Filmkritik: The Hobbit: The Battle of the Five Armies + Erklärung meiner Ernüchterung

hobbit 3 thranduil

6 von 10 Legolas Stunts

Ich kann nicht sagen, dass ich enttäuscht bin, denn ich habe letzten Freitag genau den Film im Kino gesehen, den ich auch erwartet hatte. Um vollständig erklären zu können, warum das dritte Bruchstück vom Hobbit nicht das große emotionale Finale werden konnte, das sich die Herr der Ringe-Fans gewünscht haben, lassen sich krasse Spoiler nicht vermeiden. Wer den Film noch nicht gesehen hat, sollte bitte sofort die Seite schließen und sich erst eine eigene Meinung bilden! Was folgt ist ohnehin absolut subjektiv und muss in keiner Weise bedeuten, dass andere Kinogänger den Film nicht vollkommen genießen und wie der euphorische Cirdan beinahe kritiklos in den Himmel heben können.

Zunächst müssen sich Tolkien-Fans und Filmkritiker fragen was Peter Jacksons dreiteilige Umsetzung des ca. 1200-1500 (abhängig von der Ausgabe) Seiten-starken Ur-Romans der Fantasy, Herr der Ringe, zu einem derart bahnbrechenden Erfolg gemacht hat. Die Antwort liegt auf der Hand: Die Buchvorlage ist ein vor Liebe, Herzblut und Pathos triefendes Fantasy-Werk der Superlative. Jackson musste jede Menge Szenen weglassen, um nicht den Rahmen von 3 Filmen zu sprengen. Und doch gelang es dem visionären Mann das Wichtigste für eine optische Umsetzung von Tolkiens Meisterwerk stimmig und nicht allzu sehr verstümmelt auf die Leinwand zu bringen. Das Ergebnis war ein kondensierter High Fantasy Film, der in jeder Szene nur so triefte vor Bedeutung, Heldentum und Epik.

Doch was passiert, wenn jemand versucht den Hobbit, der vielleicht maximal ein Drittel der Seitenzahl des HdR aufweisen kann, ebenfalls auf drei Mega Blockbuster auszuwalzen? Genau, wie bei einem Kaugummi, den man in die Länge zieht, wird das Material gegen Ende immer dünner. Das bedeutet, dass der Regisseur, viele neue Szenen erfinden, bestehendes Material ergänzen und den Inhalt eines Kinderbuches mit neuer Dramatik würzen muss. Ist dies dem Ausnahme-Regisseur Peter Jackson gelungen? Am Anfang absolut und gegen Ende leider immer weniger.

Ich möchte hier nun nicht die ermüdende Diskussion erneut eröffnen, ob es von Jackson eine weise Entscheidung war den Hobbit erst auf 2 und letztlich dann auf 3 Filme zu erweitern. Da haben sicherlich finanzielle Gründe eine Rolle gespielt. Auch wenn Jackson es selbst vielleicht nicht mehr nötig hat, so hat er doch auch die Verantwortung für jede Menge Arbeitsplätze und Gehälter, die durch 3 garantierte Kassenschlager mit seinem Namen länger sicher gestellt sind, als mit nur einem Film. Ich finde sogar, dass gegen diese doch sehr menschliche Regung nichts einzuwenden ist, nur sollte niemand, weder die Macher, noch die vor romantischer Tolkien-Sehnsucht verblendeten Fans als Ergebnis eine Trilogie erwarten, die ähnlich viel Epik, Gänsehaut und Oscars beschert wie das erwachsene Werk Herr der Ringe.

