Ein LitRPG schreiben – meine Erfahrungen
Ja, ich habe es getan.
Ich habe mein erstes LitRPG geschrieben:
Liams Labyrinth: Der Todes-Dungeon
Warum das wie ein schamhaftes Coming Out klingt und warum es sich auch ein wenig so anfühlt, möchte ich in diesem Artikel beleuchten.
Alles begann irgendwann 2018, als ich durch Zufall Play to live von Dmitry Rus in die Finger bekam (Review hier). Damals staunte ich nicht schlecht, als ich das erste Mal Achievements, Fähigkeiten und Gegenstände, komplett mit Werten, in der Story eines Romans abgedruckt fand. Anscheinend hatte der Autor ein MMORPG, das verdächtig an World of Warcraft erinnerte, in Buchform gegossen. Abgefahren!
Aber…
Wer liest sowas? Gibt es dafür einen Markt? Was soll das überhaupt?
Solche und andere Fragen schossen mir durch den Kopf, bevor mir dann beim Lesen schnell etwas klar wurde: So ein Roman macht süchtig.
Natürlich macht er das! Denn er stimuliert mit seinen “Game Mechanics” genauso das Belohnungszentrum im Gehirn wie es Computerspiele tun. Ob Level, Loot und Werte auf einem Bildschirm oder auf Buchseiten abgelesen werden spielt dabei scheinbar kaum eine Rolle.
Zwar kann man nicht selbst in die Story und die Vergabe von Skill-Punkten eingreifen – das bleibt dem Autor vorbehalten. Trotzdem macht das rein voyeuristische Erleben Spaß. Auf Twitch schauen Menschen ja auch anderen Gamern dabei zu wie sie Baldur’s Gate 3, WoW oder andere RPGs zocken.
Doch trotz aller Faszination war mir eins sofort klar:
Ich werde niemals ein LitRPG schreiben!
Das hatte seinerzeit mehrere Gründe:
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits meinen eigenen Roman in der Mache und sogar schon zu 90% fertiggestellt (und zack, fast 3 Jahre später habe ich M.A.Y.A.: Überleben ist alles auch schon veröffentlicht… LOL). Dieser bediente ohnehin das Genre der „Portal Fantasy“ und wäre durch Level und Werte nicht besser geworden.
Außerdem kam mir dieses ganze Rumjonglieren mit Werten und Tabellen auch ein wenig albern vor, beinahe “billig”. Das noch junge Genre der LitRPGs wirkte für mich wie ein typisches Produkt des Internetzeitalters: Quantität statt Qualität, schnelle Bedürfnisbefriedigung vs. komplexer Story-Aufbau etc. Alter Schwede, lag ich falsch…
2 Jahre später habe ich dann in M.A.Y.A.: Ritter der Apokalypse, dem dritten Teil meiner Portal-Fantasy-Romanreihe, das LitRPG-Genre sogar in einer Handvoll Kapitel bedient. Weil es so gut zum Meta-Thema des Romans passte und weil ich es dabei so herrlich auf die Schippe nehmen konnte.
Doch beim Schreiben dieser wenigen Kapitel ist mir vor allem eins klargeworden:
Ein LitRPG-Roman zu schreiben ist verdammt anspruchsvoll!
Nichts, aber auch gar nichts daran ist “billig”.
LitRPGs brauchen als Grundlage nämlich trotzdem gute Stories (zumindest die besseren unter ihnen) und bringen für den Autor obendrein noch einen Berg besonderer Herausforderungen mit.
Man kann nämlich nicht “einfach mal so” ein LitRPG schreiben.
Einer Welt ein logisches und nachvollziehbares Spielsystem mit Werten überzustülpen, ist alles andere als einfach. Natürlich gibt es genug Vorlagen und in gefühlt jedem zweiten LitRPG finde ich die typischen 6 Attribute aus Dungeons & Dragons.
Trotzdem ist es schwierig.
Denn alle Werte müssen ja auch Sinn machen und es muss eine befriedigende, nicht zu langsame und nicht zu schnelle Power Curve, sprich, Weiterentwicklung des Charakters geben.
