Jurassic World: Fallen Kingdom verpuppt sich zu B-Movie-Horror

© Universal Pictures

7 von 10 Indoor-Raptoren

Als der erste Jurassic Park in den 90ern ins Kino kam, ging es mir emotional so ähnlich wie beim ersten Teil von Herr der Ringe. Ich war so davon überwältigt eins meiner großen Interessengebiete mit so viel Liebe und so lebensechten CGI zum Leben erweckt zu sehen, dass ich fast vor Freude geweint hätte. Den Konjunktiv kann man eigentlich weglassen.

Doch schon in der ersten Fortsetzung wurde klar, dass Jurassic Park das „Animal Horror-Problem“ hat: Dinosaurier sind keine planenden Killer (bis auf die Raptoren der späteren Teile vielleicht), sondern Tiere, die ihren Instinkten nachgehen. Wenn sich wagemutige Menschen ihnen also nicht freiwillig aussetzen, kommen kein Konflikt und keine Spannung zu Stande. Das ist so ähnlich wie mit Orca, dem Killerwahl, oder dem weißen Hai. Die hüpfen selten an Land und jagen uns dann durch den Supermarkt. Es sei denn, man zieht es an den Haaren herbei und schafft damit unweigerlich einen schrägen B-Movie-Plot. Dazu später mehr…

Deshalb wurde versucht im Sequel, The Lost World: Jurassic Park, den gefährlichsten Saurier, den T-Rex, nach bester King Kong-Manier in die Zivilisation zu holen, um dort die Konfrontation herbei zu führen. Nach mäßigem Erfolg verlegte man in Jurassic Park III die Saurier-Action dann wieder zurück auf eine Insel und fügte einfach ein größeres Monster, den Spinosaurus, hinzu. Doch spätestens nach zwei durchschnittlich erfolgreichen Sequels im 50er-RottenTomatoes-Bereich war klar, dass man die Gebeine der Dinos nun mal ruhen lassen sollte. Der Dino-Drops war gelutscht und die filmischen Pforten des Jurassic Parks wurden erst mal über ein Jahrzehnt geschlossen.

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Dann wagte man 2015 mit Jurassic World die Wiederbelebung der Echsen im großen Stil – wie der Zusatz „World“ ja schon vermuten ließ. Trotzdem verfuhren die Macher vorsichtig und bauten, im wahrsten Sinne des Wortes, erstmal auf das erfolgreiche Fundament des Ur-Films auf. In Gewisser Weise kennen wir diese Taktik für den Einstieg in eine neue Trilogie auch von Star Wars – Das Erwachen der Macht. Lieber erst mal altbewährtes, in diesem Fall, den Todesstern, größer und gemeiner reaktivieren, um die alte Fan Base mit dem Nostalgieköder ins Boot zu bekommen. Ich finde, dagegen ist auch erstmal nichts einzuwenden, weil es ein schöner Anknüpfungspunkt ist. Never change a winning team. Bei hat es funktioniert.

Doch dann musste spätestens frischer Wind her. In Jurassic World wurde deshalb der „leichte Fantasy-Unterbau“ des Dino-Konzepts, nämlich dass einfach lückenhafte Dino-DNA mit Frosch-DNA ergänzt wurde, aufgegriffen und zum Gen-Technik-Horror ausgebaut. Der Indomitus Rex war geboren und sorgte für Szenen, die an die Alien-Filme gemahnten. Ich war damals bestens unterhalten. Die Macher hatten erkannt, was die Direktorin des Parks sogar im Film zur Sprache bringt: „Dinosaurier hauen heutzutage niemanden mehr vom Hocker. Wenn wir weiterhin profitabel sein wollen, müssen wir ein richtiges Monster erschaffen, das den Leuten Angst einjagt.“

In gewisser Weise war also abzusehen, dass im Brückenteil, Jurassic World: Fallen Kingdom, weiter in diese Kerbe geschlagen würde. Doch meiner Meinung nach hätte dies noch konsequenter und mutiger passieren dürfen. Wie meine ich das? Gleich sag ich’s. Gleich…

Ab hier Spoiler!

Jurassic World: Fallen Kingdom – Gebt mir Mutanten!

Wie auch beim zweiten Teil der Jurassic Park-Trilogie wird nun erstmal der Schritt in die Zivilisation gewagt. Diesmal unter dem Vorwand die letzten Dinos aus dem verlassenen Jurassic World-Park vor ihrer Auslöschung durch einen Vulkan zu retten.

So fängt der Film mit leichten Anlaufschwierigkeiten zwar, aber mit viel Action und vorhersehbaren Dino-Casualties an. Im Grunde wurde ich hier schon gut unterhalten durch die passenden Set Pieces und Over the Top-Abenteuerfilm-Action, wie ich sie mir für jeden Indiana Jones-Film wünsche. Wenn ein Vulkan ausbricht und in Wohngebäuden Lava-Duschen, die sich von der Decke ergießen, für noch mehr Todesfallen zwischen durchdrehenden Sauriern sorgen, hab ich grundsätzlich keine Einwände.

