Holt Tim Schafer mit Broken Age die Ära der Point-and-Click Adventures zurück?
Die traurige Antwort lautet für mich: Nicht wirklich.
Aber fangen wir mal vorne an. Nachdem ich in den letzten Tagen einige überschwengliche Reviews zu Broken Age gelesen hatte, musste ich mir selbst ein Bild machen. Ich war sogar von so etwas wie nostalgischer Vorfreude erfüllt, als ich beim Gedanken an Monkey Island, Day of the Tentacle und Full Throttle auf Steam gierig die ca. 22€ für den Download von Broken Age löhnte.
Doch die traurige Wahrheit ist, dass Broken Age in vielerlei Hinsicht nicht mit dem Charme der klassischen Abenteuerspiele mithalten kann. Betrachtet man den offiziellen Trailer auf brokenagegame.com, sieht das Game in Papercut-Optik eigentlich sehr witzig und vielversprechend aus. Gerade die beiden parallelen Storylines, zwischen denen ihr im Spiel frei hin und her wechseln könnt, sind sehr abgefahren und spannend: Ihr spielt auf der einen Seite ein junges Mädchen, welches im Setting einer fantastischen Welt einem furchtbaren Monster geopfert werden soll und auf der anderen Seite einen Jungen, welcher auf einem vollautomatischen und ihn beschützenden Raumschiff versucht seiner Langeweile Herr zu werden.
Das klingt doch eigentlich gar nicht so übel, denkt ihr jetzt. Na dann will ich mal schweren Herzens den dreiköpfigen Affen zum Schämen in die Ecke schicken und die Nachteile des Games auflisten.
Zunächst mal ist das Spiel viel zu kurz und in vielleicht 3 Stunden durchgeklickt. Das liegt besonders daran, dass ich für mein Geld nur ein halbes Spiel bekommen habe und nun auf die Veröffentlichung des fehlenden 2. Teils im Verlauf dieses Jahres warten muss. Sind Tim und Konsorten unterwegs Ideen, Witze oder schlichtweg das Geld ausgegeangen, so dass sie schon mal ein halbes Produkt an den Mann bringen mussten? Allein dafür verdient es Tim Schafer von Motorradrocker Ben am Nasenring gegen die Theke gezogen zu werden.
Ein weiteres großes Manko, gerade für dieses Genre, ist das Fehlen knackiger Rätsel. Irgendwie bin ich nie an den Punkt gekommen wirklich nachdenken zu müssen und das Inventory meiner Protagonisten war stets so übersichtlich (immer so um die 5 Gegenstände), dass es ohnehin kaum Kombinationsmöglichkeiten gab.
Die Grafik ist in der Papercut-Optik zwar gelungen und bringt die Atmosphäre rüber, aber offenbart an manchen Stellen unscharfe Bilder und matschige Texturen. Dann lieber Comic- oder Pixel-Look für mich…
Doch was mich am meisten gewundert hat, war die fehlende Finesse des gesamten Produkts in Hinsicht auf die duale Erzählweise. Wieso bitte kann ich zwischen den beiden Storys jederzeit hin und her schalten, wenn sie sich nicht gegenseitig beeinflussen? Bei Day of the Tentacle konnte man in Gegenwart oder Vergangenheit wenigstens die Zukunfts-Story direkt beinflussen, was einen Großteil der Witze und des Charms ausgemacht hat. Bei Broken Age … Fehlanzeige. Schade. Natürlich wird am Ende eine Beziehung zwischen den Leben der beiden Früchtchen deutlich, aber das lässt leider die Spielmechanik völlig außen vor.
Deshalb mein Fazit: Es hat durchaus mal wieder Laune gemacht sich durch ein Point-and-Click Adventure durch zu nerden, aber es hat in erster Linie auch Lust auf MEHR gemacht. Lust auf ein richtig gutes Adventure. So eins mit vielen Schauplätzen, angemessen schweren Rätseln, die auch mal einen Aha-Effekt auslösen können, und noch deutlich mehr Humor. Also dafür, dass Herr Schafer vorher auf Kickstarter so einen Wind gemacht hat, ist sein (eigentlich nur halb) fertiges Spiel insgesamt bestenfalls mittelprächtig.
Ich gehe dann mal Schmollen. Oder Saufen.