Netflix’ Der Boden ist Lava ist CRAP
Oh ja, seufz, die Kindheit!
Als noch alles magisch war!
Wie strahlend der Himmel, was für ein Juwel die Sonne!
Noch einmal diese jungfräulichen Augen haben!
Und alles war ein Abenteuer. Jeder noch so alltägliche Kack. Und wenn nicht, dann haben wir es zu einem gemacht.
Ich erinnere mich noch lebhaft an jedes Cowboy und Indianer-Spiel, das wir uns ausgedacht haben. Nur, dass wir niemals sowas langweiliges wie Cowboys und Indianer waren. Wir waren immer schon Ninjas, Kampfroboter oder Vampire. Meine Mutter musste mir nur den Kleinen Vampir vorlesen und schon taten wir so, als hätten wir ein Glas Flugpulver zu Hause. Schnell war dann jedes Handtuch oder Bettlaken zu einem Vampirumhang umfunktioniert und wir flogen auf zu neuen Abenteuern.
Dabei war es natürlich auch immer wichtig eine Basis zu haben. Eine Gruft, ein Schiff oder ein Raumschiff, mit dem wir den Planeten der Cyber-Ninjas auch wieder verlassen konnten, nachdem wir die seltenen Pflanzenproben genommen hatten.
Regenschirme, Wäscheleinen mit Bettlaken oder große Kartons – wir konnten aus allem Höhlen, Schlösser und Fahrzeuge bauen.
Ein beliebtes Spiel war auch „Der Boden ist Lava“. Dafür brauchten wir noch nicht mal unsere Freunde. Ich weiß noch, dass ich ständig versucht habe durch mein Zimmer, unser Wohnzimmer oder die ganze Wohnung zu klettern, ohne den Boden berühren zu müssen. Mein junger, leichter und biegsamer Knabenkörper erlaubte mir sogar wie Spiderman im Türrahmen hoch zu klettern und mich von da weiter zu hangeln. Stunts, die heute mit meinem Tod enden würden. Oder schlimmer…
Dabei war Lava nur eine von vielen tödlichen Substanzen, die mir beim Blick auf den unfreundlichen Boden im Kopf rumspukten. Säure, Haifischbecken, kilometertiefe Abgründe, Berge von Giftspinnen, Schlangengruben, rotierende Klingen, heiße Herdplatten, Treibsand, Laserschranken, Feuer, Eis, Dynamit und was-weiß-ich-denn?
Irgendwie scheinen Kinder instinktiv dieses Spiel zu entwickeln, um ihren Körper und ihre Kletterkünste zu testen. Selbst mein kleiner Sohn springt als Käpt‘n Sharky– und Piraten-Fan schon von einem Sessel, Stuhl und Tisch zum nächsten, um nicht ins „Wasser“ zu fallen.
Der Boden ist Lava auf Netflix
Oder wie man Kinderträume wiederbeleben und unter amerikanischem Mainstream-Unterhaltungs-Schrott begraben kann.
Ich meine: OH MY GOSH!
Als ich die Spielshow „The Floor is Lava“ neulich das erste Mal auf Netflix entdeckte und verifizierte, dass es sich dabei tatsächlich um das „Der Boden ist Lava“-Spiel aus meiner Kindheit handelte, war ich zunächst intrigued.
Die Aufbauten in den Studios sahen atmosphärisch aus und ich war ob des rötlich ausgeleuchteten Wassers, das tatsächlich wie Lava sprudelte und zischte, entzückt.
Die Hindernisse waren nichts, was Kinder mit ihren noch nicht durch Alter und Alkohol gezeichneten Gummikörpern nicht schaffen konnten. Deshalb war ich gespannt, wie sich die ersten Kids schlagen würden.
Und dann wurden die erwachsenen Teams vorgestellt.
Ja richtig. Netflix hat Der Boden ist Lava als eine Art „American Ninja Warrior für Pfosten“ konzipiert.
Ich war… überrascht. Und dann schnell fassungslos als ich das alberne Treiben vor meinen Augen mitansehen musste.
Original wie ein Verkehrsunfall. Ich konnte nicht wegsehen. Noch nicht mal meine eingefrorene Hand bewegen. Dabei wäre Umschalten zum Wohle meiner letzten Hirnzellen SO wichtig gewesen.
Ich meine… WTF!? Den Parkour hätte eine Gruppe Rollstuhlfahrer absolvieren können und diese Pfeifen gebärden sich, als hätten sie den Krypton Faktor…
Mini-Exkurs: Erinnert sich noch jemand an das 1991 ausgestrahlte und von Jörg Draeger moderierte Krypton Faktor? Jörg Draeger war damals so eine Art genetischer Abfall von Tom Selleck. Die Kandidaten musste in der Sendung für damals noch 100.000 DM ziemlich anspruchsvolle Aufgaben bewältigen; z.B. in einem echten Flugsimulator ein Space Shuttle landen oder einen Hindernisparcours in einem stillgelegten Eisenwerk überleben. Also, wenn man da eine beliebige Hürde nimmt und vor Freude in den Freak-Modus verfällt, kann ich das ja noch verstehen. Aber was bitte wurde den Kandidaten von The Floor is Lava injiziert?
Ich sehe also mit Entsetzen zu, wie ein klischeehafter „Gute Laune US-Moderator“ selbst den unspektakulärsten Sprung bejubelt, als ginge es tatsächlich um Leben und Tod.
Eine Mutter springt mit einem „UFF“ bäuchlings auf einen großen Kopf, obwohl es ihre gesunden Füße dafür auch getan hätten.
Wenig später schlägt sie gefühlte Stunden mit einem Stab gegen einen Obelisken, anstatt diesen einfach von einem günstiger platzierten Familienmitglied umstoßen zu lassen. (so wie es vermutlich auch gedacht war)
Ne, besser ist es natürlich die Tochter zu opfern und sie zu bitten, den Obelisken mit ihrem Körper umzustoßen, damit ihre ungelenkigen Eltern „überleben“ können.
Hui so spannend! Nicht!
Eher Fremdscham.
Ich meine, wen wollt ihr für dumm verkaufen?
Aus der gelegentlich eingeblendeten Vogelperspektive ist leicht erkennbar, dass die Hindernisse nicht wirklich weit auseinander stehen.
Pfff… keine Lust mir anzuschauen, wie bezahlte Schauspieler ihr Bestes geben aufgeregt und unfähig zu erscheinen.
Die Show kann bei mir nochmal vorsprechen, wenn der Boden wirklich Lava ist.