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Doch dann dreht der Film ab.

Was geil ist, aber manchmal auch zu Augenroll-Momenten führt, die teilweise zu verhindern gewesen wären.

Die Saurier werden in den Keller eines großen Anwesens gebracht, wo sie viel zu eng und heikel eingepfercht darauf warten, an fragwürdige Gestalten dieser Welt versteigert zu werden.

Was soll da schon schief gehen?

Der ursprüngliche Schöpfer der Dinos ist nämlich schon lange tot und der profitgeile Benjamin Lockwood wurde als neuer Verwalter des Vermögens berufen.  Als die ersten Dinos den Besitzer gewechselt haben, lässt sich Lockwood von den Dollarzeichen in seinen Augen dazu überreden auch dem neuen Hybriden, den Indoraptor, für eine sagenhafte Summe zu versteigern.

Unnötig zu erwähnen, dass dann alles schnell eskaliert, oder? Man hätte den Film auch wie ein altes, trashiges D&D-Abenteuer „Das Anwesen der Saurier“ nennen können.

Besonders witzig fand ich, dass der neue Hybride Indoraptor heißt. Quasi ein „Indoor-Raptor“ für Close Quarters-Einsätze. Zumindest hab ich immer Indoor-Raptor verstanden. Und es passt auch, weil er zwar kleiner als der Indomitus Rex ist, aber nicht weniger fies.

Und da fangen dann auch spätestens die Augenroll-Momente an, in einem Film, bei dem „Style über Substanz“ groß geschrieben wird.

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Denn der neue Super-Raptor, der scheinbar auch nachdenken, Fenster öffnen und kleine Kinder erschrecken kann, ist auch per Com-Link mit einem Laser-Ziel-System ausgerüstet. Wenn jemand diesen Laser auf ein Ziel richtet, kann der Raptor per Knopfdruck auf dieses gehetzt werden.

Ähm…ja.

Wenn ich einen Ziel-Laser auf etwas gerichtet habe… kann ich dann nicht auch einfach abdrücken und das Ziel erschießen? Zugeben, stattdessen als Special Move einen tödlichen Super-Raptor loslaufen zu lassen, hat natürlich mehr Style.

Aber geht es bei Kriegsführung um Style? Überhaupt möchte ich an dieser Stelle mal die Grundprämisse hinterfragen, dass die Armee so sehr an den Sauriern interessiert ist, weil „ja schon immer Tiere wie Löwen oder Elefanten in der Kriegsführung eingesetzt wurden“.

Ähm… ja.

Wisst ihr, wie lange das her ist? Ihr wisst schon, dass wir mittlerweile Bomben und Raketen haben?

Aber nicht nur die Armee denkt und agiert etwas umnachtet in Jurassic World: Fallen Kingdom. Leider sind Starlord, Klon-Girl und seine Freundin mit endlich salonfähiger Frisur auch nicht die schärfsten Zähne im Sauriermaul. Wenn ich mich am Ende des Films entscheiden muss, ob ich a) alle Saurier draufgehen lasse oder b) sie lieber in die Zivilisation frei lasse, wo sie ebenfalls draufgehen, weil sie erschossen werden, aber vorher noch jede Menge Unschuldige mitnehmen können, dann entscheide ich mich natürlich für  b) keine Frage. Ich bin mir sicher, man hätte das Mädchen noch aufhalten oder die Tür schnell wieder schließen können…

Seufz. Wenigstens ist auf diese Weise eine konsequente Grundlage für den dritten Teil geschaffen, der dem Namen Jurassic WORLD endlich alle Ehre macht. Tatsächlich gibt es sogar eine eher unspektakuläre Abspannszene, in der das nochmal unterstrichen wird.

Trotz aller „Schwächen“ ist der Film eine Guilty Pleasure für mich, die im Kino, gerade wenn mit Dolby Atmos der Vulkan im Hintergrund besonders schön grummelt, echt Fun aufkommen lässt. Zwar sind viele Tode vorhersehbar, wie auch große Teile der Handlung, doch der dadurch unweigerlich entstehende oder auch gezielt eingestreute Humor, macht das Erlebnis zu einem etwas leichtherzigeren B-Movie-Spaß. Unser sadistisches Gelächter schallte auf jeden Fall häufig durch den Kinosaal.

Einfach Hirn aus und Spaß haben.

Im Grunde finde ich es gut, dass die Saurier-Serie nun ihre etwas infantilere Seite wieder findet und Spaß über Realismus stellt. Man hätte nur vielleicht noch einen Schritt weiter und komplett von beinahe historischer Tierdoku mit leichtem Fantasy-Unterbau zu waschechtem Science-Fantasy-Horror übergehen können. Anstatt ein geklontes Mädchen als milden Schockmoment zu benutzen, hätte ich mich z.B. über Saurier-Mensch-Mutanten gefreut. Der militärische Nutzen solcher Übersoldaten wäre auch eher nachvollziehbar gewesen, als Kanonenfutter-Dinos.

Über Thilo (1213 Artikel)
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