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Mir war das von Anfang an klar und doch war ich nach dem ersten Hobbit-Teil positiv überrascht, was Jackson aus der kleinen Gutenachtgeschichte Der Hobbit gemacht hatte. Als die Zwerge übereinander in Bag End hinein purzelten und wenig später Teller, Tassen und Lebensmittel durch die Luft jongliert wurden, lehnte ich mich grinsend im Kinosessel zurück – Jackson hatte es tatsächlich geschafft den lockeren „Spirit“ des Hobbit einzufangen. Es ließ sich gut an: Dieser Film würde sich – wie es einem „Kinderbuch“ gebührt – scheinbar selbst nicht allzu ernst nehmen. Und als die Zwerge den wunderschönen Song The Misty Mountains Cold sangen und die Kamera durch den Kamin dem Funkenflug in die Nacht folgte, lief mir ein Schauer über den Rücken, den ich nach der HdR-Trilogie kaum noch einmal für möglich gehalten hatte. Plötzlich war ich vor Ergriffenheit den Tränen nahe und ich dankte Peter Jackson dafür, dass er diese romantischen Gefühle doch noch einmal tief in mir neu zum Lodern bringen konnte. Der erste Teil von Jacksons Hobbit hat für mich persönlich den Geist des Buches in seinen beiden Haupt-Charakteristika am besten eingefangen: Die gewisse Leichtherzigkeit (vom Ende mit den Zwergen-Casualties mal abgesehen) und den Sinn für Abenteuer. Diese Treue zum „Quellmaterial“ hatte ich damals, trotz einiger Kritik von Tolkien-Fans, die einen zweiten Herr der Ringe erwartet hatten, mit 10 von 10 Punkten belohnt. Für mich mit Abstand der beste Teil der Hobbit-Reihe.

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Dann gingen bei Desolation of Smaug die ersten beiden Punkte in meiner Bewertung verloren. Der Kaugummi wurde dünner. Was war passiert? Die Zwerge erreichten ihr Ziel und doch durfte der Hobbit noch nicht enden. Ein dritter Teil sollte noch die Kassen zum Klingen bringen und Jackson wähnte sich „im Besitz von noch zu viel Material“, als dass er es bei zwei Filmen belassen könne. Darum musste Smaug weg fliegen und der vielleicht nervigste Cliffhanger der Filmgeschichte war geboren. Und auch unterwegs, als das Film-Brückenstück die ersten Längen auffangen musste, durfte plötzlich Orlando Bloom die Behäbigkeit der Zwerge nochmal als Legolas mit etwas elfischer Epicness auflockern. Und um auch Tolkiens patriarchalisch geprägtes Weltbild gleichermaßen aufzulockern, wurde einem der Zwerge die Elfin Tauriel an den Hals gedichtet. Ich war von dieser Verwässerung des Weins insgesamt nicht sonderlich angetan, besonders, weil auf diese Art teilweise Szenen und Konstellationen aus dem Herr der Ringe nochmal verwurstet wurden. Nur der genial in Szene gesetzte Smaug im Finale konnte mich trotz aller Actionfilm-Cheesiness, die King Kong-Jackson teilweise an den Tag legte, etwas besänftigen und dem Film in meiner Bewertung immerhin noch beachtliche 8 von 10 Punkten einbringen.

Aber Thilo, trotz allem, wie kannst Du dem wunderbar unterhaltsamen dritten Teil vom Hobbit jetzt nur noch 6 von 10 Punkten geben?

Nun, in erster Linie, weil ich bei nunmehr 6 Filmen, die in Mittelerde spielen, um den Vergleich zu den anderen Filmen nicht herum komme. Und da kann The Battle of the Five Armies einfach mal so gar nicht mit Return of the King mithalten. Am Ende vom Hobbit geht es in den wenigen Seiten, die Jackson einfach noch mal zu einem ganzen Film ausgerollt hat, eben nicht um das Schicksal der Welt, die Zerstörung des einen Rings und damit des dunklen Herrschers, die Überfahrt einiger Charaktere nach Valinor, ins Reich der Unsterblichen, und den Aufbruch in ein neues Zeitalter. Nein, hier geht es in erster Linie um einen Berg voll Gold und Gier. Die Schlacht der Fünf Heere ist im Grunde einfach nur ein furchtbares und sinnbefreites Gemetzel. Man muss den Orks und Saurons Bemühungen dankbar sein, dass durch den Angriff der Orks die Menschen, Zwerge und Elfen doch noch zu einem etwas würdigeren Ziel zusammengeschmiedet wurden.

