American Gods ist eine seltsame Ferkelei
Neil Gaimans bizarres Machwerk ist düster, sexy und extrem blutig. Spätestens seit Game of Thrones scheint das ein, von Sendern gerne unterstütztes, Erfolgsrezept zu sein. Doch nun zu sagen, dass American Gods in der gleichen Liga spielt, wäre nach nur einer Folge erstens zu früh und zweitens vermutlich auch übertrieben.
Denn ich habe mit American Gods vielleicht ein Problem.
Ich könnte mir vorstellen, dass die Serie zwar weiterhin ein opulentes Bankett voll bluttriefender Optik, erwachsener Sprache und mysteriöser Symbolik bleibt, ohne mich dabei jedoch je so richtig in eine mitreißende Story zu involvieren. Wer Neil Gaiman mal gelesen hat weiß, dass seine Bücher besonders von den guten Ideen und atmosphärischen Bildern leben. Sein Buch Neverwhere, das in der seltsamen Parallelwelt von „Unter-London“ spielt, konnte ich in jüngerer Vergangenheit z.B. noch nicht zu Ende lesen, weil sich die Faszination seiner Idee für mich noch vor Buch- und Story-Ende erschöpft hatte.
Klar, mir ist bewusst, dass das völlig subjektiv ist und sein American Gods steht auch noch ungelesen hier im Regal rum. Ich bin nur gespannt, ob sich die wunderbar bizarre, aber auch irgendwie simple Prämisse des Konflikts “alt gegen neu” auch anbietet, um mehr als eine Art Freak unter den Serien zu erschaffen.
Wovon handelt American Gods denn eigentlich?
Naja, what you see is what you get. American Gods steht drauf und ist auch drin. Scheinbar haben alte Götter, wie Odin, Angst so sehr aus der Mode zu kommen, dass sie irgendwann vollkommen verschwinden. Deshalb kommen sie nach Amerika – klar, wohin auch sonst, den Mittelpunkt des Kosmos – um gegen die neuen Götter der Menschheit vorzugehen. Dabei holt sich Odin unter dem Pseudonym „Mr. Wednesday“ einen ehemaligen Knasti namens „Shadow Moon“ (wow, ist es mit Gaiman wieder durchgegangen…) als Bodyguard und tourt mit diesem durch die Lande. Dabei treffen sie schon in der ersten Folge einen der neuen Götter, die personifizierte Technologie, die Shadow Moon einfach „zu löschen“ droht wie einen ungeliebten Computervirus.
Jo, darum geht es bei American Gods.
Das Konzept, dass fantastische Wesen, an die niemand mehr glauben kann, allmählich ihre Macht verlieren und sich sogar auflösen, kennen wir spätestens aus Michael Endes unendlicher Geschichte. Konzepte, Personen und sogar Götter – gerade Götter – verlieren ihre Substanz, wenn sie keine „Gläubigen“ mehr finden, die sie anhimmeln. Aus den Augen, aus dem Sinn, aus der Existenz. Kennt man. Ich bin ja auch schon mal auf der gigantischen Leiche eines toten Gottes rumgestapft, der ohne den Glauben seiner Anhänger, leblos im Astralraum schwebte. Also nicht hier in Bonn, sondern im Pen & Paper-Rollenspiel Planescape.
Aber um dem übernatürlichen Firlefanz noch die Krone aufzusetzen, ist die Welt der American Gods auch noch mit verschiedenen anderen mythischen Kreaturen bevölkert, die sich erst noch zum Gottstatus hochvögeln müssen. So taucht beispielsweise (für mich) relativ zusammenhangslos plötzlich ein Leprechaun auf, der sich unbedingt mit Shadow Moon prügeln will. Seine bloße Anwesenheit verleiht der Serie zusammen mit seinem unerwarteten Verhalten eine Spur Buffy- oder Supernatural-Trash-Charme. Wahrscheinlich werde ich die Serie nur um ihres Ulk- und Blut-Faktors wegen weiter schauen.
Also, um nicht, wie Gaiman nur noch blutig auszulaufen, komme ich mal zu einer Art Fazit. Die erste Folge von Gaimans Beitrag zum Sex und Gewalt-Fernsehen macht durchaus Spaß, wenn auch in erster Linie optisch. Ich bin gespannt ob und wie uns American Gods durch eine vielleicht nicht allzu abstruse Story führen wird.