Der Anime Goblin Slayer lehrt mich Demut gegenüber Aufwärmmonstern

@ Crunchyroll, Funimation

Seit ein paar Tagen können auf Netflix 12 Folgen von Goblin Slayer abgerufen werden. Die recht simpel gestrickte Dark Fantasy-Anime-Serie basiert auf einer Light-Novel-Reihe von Kumo Kagyu und erscheint bereits seit 2016 in Japan.

Da ich eigentlich kaum Mangas lese oder Animes schaue, wäre die Serie sicherlich an mir vorbei galoppiert, wenn sie nicht so laut „Dungeons & Dragons“ schreien würde. Zu sagen, dass sich Goblin Slayer dabei an Pen-&-Paper-Rollenspielen orientiert, wäre eine Untertreibung. Die Serie wirkt eher wie ein MMORPG, bei dem wir ein paar anonyme Spieler bei ihren Abenteuern begleiten.

Die Story dreht sich um eine Abenteurergilde, bei der die typischen Charakterklassen wie Krieger, Priester oder Magier Aufträge annehmen und Belohnungen ergattern können. Neulinge müssen ein Antragsformular ausfüllen, das verdächtig wie ein Charakterblatt aussieht, und dann ihr Dasein erstmal als Porzellan-Rang fristen. Ähnlich zum japanischen Bewertungssystem der Kyu-Grade können die „Schüler“ bis zum höchsten Schülerrang „Silber“ aufsteigen, bevor sich mit den „Dan-Graden“ Gold und Platin die Spreu wirklich vom Weizen trennt.

Wer bis dahin immer noch daran Zweifel hat, dass der Schöpfer der Serie großer D&D-Fan ist, wird spätestens bei den Gesprächen der Abenteurer überzeugt werden. Wenn ein Priester z.B. nur noch 3 Wunder für einen Tag übrig hat, ist die Anspielung wohl eindeutig. Außerdem rollen im Vorspann ständig Würfel durchs Bild und die Charaktere kämpfen in einer späteren Folge gegen einen Beholder. Viel mehr D&D-Verbeugung geht eigentlich kaum.

Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist der Goblin Slayer, der als Silberrang schon sehr gefährliche Monster bezwingen könnte, sich jedoch vollständig auf das Töten von Goblins spezialisiert hat. Warum? Trauma. Denn natürlich wurde seine ganze Familie getötet. Von Goblins. Vor seinen Augen geschändet und getötet.

Viel komplexer sind Goblin Slayers Beweggründe nicht und letztlich dreht sich die Serie nur darum die ständige Bedrohung der Zivilisation durch die abgrundtief bösen Goblins einzudämmen. Doch interessanter Weise war das unterhaltsamer als ich zunächst dachte. Der wortkarge Goblin Slayer, der nie seinen Helm abnimmt und beim Töten der Goblins immer laut mitzählt (ist wohl Fan von Legolas und Gimli?) wuchs mir im Verlauf der 12 Folgen irgendwie ans Herz. Ich konnte auf einem gewissen Level nachvollziehen, wie sinnstiftend seine Beweggründe für ihn sind, um in einer Welt der Monster nicht bekloppt zu werden.

Kritik wegen Goblin Slayers verstörender ersten Folge

Bei Hobgoblins, Champions oder Lords lachen auch Silberränge nicht mehr… @ Crunchyroll, Funimation

Ich staunte nicht schlecht, als die Macher bereits in der ersten Folge mein Rollenspieler-Bild von den beinahe niedlichen „Gobos“ brutal zerstörten. Eine Gruppe Porzellan-Ränge nimmt die Gefahr der Goblins nicht ernst und wird komplett aufgerieben. Dabei werden einige Frauen von den grünen Teufeln vergewaltigt und getötet. Nur eine einzige Priesterin kann von Goblin Slayer gerettet werden. Die verstörenden Taten der Goblins geschehen zwar in erster Linie off Screen, doch sie verfehlen ihre Wirkung nicht: Goblins sind – gerade in der Masse – verdammt gefährlich und keine „Aufwärmmonster“ für 1. Stufe-Helden.

