Die letzte Fahrt der Demeter

@ Universal Pictures

Ein Kammerspiel

Untertitel: Nächte der Umnachtung

(Spoiler ab hier!)

Matrose: Käpt’n, voll doof, aber letzte Nacht hat irgendwas sämtliche Tiere an Bord dahingerafft.
Käpt’n: Wie sind sie denn gestorben?
Matrose: Irgendwas hat ihnen die Kehlen rausgebissen.
Käpt’n: Hm, seltsam. Doc, könnte das irgendeine Art von Krankheit sein?
Doc: Klar, die “meine Kehle hat keinen Bock mehr auf mich und hüpft davon”-Krankheit.
Käpt’n: ECHT!??
Doc: Neee.

Matrose: Diese Nacht hat es einen von der Crew erwischt.
Käpt’n: Oh fuck, was ist passiert? Ist die Person verschwunden? Wenn ja, vielleicht ist sie bei stürmischem Seegang von Bord gefallen? Hat vielleicht zu tief ins Glas geguckt. Was für ein Mysterium!
Matrose: Äh, nö, eigentlich recht klar was es war. Er lag in seinem eigenen Blut und hatte überall Bissspuren. Und diese Anna, die wir in einer der Kisten gefunden haben, sagt, dass es Dracula, das personifizierte Böse ist, das sich von Blut ernährt.
Käpt’n: Oh.
Matrose: Yep. Und nun?
Käpt’n: Naja, wenn dieses Ding an Bord ist, müssen wir es finden, durchsucht den Laderaum.
Matrose: Done. Nix gefunden.
Käpt’n: Joa, scheiße. Dann mal Daumen drücken, dass sich das Grauen in den nächsten Nächten nicht wiederholt.

Matrose: Käpt’n, das Grauen hat sich wiederholt! Diesmal sind gleich zwei gestorben. Der eine hing angenagt in der Takelage. Und der andere… ach egal, den konnte eh niemand leiden. Vergessen wir den einfach.
Käpt’n: Wie, was meinst du mit “vergessen wir den einfach”? Das klingt ja wie das Plot Hole in einem schlecht geschnittenen Film. Wer war denn die zweite Person? Ich habe das Gefühl, dass sie brutalst zerfetzt worden sein könnte und in einer riesigen Lache aus Blut und Fleisch rumliegt. Sowas könnte ja nicht einfach unter die Planken des Schiffs gekehrt worden sein.
Matrose: Wovon reden Sie, Käpt’n? Welche zweite Person?
Käpt’n: Keine Ahnung. Jetzt weiß ich es auch nicht mehr. Hmmmm. Na, auf jeden Fall sollten wir nochmal das Schiff durchsuchen. Immerhin hängt unser Leben davon ab, dass wir den Blutsauger finden. Diesmal nicht nur den Laderaum, sondern das GANZE Schiff! Jeden. Verdammten. Winkel!
Matrose: Wir haben ihn nicht gefunden, Käpt’n. Echt doof. Naja, ich gehe dann mal in meine Koje.
Käpt’n: Ähm, Moment mal… ihr habt ihn nicht gefunden? Das hier ist ein SCHIFF! Es gibt nicht unendlich viele Möglichkeiten wo er sein könnte. Sucht halt, bis ihr ihn gefunden habt. Wie gesagt, wenn ihr ihn nicht findet, dann kommt er Nacht für Nacht wieder, bis wir alle tot sind.
Matrose: Ja schon, aber ich habe irgendwie keinen Bock mehr zu suchen. Das ist anstrengend.
Käpt’n: Verständlich. Ok, dann… dann halt nicht.

Matrose: Ich traue es mich fast nicht zu sagen, Käpt’n.
Käpt’n: Fuck. Wenn wir doch nur irgendwas tun könnten. Der schlachtet uns einfach alle ab! Stellt wieder zwei Wachen auf. Hoffen wir das Beste.
Neunmalklug: Äh, Käpt’n, sollten wir nicht etwas geplanter vorgehen? Vielleicht kommen wir einfach ALLE an Deck? Oder verbarrikadieren uns irgendwo, wo er hinkommen muss, um zu trinken. Ich meine alles ist besser als…
Käpt’n: … einfach jeder in seine Koje zu gehen und zu zittern? Sehe ich anders. Ab dafür!