Ich sage ja nicht, dass die Schlacht- und Kampfszenen nicht beeindruckend waren, ganz im Gegenteil! Ich habe mich vollkommen in den hammerschwingenden Dain Eisenfuß auf seinem Reitschwein verliebt. Und der Kampf zwischen Thorin und Azog ist atemberaubend. Aber genau das ist meiner Meinung nach das „Problem“ des letzten Hobbit-Teils: Es ist einfach ein guter Fantasy-Action-Film der Marke „Ich übertreibe maßlos-Jackson“ (zu Legolas komme ich noch), aber auch nicht viel mehr. Alles was den letzten Teil vom Herrn der Ringe an Epik und Gänsehaut ausgezeichnet hat, fehlt hier einfach. Und teilweise hat Jackson da auch viel verschenkt. Ich kann nur hoffen, dass in einer Extended Version zumindest noch die Krönung von immerhin 2 neuen Königen zu sehen sein wird (Dain und Bard… hallo!?) und vielleicht auch noch so ein unwesentliches Detail wie die Aufteilung des Drachenschatzes oder wo der Arkenstone abgeblieben ist. Ich meine, immerhin handelt doch der Hobbit in erster Linie von Zwergen, die ihren Schatz zurückerobern wollen und dann wird der am Ende nicht mehr erwähnt?

Also, der Film ist mit Jacksons Visionen, Wetas CGI-Spektakel und Neuseelands Schönheit natürlich auf jeden Fall sehenswert, aber im Vergleich mit den anderen 5 Filmen, zieht er MEINER MEINUNG nach den Kürzesten. Das ist ja auch, wie gesagt, rein subjektiv. Andere mögen diesen Hobbit-Teil sogar für den besten halten. Ich kann jedoch gegen meine eigene Enttäuschung nicht ankämpfen. Lasst mich noch kurz einige Komponenten erwähnen, die mich einfach fast genervt haben.

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(SPÄTESTENS AB HIER MEGA SPOILER!)

Erstens hat mir der emotionale Tiefgang gefehlt. Auch wenn die Tode von Thorin, Fili und Kili absolut dramatisch in Szene gesetzt waren, so haben sie mich doch deutlich kälter gelassen, als z.B. Boromirs Heldentod bei der Verteidigung der Hobbits. Und da hilft es auch nicht die Tränendrüsen künstlich zu stimulieren, indem man Tauriel noch schnell zu Kilis Ableben dazu holt. Das hatte einfach nichts von Beren und Lúthien oder Aragorn und Arwen. Der unglücklich verliebte Legolas hat bei mir dabei noch die meisten Emotionen ausgelöst.

Ach ja, apropos Legolas. Als vor zehn Jahren Legolas im Alleingang einen Mûmakil erlegte, dessen sterbenden Rüssel hinunter surfte und sich dann anhören musste, dass der „trotzdem nur als einer zählt“, hallte zunächst ein empörter Aufschrei der bibeltreuen Tolkinisten durch die Kinos. Doch dann, als sich die Kritiker erstmal bewusst machten, dass ein mehrere hundert Jahre alter Elf vielleicht zu so einer Heldentat im Stande sein und dass das Medium Film an dieser Stelle durchaus für eine entsprechende Darstellung ausgenutzt werden könnte, fanden die Szene auf einmal alle super. Und genau das war sie auch. Doch was Jackson den Superelfen in diesem Hobbit-Teil alles bewerkstelligen lässt, ging für mich dann doch über das erträgliche Maß an Albernheit hinaus. Ich hatte richtig gehend das Gefühl, dass Jackson hier noch gezielt erinnerungswürdige Szenen reingeballert hat, um den bereits erwähnten dünnen Kaugummi dicker erscheinen zu lassen.

