Wonder Woman – Ist der Hype gerechtfertigt?
7 von 10 leuchtenden Lassos des peinlichen Stotterns
Die Welt kriegt sich nicht mehr ein. Da soll es jetzt eine Superheldin im Kino geben, bei der sich alle Feministinnen, als Amazonen verkleidet, in Woman-only-Vorstellungen zusammen rotten. Oha. Als hätte es nicht schon vorher genug starke Frauenrollen im Kino gegeben. Zugegeben, es ist das erste Mal, dass in einem Superheldenfilm eine Frau als Triple-A-Powerhouse Tritte verteilt, die Männer schreiend den Horizont aufsuchen lassen. Das ist eben noch mal was anderes als eine Eowyn, die einen Hexenkönig tötet, an dem jeder Mann zuvor gescheitert ist. Oder auch genau dasselbe. Aber fangen wir mal vorne an.
Obwohl ich nicht der größte Wonder Woman-Fan bin, hat mir DC hier einen Film über die Super-Amazone serviert, der die meiste Zeit viel Spaß gemacht hat. Der unsichtbare Jet wurde glücklicher Weise in der Garage gelassen und das inhärent alberne Lasso so geschickt als glühender, weiblich-flexibler Anti-Phallus in Szene gesetzt, dass ich angenehm überrascht war.
Und auch wenn ich mit dieser Wonder Woman nie ganz warm werden kann (ich will ja, aber ich sehe in meiner Gedankenwelt einfach zu oft das israelische Supermodel verträumt an Parfüm schnuppern), macht Gal Gadot ihren Job formidabel. Ich bin ein Echo des gesamten Internets, wenn ich sage, dass sie in jeder Hinsicht „eine gute Figur macht“. Ob Sie zu ihrem unverkennbaren Wonder Woman E-Gitarren-Sound Fußfeger verteilt, oder als naiv-gutherzige Sekretärin in der Drehtür hängen bleibt – sie ist stets wundervoll. Meine persönliche Präferenz und Sehnsucht mach einer üppigeren Red Sonja-Variante von Wonder Woman muss bei dieser Bewertung natürlich außen vor bleiben.
Doch den Aufruhr, den ihre Rolle in der Welt der Frauen auslösen soll, geht etwas an mir vorbei.
Es sei denn, die Damen dieser Welt identifizieren sich gerne mit einem Mädel, das es schafft seine Naivität in der großen, bösen und komplexen Welt, bis 5 Minuten vor Filmende, aufrecht zu erhalten. Ihrer Herkunft geschuldet und aus Gutherzigkeit geboren, macht dieser Charakterzug natürlich Sinn – und ist ja auch Teil der Entwicklung in der Origin Story – doch ob es in seiner Eindimensionalität reichen kann, um Frauen zu großen Taten zu inspirieren? Natürlich gibt es wunderschöne Szenen, in denen Wonder Woman Schnauzbart- und Orden-tragende Militärs als die machthungrigen und verblendeten Deppen darstellt, die sie sind. Und natürlich drängt sich da der äußerst wahre Gedanke auf, dass mehr Frauen in der Politik zu weniger Kriegen führen würden (oder gleich Kinder, wie Grönemeyer einst forderte). Doch dies ist nicht so sehr dem unglaublich starken und selbstbewussten Auftreten von Wonder Woman geschuldet (die in ihrer Unverdorbenheit einfach frei Schnauze redet), sondern dem geschickt inszenierten Kontrast zu einer Welt von eindimensionalen, männlichen Idioten. Idioten, die ihre bloße weibliche Präsenz in einem Raum, in dem „Tacheles“ geredet wird, schon als Beleidigung empfinden und die sie auch noch auf den Gang schicken wollen, wenn sie offensichtlich die einzige ist, die ein gebendes Problem lösen kann.
Aber wenn wir die Feminismus-Kiste jetzt einfach mal schließen und den Film als solches betrachten, dann ist die Inszenierung auf jeden Fall gelungen. Und glücklicherweise fühlen wir uns als Zuschauer nach dem Film auch nicht deprimiert, wie bei Man of Steel, da darauf geachtet wurde, die an sich lächerliche Prämisse jedes Superheldenfilms nicht allzu ernst zu nehmen. Allerdings führte das für mich auf der Kehrseite der Medaille dazu, dass das Gesicht des Krieges beinahe etwas an Schrecken verlor. Die Macher können nicht auf der einen Seite versuchen weniger düster zu sein, aber auf der anderen Seite den 1. Weltkrieg als Kulisse nutzen. Als zwei Bösewichter des Films im Angesicht elendig verreckender Soldaten über einen Gasmaskenwitz lachten, wollte ich fast mitlachen. Hier wurde definitiv nicht die emotionale Tragweite eines echten Anti-Kriegsfilms erreicht. Aber vielleicht muss eine Comicverfilmung das ja auch gar nicht.