Matrose: Käpt’n! Ihr Sohn, der nachts im Schiff rumlief, ist jetzt auch von Dracula gebissen worden.
Käpt’n: Kann nicht sein, Kinder haben Plot-Armor, denen passiert nichts.
Matrose: Er hat so weiße Augen und ist in Flammen aufgegangen.
Käpt’n: Fuckfuckfuckfuckedifuck! Ok, jetzt reicht es! Wir stellen diesem Wichser eine Falle! Diese Nacht stellen wir diese Anna als Lockvogel ans Steuerrad und verstecken uns im Krähennest. Wollen wir doch mal sehen, ob man dieses Arschloch nicht einfach aus dem Hinterhalt erschießen kann.
kurze Zeit später
Käpt’n und Matrosen: ARGH! Nebel bedeckt das Schiff und wir können nichts sehen! Außerdem kann das Vieh auch noch fliegen! ARGH! ARGL! So Argl! Much ARGH!

Matrose: Wir sind echt wenige geworden.
Doc: Yep.
Matrose: Und jetzt?
Doc: Die Küste ist schon in Sicht. Dieses Scheusal darf auf keinen Fall an Land. Deshalb schlage ich vor, dass wir das Schiff mit dem Monster drauf versenken und selbst mit dem Ruderboot fliehen.
Matrose: Ok, dann mal los.
Doc: Was meinst du mit “dann mal los?”
Matrose: Na, wir sollten das natürlich tagsüber machen, damit der Vampir uns nicht dabei stören kann.
Doc: HAHAHAHAHAHAHA.
Matrose: HAHAHAHAHAHAHA.
Doc: Ich sehe dich heute Nacht.
Matrose: Yep, bis dann, Digga.

Doc: Fuck, außer mir sind alle tot, das Schiff wurde an Land gespült und jetzt terrorisiert das Böse die Stadt. Wenn wir doch nur irgendetwas hätten tun können! IRGENDETWAS! Oh… Moment… da hinten, an der Bar, sitzt da nicht das Scheusal? Wo ist es hin? Ah! Jetzt ist es raus in die nächtlichen Straßen geflohen. Ich nehme sofort die Verfolgung auf! Allein. Im Dunkeln. Damit mich die Sonne nicht blendet bei meiner heroischen Jagd.

The End

@ Universal Pictures

Tja, so oder so ähnlich habe ich den Plot von Die letzte Fahrt der Demeter (2023) in Erinnerung.

Natürlich musste ich als Vampir-Fan und Gothic Novel-Experte noch nachträglich meine Eckzähne in diese von Bram Stoker inspirierte Dracula-Geschichte hauen.

Doch leider wurde hier eine Chance verspielt, so saftig wie ein blutiges Steak.

Was André Øvredal uns hier in zwei Stunden auf den Teller knallt, ist auf den ersten Blick ein wirklich imposantes Werk, in das augenscheinlich jede Menge Kohle geflossen ist. Schauspieler, Kostüme, Kulissen – alles vom Feinsten. Gerüchteweise soll das Schiff, die Demeter, auf der 90% der Handlung stattfinden, sogar extra für den Film gebaut worden sein.

Optisch und effekttechnisch kann ich hier also wirklich wenig aussetzen.

Und wäre Die letzte Fahrt der Demeter einfach ein generischer Horror-Film mit einigen schön deftigen Slasher-Szenen, dann würde meine Wertung auch sicher höher ausfallen.

So kann ich jedoch nur 5, vielleicht 6 von 10 brennenden Plot Holes vergeben. Die unglaubwürdige Story zieht dieses Schiff leider langsam aber sicher unter Wasser.

Aber, Thilo! Erwartest du nicht etwas zu viel? Immerhin bezieht sich der Film gerademal auf einen winzigen Teil des Buches, in dem Draculas Überfahrt mit dem Schiff beinahe nur am Rande erwähnt wird. Wie soll man auch Spannung aufbauen in einem Film, in dem die Geschichte und ihr Ausgang ohnehin klar sind? Das ist doch etwas hochgegriffen, oder?

Nein, imaginäre Opposition, das sehe ich ganz anders.

Hier wurde die Chance auf ein schockierendes, bedrückendes und hochspannendes Kammerspiel leichtfertig vergeben.

Auf einem Schiff, einer schwimmenden “Kammer” sozusagen, hätte man so schön mit verschiedensten Ängsten spielen können – selbst wenn Plot und Ausgang des selbigen im Grunde bekannt sind.

