Exit: Deutsches Black Mirror in Spielfilmlänge
8 von 10 leuchtenden Kontaktlinsen
Da liegt man so gelangweilt auf der Couch rum und leckt am Hals der leeren Bierflasche, als die bessere Hälfte beim Rumzappen plötzlich bei der ARD hängenbleibt:
Exit heißt da ein gerade beginnender Film, der Science-Fiction-Film und Dystopie sein möchte.
Aus deutschen Landen? Meinen die das ernst?
Die Schauspieler kommen mir alle irgendwie bekannt vor. Ja, das sind Deutsche. Ja, die meinen das scheinbar ernst…
90 Minuten später bin ich vollkommen geflasht und glaube hier einen positiven Trend des deutschen Filmemachens zu erkennen. Erst neulich hatte ich bei den 5 besten Nerd-Serien mit Nerds die genial gemachte deutsche Serie How to sell drugs online fast gelobt.
Und Lob verdient aus sehr ähnlichen Gründen auch Sebastian Markas Film Exit.
Natürlich wird hier im reichlich beackerten Genre der Science-Fiction, Subsparte KI und VR, nicht wirklich Neuland betreten. Sprichwörtlich nicht, denn Exit spielt nahezu ausschließlich in den Räumlichkeiten eines fiktiven Hotels in Tokio, und wird damit zu einem düsteren Kammerspiel mit Horror-Elementen. Daher auch meine Black Mirror-Assoziation in der Überschrift.
Wir finden Elemente aus Genre-Größen wie Matrix, eXistenZ oder 13th Floor, die interessanter Weise alle 1999 erschienen sind (Zufall, Morpheus?). Und so richtige Nerds wie ich, freuen sich auch über einen Hauch Shadowrun, wenn ein Hacker mit gegenständlichen Repräsentationen im virtuellen Raum hantiert.
Worum geht’s überhaupt in Exit?
2047. Die digitale Revolution ist vorangeschritten und Menschen pflanzen sich leuchtende Kontaktlinsen in die Augen, durch die sie sich, unter anderem, in virtuellen Räumen bewegen können.
Nun haben 4 Gründer, Linus (Friedrich Mücke, der Erfinder), Malik (Jan Krauter, der Marketing-Hai), Bahl (Aram Tafreshian, der Programmierer) und Luca (Laura de Boer, die Designerin) das Produkt des Jahrhunderts entwickelt: Infinitalk.
Damit lassen sich Menschen, ihr Geist, Aussehen und Habitus, sprich komplett, kopieren. In Kombination mit der Hologramm-Technik sprechen wir also von nichts Geringerem als einer alles verändernden Singularität für das menschliche Leben: Unsterblichkeit in der Cloud.
Doch kurz bevor die Erfinder die Technologie für 3 Milliarden (lächerlicher Preis für Unsterblichkeit btw) an den japanischen Investor Li (David K.S. Tse), einen Mogul auf dem Feld der Hologramme, verkaufen können, meldet Luca Bedenken an.
Monopol auf die Realität
Und genau da hat mein Gehirn den 404.
Ich meine, echt jetzt? Nur einer aus dem Team kommt auf die Idee, dass eine Technologie, die das menschliche Leben komplett aus den Angeln hebt, vielleicht keine so gute Idee sein könnte?
Vor allem, wenn es darum geht sie an einen offensichtlich korrupten und emotional verarmten Spezialisten für Hologramme, sprich, einen fu***** Meister der Illusionen zu verkaufen, der damit dann sprichwörtlich das Monopol auf die Realität innehätte?
Nach 9 Jahren Entwicklungszeit, habt ihr euch über moralische und philosophische Implikationen eurer Technologie noch nie unterhalten?
War es vielleicht sogar wieder eine subtile politische Botschaft des Films, dass nur die Frau Gewissensbisse hatte? Vielleicht ist die Idee, ein fühlendes Wesen wie Luca so eine Entscheidung treffen zu lassen, anstatt einer Horde geldgeiler Business-Kasper, auch gar nicht so schlecht?
Naja, aber abgesehen von dieser fragwürdigen Prämisse des Films hat mir Exit wirklich so gut gefallen, dass ich seine Wertung wegen dieser „Unüberlegtheit“ noch nicht mal von 8 auf 7 Punkte senke…
Die Schauspieler füllen ihre Rollen passgenau aus, die Effekte sind sparsam aber überzeugend eingesetzt und durch die ganze „Ausweglosigkeit“ der beengten Räumlichkeiten dieses „Kammerspiels“ kommt sogar ein gewisser Grusel auf.
Passend zu Halloween.
Ich spoilere jetzt deswegen nichts mehr und rate euch diese deutsche Ausnahme unter den Unterhaltungsfilmen nachzuholen.