Und apropos Bösewichter. Ein richtiger wäre besser gewesen als drei halbe. Dr. Poison war so furchteinflößend wie es eine frustrierte Chemikerin eben nur sein kann. Glücklicherweise trug sie eine gefährliche Phantom der Oper-Maske, sonst hätte ich sie überhaupt nicht als Bösewicht beachtet. Danny Huston hat mir als gewissenloser Nazi-Befehlshaber schon besser gefallen. Doch der wahre Endgegner des Films hat mich auch eher enttäuscht. Natürlich verstehe ich die Wahl ihn als schnauzbärtigen Normalo darzustellen, um die Tatsache zu unterstreichen, dass das Böse überall und häufig auch im scheinbar Harmlosen lauern kann. Doch in meiner Vorstellung ist ein griechischer Gott, gerade Ares, ein charismatischer Befehlshaber von Truppen und damit… naja, gutaussehend und charismatisch eben. Ansonsten könnte Wonder Woman ja auch ein 0815-Mädel sein, um zu zeigen, dass wahre Stärke nichts mit Model-Aussehen, sondern Mut und Taten zu tun hat.
Der Endkampf gegen Ares ist schon nett in Szene gesetzt und hat ein paar gute Ideen zu bieten (z.B. wie er seinen Helm „aufsetzt“). Doch irgendwie ist er auch der willkürliche CGI-Kampf, den wir schon so häufig gesehen haben. Hier hätte ich mir etwas mehr Blick für Details gewünscht. Zwar ist die Symbolik wohl gelungen, wenn Ares sich durch seine eigene Hass-Power, die WW auf ihn zurück schleudert, im Prinzip selbst vernichtet, doch wenn er sich ein paar Szenen zuvor noch wild rumteleportieren konnte, finde ich den Ausgang ein wenig unbefriedigend. Vom Gott des Krieges hätte ich mir einfach etwas mehr erwartet. Und von Wonder Woman übrigens auch. Wieso muss ihr Ares erst zeigen, dass ihr Schwert für den Eimer ist? Wieso muss ein MANN ihr den wichtigen Tipp geben, dass SIE SELBST die Waffe ist. Ich denke, gerade im Sinne der Botschaft, den der Film für Frauen haben möchte, wäre es deutlich passender und so viel epischer gewesen, wenn Miss Lasso das selbst geschnaggelt hätte: „Weißt Du was, Du PAPPNASE des Krieges? Ich brauche meine Penisverlängerung nicht, um Dich zu töten… denn ICH bin die Waffe!“
Aber vielleicht ist an der Stelle meine Kritik auch sinnlos. Denn Weder Ares noch Wonder Woman, noch irgendein Gott im DC oder Marvel-Universum sind ja wirklich Götter. Da sie alle ihre Schwächen und klaren Limitierungen haben, entsprechen sie ohnehin nicht dem, was per Definition ein Gott ist. Insofern ist die Inszenierung des Finales an der Stelle einfach nur Geschmackssache.
Ein weiterer kleiner Kritikpunkt ist für mich die Spieldauer. Auch, wenn der Film wunderschön anzusehen ist und durch eine glorreiche Gal Gadot (und einige sehr gute Nebendarsteller) hervorragend getragen wird, hatte er für mich hier und da seine Längen. Ob wir uns z.B. so lange auf der Paradies-Insel der Amazonen aufhalten mussten, darüber kann man sich streiten. Auch an anderen Stellen hatte der Film seine „ruhigeren“ Momente, die manche begrüßen und andere als langatmig empfinden werden.
Insgesamt blieben mir die geil gecasteten Amazonen und Gal Gadot als Wonder Woman in Erinnerung. Den Film habe ich jetzt gesehen und abgehakt. Ist für mich kein Film, den ich unbedingt noch mal sehen muss. Sein Script ist eher simpel und meilenweit von der Klasse eines Dark Knight entfernt. Die Witze haben mich lächeln, aber auch nicht laut lachen lassen wie bei Guardians oder Deadpool. Irgendwie war der Film insgesamt solide und „sehr nett“; hatte sogar ein paar Gänsehaut-Momente. Fast so, als hätte DC diesmal kein Risiko eingehen wollen, was in ihrer Position sicherlich auch ein Schritt in die richtige Richtung ist. Aber einigen von Marvels besten Titeln kann Wonder Woman dennoch nicht das Wasser reichen.
Eine gute letzte Kamera-Einstellung wäre übrigens das Foto mit Wonder Woman und ihren lustigen Kriegsgefährten gewesen. Sie jedoch, ohne erkennbare Bedrohung, wie Superman in die Kamera fliegen zu lassen, war klischeehaft wie unnötig. Ich denke, sie hatte sich ihren Badass-Stempel schon weit vorher verdient.