Ist The Orville das bessere Star Trek?
© Fox, Hulu, Disney+
Ernstgemeinte Frage.
Denn alles, was ich von einer guten Star Trek-Serie erwarte, bringt mir The Orville mit einer verträumten Leichtigkeit auf den Tisch. Und das, während die eigentlichen Vertreter ihrer Zunft größtenteils enttäuschen.
Aber gleich mal vorweg: Ich gehöre nicht zu diesen “Entweder-oder-Typen” – kann Lichtschwerter, alberne Droiden und die Macht von Star Wars genauso wertschätzen wie Beamen, Replikator-Essen und die Red Shirts von Star Trek.
Allerdings müssen die erforderlichen “Puzzlestücke” eines Franchise für mich auch vorhanden sein, damit ich mich wohlfühlen kann. Und das gibt mir im Fall von Star Trek, ironischer Weise, Seth MacFarlane mit seiner anfänglich als Persiflage gedachten Scifi-Serie deutlich besser als jedes aktuelle Gene Roddenberry-Projekt.
Aber was sind denn die Puzzlestücke für eine gute Star Trek-Serie?
Space Exploration!
Star Trek: Deep Space Nine, ich schaue dich an. Obwohl sie ihre Daseinsberechtigung hat, war die stationäre Daily Soap im Weltraum für mich nie die beste Star-Trek-Serie. Eher im Gegenteil. Wenn ein Schiff schon mittels Warp Drive “unbekannte Welten, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat” bereisen kann, wieso sollte dann der Großteil der Handlung auf ein und derselben Raumstation spielen? Aber an dieser Front machen alle aktuellen Star Trek-Serie ja alles richtig. Auch, wenn The Orville den Part mit der Erkundung des Alls für mich auf ästhetischer Ebene mit ihrem Tintenfisch-artigen Raumschiff am schönsten macht. Aber das ist natürlich Geschmackssache.
Eine sympathische Crew!
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Das Non-Plus-Ultra! Wenn die Chemie zwischen Zuschauer und Crew nicht stimmt, dann ist der planetenverschlingende Wurm drin. Dann können CGI, Plot und Konflikte noch so spannend sein. Dann geht mir bei Nicht-Gefallen das Schicksal der Leute einfach am “A” vorbei. An dieser Front hat sich besonders Star Trek Discovery an der Menschheit verschuldet. Ich glaube, es gibt kaum einen Charakter, der so polarisiert wie Superschlaubi und Heulsuse Michael Burnham. Das einzig Gute an der Serie war, dass durch eine winzige Szene mit Captain Christopher Pikevon der USS Enterprise NCC-1701 eine ganze Ableger-Serie entstanden ist. Tatsächlich schaue ich auch gerade Star Trek: Strange New Worlds und bin sogar halbwegs zufrieden. Allein durch Spock und Uhura gibt es hier Sympathieträger, die die Serie von Anfang an auf mindestens Warp 1 beschleunigen. Tatsächlich fand ich ja auch Staffel 1 von Picard nicht übel. Und auch, wenn Staffel 2 grottenschlecht war, werde ich mir nach Strange New Worlds auch noch die finale dritte Staffel von Picard zu Gemüte führen.
Das ist ja das Schöne an der neuen Streaming-Welt. Auswahl gibt es genug! Manchmal rümpfen Leute die Nase und faseln irgendwas von “man kann ja nicht bei jedem Streaming-Service Mitglied sein”. Ne, natürlich nicht! Aber das muss man ja auch nicht. Mal ganz davon abgesehen, dass man sich ja nach einem Monat des heftigen Durch-Bingens bei jedem Service auch wieder abmelden kann, bieten viele Plattformen Probemonate an, die locker reichen, um jede beliebige Serie umsonst zu schauen. Wer sich mal auf Gratismonat.de umschaut, wird herausfinden, dass Picard Staffel 3 durch einen Prime-Probemonat abzustauben wäre. Nur als Beispiel. Ihr seid schlau, ihr bekommt das hin.
Aber tatsächlich hat auch beim Punkt “Crew” The Orville sowas von die Nase vorne. KEINE Mannschaft hat mich bisher so berührt, zum Lachen und Weinen gebracht wie Captain Ed Mercer, Cmdr. Kelly Grayson, Gordon Malloy, Bortus… BORTUS! Allein das gleichgeschlechtliche Pärchen an Bord der Orville macht die ganze Serie sehenswert. Herrje, selbst Wissenschaftsoffizier und Kaylon Isaac hat als KI mehr Personality als ganze Star Trek-Besatzungen zusammen…
Technologie und Philosophie!
Tja, leider kann auch in diesem Segment KEINE einzige Star Trek-Serie EVAR mit dem Tiefgang von The Orville auch nur ansatzweise mithalten. Was hier jede bis jede zweite Folge aufgetischt wird, ist so… fantastisch. Hier trieft es nur so vor feinfühligen zwischenmenschlichen Themen, Hirn-sprengenden existenzphilosophischen Fragen und ins Schwarze treffender Gesellschaftskritik. Und an alle, die bisher vielleicht nur die erste Staffel gesehen haben: The Orville hat so viel mehr zu bieten als geilen Humor. Der ist nur ein unterhaltsamer Bonus! Schon in Staffel 2 wird die Serie deutlich ernster und mit dem Krieg gegen die Kaylon auch beinahe unerträglich episch.
Ich war schon lange nicht mehr so traurig beim Ende einer Serie, wie bei The Orville.
Immerhin endet die dritte Staffel von The Orville mit einem runden Finale, das, ganz im Sinne einer Shakespeareschen Tradition, sogar eine Hochzeit zu bieten hat. Ob es eine 4. Staffel geben wird, bleibt weiter unklar. Als Grund dafür nennt Schöpfer Macfarlane “Umbruch und Wandel in der Streaming-Branche”, bleibt aber laut einem Twitter-Kommentar vorsichtig optimistisch.
Das lässt doch immerhin hoffen! Wenn Seth selbst willig ist, dann findet sich auch ein Weg.