Während die Tentakelporno-gewöhnten Japaner darum wenig Wind machten, ist der überempfindliche Teil des Westens bei Veröffentlichung der Serie natürlich darüber explodiert.

Seufz. Was intelligente Menschen darüber denken:

Kunst ist und bleibt ein Safe Space, in dem Grenzen überschritten werden dürfen, ja manchmal sogar müssen. Und manche Geschichten brauchen eben diese Art von simpler Schwarzweißzeichnung, um zu funktionieren. Goblin Slayer möchte durch die Mittel Ekel und Schock ab Folge 1 klarmachen, dass Goblins das reine Böse sind, welches innerhalb der Fantasywelt guten Gewissens ausgemerzt werden darf. Wie abträglich wäre es wohl der Epik von Lord of the Rings gewesen, wenn Orks und Goblins nicht eindeutig böse, sondern auch zu klärenden Gesprächen bei einer Tasse Tee bereit gewesen wären?

Eine der vielen lustigen Erfindungen des Feminismus, die sogenannte „Rape Culture“, wird dadurch nicht gefördert. Zeigt mir die Goblins in deutschen Wäldern, die sich nun in ihren Rape-Vorhaben bestätigt fühlen! Aber mal im Ernst. Das ist doch dasselbe „Problem“ wie bei Ballerspielen und jeder Art von Kunst mit erwachsenen Inhalten: Es gehört eine Warnung darauf, damit es nicht von den falschen Personen konsumiert wird. So, wie ja auch auf Filmen eine Altersangabe steht, damit Eltern wissen, dass abgetrennte Köpfe in Peter Jacksons Hobbit für einen Dreijährigen noch etwas zu schwer zu verarbeiten sind. Ja, ich schaue dich an, Christian! Du weißt, wer du bist… 😉

Sonst dürfte ja überhaupt keine spannende Geschichte mehr erzählt werden. Ohne Trigger und Reibung, keine Funken. Vergewaltigung ist nicht schlimmer als Mord. Nur weil in Büchern und Filmen manchmal getötet wird, spricht ja auch keiner vom neuen Trend der „Kill Culture“.

Goblin Slayer ist simpel, brutal und gut

Aber zartbesaitete Extremisten werden sich ohnehin im seltensten Fall Animes anschauen, die sich an ein erwachsenes Publikum richten. Dafür hat die ganze japanische Kultur Sorge getragen.

Mag Goblin Slayer: Das Cowgirl. @ Crunchyroll, Funimation

Denn natürlich finden wir auch in Goblin Slayer die jungen Mädchen, deren tellergroße, glänzende „Bitte-tu-mir-nichts-Augen“ in Größe nur von ihren riesigen Möpsen überschattet werden. Und selbst erwachsenere Charaktere wie die Witch oder die Swordmaiden wirken wie Halloweenkostüme im Swinger-Klub. Gerade letztere mit ihren hauchdünnen Roben und der Augenbinde wirkt, als wäre sie einer elaborierten Bondage-Fantasie entsprungen.

Ich schmunzele über all das. Sicher nicht jedermanns Sache. Aber es wird ja auch niemand gezwungen die Serie anzuschauen.

Mir hat es trotz (oder gerade wegen?) aller Gewalt und Nacktheit Spaß gemacht den Abenteuern von Goblin Slayer beizuwohnen. Besonders, wenn er mit seinen neuen Freunden, der Priesterin, der Hochelfen-Bogenschützin, dem Zwergen-Schamanen und dem Echsenmenschen-Priester unterwegs ist, kommt D&D-Feeling auf.

Und am Ende der ersten Staffel, die wohl eine Fortsetzung bekommen soll, findet sich sogar noch so etwas wie eine schöne Moral der Geschichte. Als die hochstufigen Töter der Dämonen Lords ins Dorf zurückkehren, sinniert eine von ihnen: Nur durch die Leute, die sich um die Goblins kümmern, gibt es überhaupt noch ein Dorf, in das wir zurückkehren können!

Tja, jeder Job zählt! Niemand ist nutzlos. Wir sind alle kleinere und größere Rollen im selben Theaterstück. Damit kann ich leben. Ihr auch?

Über Thilo (1213 Artikel)
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