Beispiel: Warum nicht mehr mit dem Mysterium spielen?

Für meinen Geschmack hätte das Monster viel länger nur ein namenloser und unsichtbarer Terror sein dürfen. Ich finde die Idee ja gut, dass sich die Macher auf diese Nosferatu-hafte Fledermaus-Tiergestalt festgelegt haben. Auch wenn der Graf des Bösen im Buch verschiedene Gestalten annehmen kann, war diese doch sehr effektvoll für den Film und hat die Horrorszenen sehr vergnüglich gemacht. Doch man hätte langsam auf die vollständige Enthüllung hinarbeiten können: Von unsichtbar, über Schatten oder “nur im Hintergrund zu erahnen”, bis hin zu einem seine Flügel-ausbreitenden Horror in seiner ganzen diabolischen Pracht. Der Zuschauer möchte doch nicht zu hastig zum düsteren Orgasmus getragen werden. Bei einem Film mit einer derart opulenten Ausstattung (Production Value!) erwarte ich einfach keine schnelle, b-movie-artige Befriedigung von Splatter-Bedürfnissen…

Auch der Tag- und Nachtwechsel ging mir viel zu lapidar von statten. Was macht es mit der Crew eines Schiffes, wenn sie weiß, dass nachts das Böse erwacht und sich das nächste Opfer sucht? Allein die Zeit des Sonnenuntergangs, wenn die Opfer um ihr Leben fürchten, hätte mit so viel Spannung und Atmosphäre dargestellt werden können.

Und dann wäre da noch das “übersichtliche Spielfeld”. Das Schiff ist zwar nicht gigantisch, aber doch groß genug, dass sich das Monster in verschiedensten Ecken und Nischen verstecken kann. Alien-Nostromo-Atmosphäre lässt grüßen. Hier wäre so viel mehr drin gewesen.

Doch von diesen, meiner bescheidenen Meinung nach, hier und da verspielten Chancen (nicht, dass es gar keine spannenden Szenen gegeben hätte!) mal angesehen, bricht dem Film vor allem seine Unglaubwürdigkeit das Genick.

Wenn ich schon einen Mini-Plot verfilme, der bis ins letzte Detail bekannt ist, dann möchte ich doch wenigstens halbwegs nachvollziehen können, dass die Leute an ihrem Überleben interessiert sind!

Ein guter Freund meinte neulich zu mir, dass man auch zu zynisch sein könne, wenn man den Plot und das vom Regisseur Erdachte zu sehr in Frage stellt. Da ist sicherlich was dran. Manchmal sollte man sich der suspension of disbelief demütig hingeben, um einen Film genießen zu können. Allerdings setzt diese Theorie voraus, dass man darüber die Kontrolle hat. Hat man nämlich nicht. Wenn eine gewisse Linie überschritten wird und mich aus der filmischen Illusion reißt, dann passiert das ja automatisch. Als Zuschauer beschließe ich ja nicht plötzlich, dass mir etwas vermehrt auffällt und meine Freude trübt. Es ist eben wie es ist. Wenn eine Crew so DUMM handelt, dann ist das für mich einfach der Atmosphäre abträglich. Allein die Angst der Leute hätte ihnen gebieten müssen, dass nicht jeder für sich in seiner Kabine bliebt, wenn bekannt ist, dass ein Monster umherschleicht. Ich meine, REALLY? So kommt es dann auch, dass die Trauer des Kapitäns um seinen Sohn mich völlig kalt lässt, weil ich insgeheim denke: Hast es nicht anders verdient, Trottel.

Tja, schade. Ich muss nicht näher darauf eingehen, der Dialog oben sagt ja schon alles. 😉

Letztlich kann ich den Film jedem Grusel-Fan, der auf explizite Darstellung von Horror steht, nur wärmstens empfehlen. Fans des literarischen Draculas oder Connaisseure von etwas “gediegeneren” Gruselfilmen könnten von diesem “B-Movie in Edeloptik” jedoch etwas enttäuscht sein.

Über Thilo (1200 Artikel)
Hi, ich bin der Gründer dieses bekloppten Blogs. Außerdem Realitätsflüchter, Romantiker, Rollenspieler, Gamer, Fantasynerd, Kneipenphilosoph und hochstufiger Spinner. Manchmal jogge oder schwimme ich, doch meistens trinke ich Bier.