lando und eigentlich jedem anderen wirkt.

Auf der anderen Seite gehen gleich zu Beginn der Handlung Charaktere drauf, von denen ich gerne mehr gesehen hätte. Gerade noch küssen sich Beckett (Woody Harrelson) und Val (Thandie Newton) und ich reibe mir schon die Hände beim Gedanken an eine Bonny und Clyde-artige Zuspitzung ihrer Beziehung, da jagt sich letztere auch schon selbst in die Luft. Und auch der witzige Rio Durant, eine Art vierarmiger Alien-Affe, muss sofort unwürdig an einer Schulterverletzung krepieren. Schade.

Außerdem fehlt es dem Film ein wenig an einem ernstzunehmenden Bösewicht. Paul Bettany macht seine Sache als Syndikatsboss Dryden Vos zwar nicht schlecht, aber ein paar Schrammen im Gesicht machen noch keinen Angstgegner. Auch wenn ich es im ersten Moment ganz erfrischend fand, dass mal nicht der Schatten des Imperiums, mit einem röchelnden Sith an der Spitze, über allem schwebt, hat mir dann doch irgendwie die Star Wars-typische Schwarzweißmalerei gefehlt.

Alle Bildrechte @ Disney

Apropos „never change a winning team that fans love“: L3-37 war eine Katastrophe und so gar nicht “leet”, wie uns der Name scheinbar suggerieren will. Ich meine ernsthaft, Leute? Brauchte es einen weiblichen Roboter, der sich für Robo-Rights einsetzt? Der auch noch gebaut ist und läuft wie eine Frau? Der auf jede Frage, was er noch gerne hätte oder bräuchte mit „Equal Rights“ antwortet? Und nein, Disney, es war nicht subtil verpackt, dass L3 eine weibliche KI hatte. Es war schreiend offensichtlich, dass hier nicht die Flagge der Roboterrechte, sondern die der Frauenrechte geschwenkt wurde.

Es war zwar nicht so mit dem Holzhammer und ungeschickt wie bei The Last Jedi, aber immer noch vollkommen unnötig. Wieso schnallt Disney das nicht?

NO ONE FUCKING CARES!

Wer mich kennt, weiß, dass ich sehr erleuchtet mit all diesen Themen umgehe. Gleichberechtigung ist für mich Naturzustand. Es gibt nur eine Menschheit und alle Grenzen und Limitierungen wie Rasse, Geschlecht oder Herkunft existieren nur in Köpfen.

Aber lasst das doch bitte aus Star Wars raus! Die Fans wollen Lichtschwerter, Raumschiffe und exotische Planeten. Niemand interessieren eure Botschaften, die in die Politik gehören, und die einen wunderbaren Eskapismus-Trip im schlimmsten Fall doch nur verwässern. Ich fühle mich dadurch teilweise regelrecht aus der Kino-Illusion gerissen.

GODAMMIT.

Als L3 auseinander geballert wurde, haben wir uns zu dritt fast gleichzeitig in der Dunkelheit des Kinos zugeflüstert: „Gott sei Dank…“

Ansonsten bekommen wir mit Solo: A Star Wars Story natürlich einige interessante Fragen beantwortet. Was ist der Kessel Run? Wie haben sich Han und Chewie kennengelernt oder wie ist Han überhaupt zu seinem Namen „Solo“ gekommen? Allerdings reichen die dabei verwendeten Ideen von herzerwärmend bis grottenschlecht. Der Kessel Run macht Spaß und die Szene mit Chewie ist auch witzig, aber wie unspektakulär der Falke eingeführt wird ist genauso sträflich wie die Geschichte um Hans Nachnamen. Enttäuschend.

Angeblich hat Ehrenreich für 3 Filme unterschrieben. Ja, ihr habt richtig gehört. Vermutlich wird es noch zwei Fortsetzungen für dieses Prequel geben. Was durch die Tatooine-Quest und das Auftauchen von Cyber-Darth Maul ja auch naheliegt. Allerdings würde ich nun lieber den von Fans lange herbei gesehnten Solo-Auftritt von Maul im Kino sehen, als mir noch zweimal einen beinahe-Han Solo zu geben.

Was bleibt abschließend zu sagen? Ich hatte nichts erwartet und wurde doch ein wenig enttäuscht. Neben Rogue One ist Solo nur ein kleines Licht. Es ist solides Popcorn Entertainment ohne viel Poesie, das für mich nur durch einen passenderen Hauptdarsteller relevant gewesen wäre.

Über Thilo (1210 Artikel)
Hi, ich bin der Gründer dieses bekloppten Blogs. Außerdem Realitätsflüchter, Romantiker, Rollenspieler, Gamer, Fantasynerd, Kneipenphilosoph und hochstufiger Spinner. Manchmal jogge oder schwimme ich, doch meistens trinke ich Bier.