Aber mal ernsthaft, Legolas hängt sich an eine Riesenfledermaus und lenkt sie zum Ort des Geschehens, ohne dass diese sich dagegen auch nur ansatzweise wehrt? „Da hängt jetzt son schwerer Typ an mir dran und ich kann eigentlich kaum noch Auftrieb erzeugen… egal ich flieg mal weiter.“ Aber es sollte ja noch VIEL besser kommen. Legolas lässt sich von einem Turm herabfallen und hackt dem verdutzten Riesen Orcrist als Joystick in den Kopf. Dann lenkt er ihn mit dem neuen Steuerknüppel genau so gegen den nächsten Turm, dass dieser eine Brücke zum Zielort bilden kann. Klar. Why not? Und dann kämpft er in einer mega albernen Szene gegen den Ork, während immer mehr Steine in die Tiefe fallen und die Struktur sich unmöglich noch in der Luft halten könnte. Dass Legolas dann auch noch wie in Tiger and Dragon die herabfallenden Steine hochläuft, konnte mich dann auch nicht mehr sonderlich schocken, führte jedoch zu ungläubigem Gelächter im Saal. Klar, das Ganze ist auch Geschmackssache. Aber für mich persönlich ist mit einem Schild die Treppe runter surfen oder die Sache mit dem Mûmakil wirklich gut erträglich (sogar spaßig) gegen so viel Animé-Bullshit auf einmal.

Eigentlich hätte ich mehr epische Auftritte von Thranduil erwartet. Wenn Legolas schon solche Kunststückchen bewerkstelligt, was müsste dann der noch ältere – was bei den Elfen ja nur „noch erfahrener“ heißt – Thranduil aus dem Hut zaubern können? Die enttäuschende Antwort, die der Film uns gibt, lautet: Nichts. Ich meine mich zu erinnern, dass im Vorfeld verkündet wurde, dass Thranduil ein warer „Game Changer“ sein und dass die Zuschauer vor Unglauben stöhnen würden, wenn sie seine Kriegskünste sehen. Junge, was habe ich gegähnt! Außer seinem einen kleinen Solo-Auftritt, als er wie Drizzt Do Urden kurz mit zwei Schwertern um sich hackte, gab es nichts, was dem Elfenkönig würdig gewesen wäre. Die multiple Enthauptungsszene der Deppen an seinem Elch war zwar lustig, aber nicht sonderlich episch.

In diesem Moment entfährt mir beim Tippen ein Seufzer, den ihr nicht hören könnt. Ich bin mit diesem Hobbit-Teil einfach nicht so richtig warm geworden. Ich könnte mich jetzt noch lange weiter aufregen, über einen Azog, der von einem Amboss am Fuß nicht in die Tiefe des Sees gerissen wird und der scheinbar unter Wasser atmen kann, aber all das ist künstlerische Freiheit. Ich glaube, es liegt nicht an Peter Jackson, sondern am Ausgangsmaterial, dass mir solche Szenen negativer aufgefallen sind, als beim Herrn der Ringe. Denn als Aragorn morgens Popeye-Spinat frühstückt und dann Gimli mit einem Arm 10 Meter weit wirft, habe ich mich damals ja auch nicht so aufgeregt.

Trotzdem gab es noch viele Sachen, die mir nicht sonderlich gefallen haben. Aber ich höre jetzt einfach auf. Unvermittelt und ohne Tränen der Ergriffenheit. Kurz und knapp. So wie Bilbo sich von den Zwergen verabschiedet. Ohne 5 verschiedene Enden voller Tränen, die ich mir diesmal aber gewünscht hätte.

Über Thilo (1210 Artikel)
Hi, ich bin der Gründer dieses bekloppten Blogs. Außerdem Realitätsflüchter, Romantiker, Rollenspieler, Gamer, Fantasynerd, Kneipenphilosoph und hochstufiger Spinner. Manchmal jogge oder schwimme ich, doch meistens trinke ich Bier.