Außerdem muss sich ein LitRPG-Autor so viel mehr ausdenken als der eines “normalen” Romans. Denn neben System und Werten, wollen Quests, Gegenstände, Fähigkeiten, Zauber, Fraktionen und sonst was ausgedacht werden. Eben wie bei einem komplexen MMO – komplett mit Werten und Beschreibungstexten…
Nun ist es 2024 und ich habe mittlerweile 5 Romane veröffentlicht. Meine erste, die M.A.Y.A.-Trilogie ist seitdem sogar bei Audible als Hörbuch erschienen. Und eigentlich war ich gerade dabei den dritten Teil meiner Hexenhammer-Reihe zu schreiben, als mir etwas klar wurde:
Ich will auch ein LitRPG schreiben!
Das war plötzlich so dringend, dass ich dafür sogar bereit war, den bereits begonnenen Hexenhammer 3-Roman kurz auf Eis zu legen.
Doch wie kam der Sinneswandel?
Die Erkenntnis traf mich beinahe wie eine göttliche Eingebung:
Eigentlich sind LitRPGs doch GENAU MEIN DING!
- Sie bedienen meistens das Genre der Portal Fantasy, in dem ich ohnehin schon schriftstellerisch tätig bin.
- Sie setzen ein breites Wissen in Pen & Paper- und Computerrollenspielen voraus. Beides habe ich in Hülle und Fülle, wage ich zu behaupten.
- Ich kann dabei genau das machen, was ich als Spielleiter bei D&D oder anderen Rollenspielen schon immer gerne gemacht habe: mir Quests, Zauber und magische Gegenstände ausdenken, komplett mit Werten und allem Zip und Zap.
Schnell war daher der Entschluss gefasst eine Idee umzusetzen, die schon länger in meinem Geist herumspukte:
Typ hat ein Haus geerbt, in dessen Keller er etwas Unvorstellbares findet: Einen tödlichen Dungeon – vollgestopft mit Monstern, Fallen und Schätzen.
Et voila: Liams Labyrinth: Der Todes-Dungeon war geboren.
Den Roman zu schreiben hat mega Spaß gemacht, war aber auch anstrengend. Ständig hatte ich mehrere Dokumente offen (sogar eine von mir gehasste Excel-Tabelle!), um Fähigkeiten, Werte und Gegenstände im „Inventar“ meines Protagnisten nachvollziehen zu können.
Mir war es außerdem wichtig im berühmten „LitRPG-Bingo“ nur die guten Punkte in meinem Roman unterzubringen, die weniger geliebten Fettnäpfchen jedoch auszulassen.
Herausgekommen ist ein LitRPG…
…in bester Tradition der Portal Fantasy.
…LITE, weil es mir wichtig war, den Leser nicht mit Zahlen zu erschlagen oder zu langweilen.
…mit Levelaufstieg, Erfolgen und Loot, die allesamt der Story dienen. Nicht umgekehrt.
…mit ungewöhnlichen Monstern und einer exotischen Klasse für den Protagonisten.
…mit einem witzigen Sidekick, den es in der Welt der LitRPGs garantiert noch nie gab.
…mit Spannung und Humor, wie man es von meinen Büchern gewohnt ist.
Und letztlich wollte ich ein LitRPG schreiben, das etwas Neues bietet – zumindest in Hinsicht auf den Grund für die „Gamifizierung“ der Welt.
Denn gefühlt kommt es in jedem bis jedem zweiten LitRPG entweder zu einer „System Apokalypse“ (Aliens, eine fremde Macht oder eine Super-KI „stülpt“ der Welt eine Videospiel-Optik über) oder die Hauptfigur gerät direkt in eine VR-Parallelwelt (freiwillig, um dort etwas zu erreichen, meist jedoch in Form von reinem Bewusstsein nach einem unerwarteten Tod).
Und da bin ich doch halbwegs stolz einen komplett anderen Ansatz gefunden zu haben. Wie der aussieht, möchte ich eigentlich nicht spoilern.
Lest euch am besten mal den Klappentext durch und entscheidet dann selbst, on ihr Bock auf den Trip habt.
Bleibt mir nur zu hoffen, dass ihr beim Lesen nur halb so viel Spaß habt, wie ich beim Schreiben. Ja, ich gehöre zu den Leuten, die über ihre eigenen Witze lachen können. Ich bin erbärmlich.